Anstöße für soziale Bewegungen

Die Bewegungsstiftung

von Jörg Rohwedder
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Im März diesen Jahres haben zehn Gründungsstifter die Bewegungsstiftung mit einem Startkapital von 246.000 Euro ausgestattet. Seitdem haben sich eine Reihe von Personen zu Zustiftungen zwischen 50 und 20.000 Euro entschieden. So ist das Stiftungskapital auf über 293.000 Euro angewachsen. Weitere Zustiftungen sind bereits angekündigt und so ist die Bewegungsstiftung auf dem Wege, eine Institution zu werden. Getragen von Vielen soll sie Kampagnen und Aktionen sozialer Bewegungen unterstützten. Und die Chancen für eine breite Unterstützung stehen gut.

Immer mehr Menschen erben
In den vergangenen vier Jahren sind über 2 Billionen Euro im Wege der Erbschaft übertragen worden. Allein für das laufende Jahr wird mit 900.000 Erbfällen gerechnet, bei denen durchschnittlich 250.000 Euro übertragen werden. Immer mehr Vermögen landet in privater Hand und ist dauerhaft demokratischer Kontrolle z.B. durch Parlamente entzogen. Und nur langsam entwickelt sich in Deutschland eine Kultur, die die gesellschaftliche Verantwortung entstehend aus privatem Vermögen wahrnimmt und konsequent umsetzt.

Die Stifterinnen und Stifter der Bewegungsstiftung haben Teile ihres Vermögens wieder einer demokratischen Kontrolle unterworfen, ohne sie dabei dem Staat zu überlassen. In den Gremien der gemeinnützigen Bewegungsstiftung finden sich alle wieder, die an der Arbeit sozialer Bewegungen beteiligt sind: erfahrene Aktive, VertreterInnen der geförderten Projekte, WissenschaftlerInnen und die StifterInnen selbst. In einer jährlichen Strategiewerktstatt kommen alle zusammen, um die Strategie der Stiftung zu diskutieren und über Themen zu beraten, die über verschiedene soziale Bewegungen hinweg von Bedeutung sind.
 

Ziel: gesellschaftliche Veränderung
Mit der Bewegungsstiftung wollen die StifterInnen einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel unterstützen und Aktionen und Kampagnen sozialer Bewegungen fördern. Als ersten Schwerpunkt entschied die Strategiewerkstatt, sich gegen eine Eskalation der Gewaltspirale ausgelöst durch den 11.09. zu wenden. Dabei soll aber nicht jede Aktion einer politischen Gruppe gefördert werden. Ziel ist es vielmehr, die Strategiefähigkeit, das Arbeiten in Bündnissen und an langfristigen Kampagnen zu fördern. Daneben stehen inzwischen fast selbstverständliche Kriterien linker Bewegungsarbeit, wie gleichberechtigtes, basisdemokratisches Arbeiten, das ökologische Aspekte berücksichtigt und in der Aktion Menschenleben nicht gefährdet.
 

Unterstützung ehrenamtlicher Aktiver
Aus eigener Erfahrung wissen die Initiatoren der Stiftung, wie beschwerlich die ehrenamtliche Arbeit z.B. in der Ökologie,- der Anti-AKW,- oder der globalisierungskritischen Bewegung ist, wenn sie sich über mehrere Jahre hinzieht. Nur wenige Aktive haben den langen Atem, den diese Arbeit erfordert. Und sie erleben, wie MitstreiterInnen aus der Bewegungsarbeit ausscheiden, weil Beruf, Familie und andere Themen wichtiger werden.

Die Bewegungsstiftung unterstützt daher die Aktiven, die über das übliche Maß hinaus, für einen gesellschaftlichen Wandel aktiv sind, die langjährige Erfahrung mitbringen und ihr Wissen in Bewegungen zur Verfügung stellen. In der Stiftung werden diese Personen BewegungsarbeiterInnen genannt. Diese bauen in eigener Initiative einen Kreis von Personen auf, die mit regelmäßigen Spenden eine Patenschaft übernehmen. Aus den Patenschaften finanziert die Stiftung dann Hilfen zum Lebensunterhalt und zu den Sachkosten. Zurzeit unterstützt die Bewegungsstiftung fünf BewegungsarbeiterInnen. Da ist z.B. Ferda Ülker, langjährige Aktivistin im Verein der KriegsgegnerInnen Izmir, Türkei, die mit Trainings zu gewaltfreiem Handeln an einer alternativen politischen Kultur in der Türkei arbeitet. In einem Interview sagte sie uns:

"In der Türkei gibt es das Konzept Bewegungsarbeiter eigentlich nicht. Für mich ist es eine Arbeit, die deutlich über eine ehrenamtliche Arbeit hinaus geht und die mir die Möglichkeit gibt, intensiver an einem Thema zu arbeiten. Hätte ich das Geld aus den Patenschaften nicht, dann müsste ich wieder voll im Buchladen arbeiten, das ist dann eine Sechs-Tage-Woche mit 48 Wochenstunden bei zehn Urlaubstagen im Jahr. Ich war vor einem Jahr noch neben dem Vollzeiterwerb politisch aktiv. Das ist möglich. Mit der Bezahlung aber habe ich viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten".

Da ist z.B. Jochen Stay, Anti-Atom-Aktivist im Wendland, der seine Kraft in den Dienst der Kampagne X-tausendmal quer stellt. Mit X-tausendmal quer bereitet er gewaltfreie Sitzblockaden gegen Castortransporte ins Wendland vor. Als langjähriger erfahrener Aktivist ist er für die Einbindung der bundesweiten Kampagne in den regionalen Widerstand sehr wichtig. Mit seinem Wissen gelingt es ihm, immer wieder neue AktivistInnen zu motivieren und für ein Engagement zu begeistern. Als Pressesprecher der Kampagne trägt er deutlich zur positiven Berichterstattung über die Aktionen der Kampagne in den Medien bei.

Gefördert werden außerdem Holger Isabelle Jänicke mit seiner Arbeit in der Jura Selbsthilfe, Karin Leukefeld mit ihrem Projekt "Leben im Hintergrund" und Sven Giegold, aktiv im Koordinierungskreis von attac Deutschland, einem Netzwerk in der globalisierungskritischen Bewegung.

Die BewegungsarbeiterInnen arbeiten unabhängig von der Stiftung und sind an keine Weisung gebunden. Sie sind ausschließlich den SpenderInnen und PatInnen verantwortlich, die sie in Rundbriefen informieren. So entsteht eine Verbindung, die weit über das anonyme Spenden hinaus geht.

Die Bewegungsstiftung macht eine breite Beteiligung vieler Menschen möglich. Mit Patenschaften können sie die BewegungsarbeiterInnen unterstützen. Die Stiftung nimmt Zustiftungen bereits ab 50 Euro entgegen und alle StifterInnen können am Beirat der StifterInnen teilnehmen. Ab einer Summe von 5.000 Euro sind sie dort stimmberechtigt. Diese 5.000 Euro können auch in zehn jährlichen Teilbeträgen eingezahlt werden.

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Jörg Rohwedder, Jahrgang 1968, bis 2001 aktiv als Trainer für gewaltfreies Handeln und zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei, seit 2002 Geschäftsführer der Bewegungsstiftung.