NATO-Doktrin: Alarm schlagen!

Des Pudels Kern

von Mani Stenner
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Ganz schön stark, die NATO in ihrer Midlife-Crisis. Ziemlich dreist die Führungsmacht und sehr gefährlich der unverhohlene Anspruch, eigene Interessen machtpolitisch und militärisch durchzusetzen - UNO-Mandat hin, Völkerrecht her und zur Not auch mit Atomwaffen gegen Nicht-Kernwaffen-Staaten. Beschlossen und verkündet beim Jubiläumsgipfel in Washington im April 1999 - wenn Du das nicht noch verhinderst.

Die NATO entpuppt sich im Zeitalter des Unilaterismus unverblümt als das kriegerische Machtinstrument, vor dem antiimperialistische Pamphlete in den achtziger Jahren gewarnt haben. Schwierigkeit der heutigen Friedensbewegung: Zu ändern ist da nur was bei großem politischen Gegendruck aus den Gesellschaften der NATO-Länder. Die Mehrheit in den westlichen Ländern hat sich aber schon fast gewöhnt: an Bombardierungen des Irak, an Kriegsdrohungen gegen Restjugoslawien und hierzulande fast auch an die Beteiligung der Bundeswehr an einem ganzen Potpourrie militärischer Einsätze. Die neue Qualität und die Gefährlichkeit der von den USA konzipierten "Neuen NATO" und ihrer Militärpolitik auch für uns selbst wird kaum realisiert.

Die Diskussion um die "Neue NATO" hat unmittelbare Auswirkungen auf buchstäblich alle Themenfelder, mit denen sich Friedensgruppen befassen. Fortschritte bei der atomaren Abrüstung wie die Eindämmung der Proliferation wird es nicht geben, wenn der Ersteinsatz von Atomwaffen die NATO-Doktrin bestimmt. Wir verlieren UNO und OSZE als Hoffnungen für ein internationales Krisenmanagement, wenn sich die NATO je nach eigenen Interessen selbst für Kriegshandlungen mandatiert und faktisch die Kooperation mit Russland aufkündigt. Die umfangreichen Möglichkeiten ziviler Konfliktbearbeitung bleiben verschüttet, wenn die NATO-Staaten militärische "Konfliktlösungen" als die normale Fortsetzung ihrer Machtpolitik für ihre jeweiligen eigenen Interessen betreiben. Alle leben gefährlicher.
Es bedarf jetzt dringender Anstrengungen, eine öffentliche Kontroverse um die NATO-Pläne zu schaffen. Ganz alleine sind wir dabei nicht.

78 katholische Bischöfe der USA haben bereits im Juni 1998 in einem dringenden Appell auf die neuerlich wachsende amerikanische nukleare Aufrüstung und die Gefahren der neuen nationalen US-Militärstrategie hingewiesen, nach der Atomwaffen vorbeugend oder als Reaktion auf den Einsatz chemischer oder biologischer Waffen oder zur "Sicherung der Interessen" der USA eingesetzt werden, gegebenenfalls auch ohne UNO-Mandat. Die neue NATO-Doktrin bedeutet die Ausdehnung dieser US-Militärstrategie auf die ganze NATO.

Mitglieder der Evangelischen Kirche Brandenburgs erinnern in ihrem Appell an die Bundestagsabgeordneten an die scharfen politischen, ethischen und theologischen Auseinandersetzungen, die gerade auch die Kirchen vor fundamentalen sicherheits- und militärpolitischen Entscheidungen der deutschen Politik geführt haben: über die deutsche Wiederbewaffnung 1951/52, die atomare Bewaffnung Deutschlands 1958 und über die Stationierung atomarer Mittelstreckenwaffen in Europa und besonders in den beiden deutschen Staaten ab 1979. "Wir denken, dass deutsche Politiker mit dem 1999 anstehenden Beschluss der NATO über die Neue NATO-Strategie vor ähnlich fundamentalen Entscheidungen stehen". Die Kirchen sind jetzt wie damals gefordert.

Besonders bezüglich des Ersteinsatzes von Atomwaffen haben wir den Papst, den Internationalen Gerichtshof und sogar Außenminister Fischer und die Koalitionsvereinbarung auf unserer Seite. Rot-Grün wird aber nicht von allein und nicht aufgrund einiger Briefe und Gespräche mit Friedensorganisationen der weiteren Militarisierung der Politik entgegensteuern. Große Teile tragen sie bereits mit, auch wenn es diesmal sogar divergierende Interessen europäischer NATO-Regierungen gegenüber den USA gibt.

Auch die großen Protestaktionen der achtziger Jahre sind nicht vom Himmel gefallen, sondern begannen mit ersten kritischen Worten und Aufklärung, Unterschriftenaktionen, Diskussionsveranstaltungen und Aktionen kleiner Gruppen. Wir haben Grund genug, Alarm zu schlagen und fangen damit an. Ein Schuss wohlverstandener Antiamerikanismus ist dabei gerechtfertigt und will die US-Bischöfe unterstützen. Das Netzwerk Friedenskooperative und andere Organisationen bereiten eine Zeitung zur NATO in hoher Auflage vor, die im März der taz beigelegt wird und zum Verteilen für Infostände und Veranstaltungen zur Verfügung steht. Eine bundesweite Unterschriftensammlung, Postkartenaktionen aber auch demonstrative Aktionen sollten damit verknüpft werden. Viele der geplanten Ostermärsche und -aktionen stellen das Thema in den Vordergrund. Der NATO-Geburtstag fällt auf den Ostersonntag. Der "Jubiläumsgipfel" findet am 23./24. April statt. Zu diesem Anlass sollten wir auch dem Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe auf die Bude rücken.
 

Teilt bitte alle Aktivitäten in diesem Zusammenhang und zu diesem Thema dem Büro des Netzwerk Friedenskooperative mit. Gesammelte Infos sind dann dort und natürlich im Internet abrufbar.

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