Die Bedrohung durch die NATO in Lateinamerika

von Luis Gutiérrez Esparza

Das Anwachsen der militärischen Aktivitäten der Vereinigten Staaten in Lateinamerika und der Karibik hat die Länder in diesen Regionen gezwungen, die möglichen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Globalisierung der NATO sorgfältig zu prüfen. Im Kern der strategischen Ausweitungen liegen Lateinamerikas Rohstoffe: Nicht nur Öl und Mineralien, sondern auch jene, bei denen es um das Überleben der Menschheit geht, wie Wasser und Biodiversität.

US-Präsenz in Lateinamerika
Die kolumbianische Regierung hat gerade mit Washington ein Abkommen geschlossen, das es den USA erlaubt, sieben Militärbasen auf kolumbianischem Territorium zu kontrollieren. Der letzte Abschnitt dieses Abkommens wurde geheim gehalten, aber es wird angenommen, dass er alle Arten von Operationen inner- und außerhalb des Landes gestattet.

Eine dieser Basen, Palanquero, wird offiziell die Auftankstation für Militärtransportflugzeuge sein, doch in Wirklichkeit wird sie den US-Streitkräften direktere Kontrolle des südamerikanischen Raumes erlauben. Und europäische Sicherheitsexperten haben auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die US Befehlszentrale Southern Command Palanquero zum Ausgangspunkt eines NATO-Luftkorridors zwischen Südamerika und dem afrikanischen Kontinent machen könnte.

Gleichzeitig wird Washington Marinebasen in Panama etablieren: in Pina Bahia an der Grenze zu Kolumbien und in Punta Coca im Süden der westlichen Provinz Veraguas.

Es ist jetzt bekannt geworden, dass es als Ergebnis geheimer bilateraler Verhandlungen mit den USA einen Plan gibt, zehn „Anti-Verbrechen“  Basen in Mexiko einzurichten. Sie sind nicht nur eine Bedrohung der nationalen Sicherheit Mexikos, sondern auch Lateinamerikas, da sie sehr gut zu weiteren Militärbasen werden könnten.

Das Pentagon verhandelt mit Alan Garcias Regierung in Peru über die Wiedereinrichtung einer Militärbasis in Pichara (Ayacucho Provinz), obwohl das US-Außenministerium diese Information leugnet. Doch es konnte nicht leugnen, dass die USA der Regierung Perus dabei helfen wird, die Installationen dieser Basis zu modernisieren. Einige Ausrüstung und Teams, die zuvor in Ecuador stationiert waren, sind bereits in Pichari eingetroffen.

USA und NATO
Wir dürfen den dritten Artikel des Nordatlantischen Vertrages der NATO nicht vergessen, dem zufolge die Militärstrukturen der Mitgliedsländer miteinander verflochten sind. Jede Militärbasis in irgendeinem Land, das Mitglied der Allianz ist, ist potentiell eine Basis der NATO. Im Latin American Circle of International Studies glauben wir, dass die Globalisierung der NATO eine wachsende Realität ist, und dass diese von Washington ausgehende strategische Vision nicht nur Westeuropa einbezieht, sondern auch einen interventionistischen Schatten über Lateinamerika wirft, wo Mexikos 3.000 km lange Grenze mit den USA auch eine Grenze mit der NATO ist.

Im lateinamerikanischen Rahmen ist es das Ziel, eine militärische Belagerung jener Länder zu schaffen, die nicht die geo-politischen und geo-strategischen Richtlinien der USA erfüllen. Regierungen, Politiker und speziell die Zivilgesellschaft haben eine klare Vorstellung von der beabsichtigten Rolle der NATO in der Welt heute und in der Zukunft.

Reaktionen in Lateinamerika
Schlüsselländer wie Brasilien und Chile haben ihre absolute Ablehnung kundgetan. Die Präsidenten Lula da Silva und Michelle Bachelet sagten, dass das Problem auf kontinentaler Ebene behandelt werden müsse. „Mir gefällt die Idee nicht, dass die USA Militärbasen in Kolumbien haben“, sagte Lula. Der venezuelanische Präsident Hugo Chávez sprach wie Lula von „der Gefahr und der Bedrohung“, die das Abkommen zwischen Washington und Bogotá darstelle. Boliviens Evo Morales forderte, dass alle Militärbasen der USA in der Region aufgelöst werden sollten. „Wo es in Lateinamerika eine Basis der USA gibt, dort gibt es Staatsstreiche“, kommentierte er.

Pläne für eine globale NATO
Der geostrategische Plan der USA sieht vor, dass die NATO anfangen muss, die UN als die Achse der internationalen Gemeinschaft zu verdrängen. Die oberste globale und supranationale Organisation muss diesem Plan zufolge eine Militärstruktur sein, die internationale politische Interessen den geostrategischen Schlüsselentscheidungen unterordnet, die in den hohen Sphären des Weißen Hauses und des Pentagon getroffen werden.

Wir in Lateinamerika sind sicher, dass neben der Stärkung der militärischen Struktur der NATO deren Mitglieder, angeführt von den USA, versuchen werden, neue Beziehungen zu den wichtigsten internationalen Organisationen aufzubauen, aber nur mit dem Ziel, sie zu unterminieren und zu schwächen. Dazu gehören auch Nichtregierungsorganisationen mit globaler, nationaler und regionaler Reichweite, von denen sie hoffen, sie von dem guten Willen der kollateralen Projekte der Allianz überzeugen zu können. Dazu gehört z. B. die „Association for Peace“ – ein euphemistischer Name, der die wirkliche Absicht verschleiert, nämlich die Eingliederung dieser Länder als Alliierte, aber auf einer untergeordneten sekundären Ebene.

Es ist jetzt klar, dass die behaupteten kollektiven Verteidigungspflichten und Verantwortung der Mitgliedsländer der NATO nur benannt werden, um eine militärische Fähigkeit der schnellen, mächtigen, effektiven und unmittelbaren Reaktion zu schaffen, die fähig ist, die entferntesten Ecken des Planeten zu erreichen. Solche Expeditionsmissionen werden immer mehr als Priorität angesehen – nicht nur durch die USA und die NATO, sondern auch von der Bürokratie der Vereinten Nationen.

Die NATO-Strategen verwenden viel Mühe darauf, eine Zahl von Richtlinien zu produzieren, die Bedingungen festlegen sollen, unter denen „Solidaritätsaktionen“ in Form militärischer Interventionen gegen „versagende Staaten“ ausgeführt werden. Ein Euphemismus, der vor allem jene Regierungen und Regime beschreibt, die sich weigern, Anordnungen von Washington und seiner europäischen Alliierten zu akzeptieren.

Es ist notwendig, gegenüber lateinamerikanischen Regierungschefs, Politikern und der Zivilgesellschaft auf der Dringlichkeit der kategorischen Ablehnung des Vorschlag zu bestehen, alle internationale Organisationen einschließlich der UN und natürlich der Organization of American States den Plänen und Zielen der NATO unterzuordnen. Ebenso gilt es, die Aktionen innerhalb der Zivilgesellschaften der ganzen Welt zu stärken, um diese gefährlichen und ominösen Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges endgültig aus der Welt zu schaffen.

Der Artikel, der auf dem International Congress No to War, No to Nato vom 16.-18. Oktober 2009 in Berlin vorgelegt wurde, wurde von der Redaktion übersetzt und leicht gekürzt.

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Krisen und Kriege

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uis Gutiérrez Esparza ist Präsident des Latin American Circle of International Studies (LACIS).