Spontane Soziale Verteidigung in der Philippinischen Revolution

Der zehnte Geburtstag

von John F. TaylorRichard W. Fogg
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Es ist zehn Jahre her, daß die Bevölkerung der Philippinen im Winter 1986 Präsident Ferdinand Marcos aus seinem Amt warf. Er schien unstürzbar zu sein, weil er die zentrale Regierung und viele Lokalregierungen, das Militär und die Wirtschaft in einem Land kontrollierte, das aus 7.000 Inseln besteht. Aber gewaltfreie Aktion erreichte viele dieser Inseln und beendete seine Diktatur.

Der Internationale Versöhnungsbund spielte eine Schlüsselrolle

Im Unterschied zu vielen gewaltfreien Kämpfen hatte die philippinische Kampagne eine religiöse Basis und ein großer Teil der Organisation ging von dem Internationalen Versöhnungsbund aus. Er ist eine religiöse, pazifistische Organisation, die eineinhalb Jahre vor der Präsidentenwahl 1986 begonnen hatte, Workshops über Gewaltfreiheit in den Philippinen abzuhalten. Bischöfe, andere katholische und protestantische Führer der Bewegung und Basisaktivisten nahmen an diesen Workshops teil und verbreiteten das Gelernte durch ihre Kirchen auf viele der Inseln. Hildegard und Jean Goss-Mayr und Richard Deats (Versöhnungsbund USA) leiteten einige dieser Workshops. Die Workshops bauten auf der ziemlich breiten gewaltfreien Bewegung auf, die in den Philippinen nach der Ermordung von Benigno Aquino bei seiner Rückkehr aus dem Exil entstanden war.

Der wesentliche Punkt, der in den Workshops betont wurde, war, daß jede/r wichtig ist, weil er oder sie ein Kind Gottes sei. Aus diesem Gefühl von Würde, das die Diktatur von Marcos teilweise zerstört hatte, entstand der Rest. Viele Philippinos glaubten, daß die einzigen Methoden, mit denen man die Diktatur bekämpfen könne, entweder Passivität oder Gegengewalt seien. Der Versöhnungsbund lehrte, daß es einen dritten Weg gebe: die aktive Gewaltfreiheit. Sie bedeutet, freundlich zu Gegnern zu sein, sich aber zu weigern, sich ihnen zu unterwerfen.

Nichtzusammenarbeit funktioniert

In Treffen zu Gewaltfreiheit fragten Philippinos, wie dieses Prinzip auf das Problem der Guerrillas angewendet werden könne. Diese versuchten, nachts in den Städten neue Anhänger zu rekrutieren. Tagsüber bemühten sich dann die Soldaten, herauszufinden, wer überlegte, sich den Guerrilleros anzuschließen. Die Organisatoren der Treffen rieten den betroffenen Städtern, den Guerrilleros in großen Gruppen gegenüberzutreten und dem Militär freundlich zu sagen, daß die Stadt mit keiner der beiden Seiten kooperieren werde. Viele Ortschaften taten dies, ohne Schaden zu erleiden oder, in den meisten Fällen, wurden in Zukunft in Ruhe gelassen.

Nicht nur sie, sondern auch Cory Aquino weigerte sich, ihren Gegnern nachzugeben. Ihre Leibwächter rieten ihr dringend, aufzuhören, sich in gelb, der Farbe ihrer Wahlkampagne, zu kleiden, da dies sie als ein Ziel von Anschlägen sichtbar machte. Sie antwortete: "Als mein Gatte, Benigno, starb, habe ich meine Furcht verloren. Ich bin bereit, wenn nötig, für mein Land zu sterben."

Es war offensichtlich, daß Marcos die Wahlergebnisse fälschen wollte. In dem Versuch, dies zu verhindern, bewachten Anhänger von Frau Aquino die Wahlurnen. Später sagten sie: "Weil Cory keine Angst hatte, hatten wir den Mut, die Urnen zu bewachen und den Soldaten Widerstand zu leisten." Nach den Wahlen, die Marcos, wie auf den Philippinen gesagt wurde, "gestohlen hatte", verstärkten die Aktivisten ihre Kampagne. Zum Wendepunkt kam es, als Verteidigungsminister Juan Enrile und General Fidel Ramos, die sich als Gegner von Marcos zu erkennen gaben, vor ihrer Festnahme in eine Militärkaserne flohen. Dort standen sie mit nur 300 Soldaten der Armee Marcos mit 300.000 Soldaten gegenüber.

Marcos befahl, die Kaserne anzugreifen. Aber 100.000 BürgerInnen versammelten sich um die Kaserne und standen den Panzern im Wege. Die schon gestarteten Bomberpiloten weigerten sich, die Kaserne anzugreifen und sagten, daß sie keine Schlächter seien. Sie wären zum Militär gegangen, um ZivilistInnen zu verteidigen, nicht um sie anzugreifen.

Dann handelten die Nonnen und Priester. Einige von ihnen hatten den Film "Gandhi" gesehen und beschlossen, durch ihn inspiriert, sich Marcos Soldaten entgegenzustellen. Viele erwarteten, niedergeprügelt oder von Panzern überrollt zu werden. Sie bereiteten sich auf den Tod vor.

Als die Panzer kamen, knieten die Nonnen und einige wenige Priester vor ihnen hin, beteten und stellten Statuen von Jesus und Maria vor sich. Die Panzer fuhren an, stoppten dann aber und kehrten schließlich in ihre Kasernen zurück. So viele Menschen umrundeten sie, daß sie sich nicht bewegen konnten.

Es hat in der phillippinischen Revolution nur wenige Todesopfer gegeben. Die Philippinos erlebten das Paradox, zu überleben durch die Bereitschaft zu sterben. Regierungen anderer Länder unterstützten die gewaltfreie Reovlution. Präsident Reagan entzog Marcos seine Unterstützung. Diese letzte Geste veranlaßte Marcos, nach Hawai zu fliehen, wo er später starb. Cory Aquino wurde Präsidentin, nach ihr dann Fidel Ramos.

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John F. Taylor ist Schriftsteller aus Texas.
Richard W. Fogg leitet das Center for the Study of Conflict in Baltimore, USA. Der Beitrag wurde der Zeitschrift "Civilian-Based Defence" 11/2, 1996 entnommen.