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- "ein exzellenter Produzent konventioneller Waffen"
Die brasilianische Rüstungsindustrie
vonRüstungsproduktion ist kapital- und technologieintensiv. Sie schafft vergleichsweise wenig Arbeitsplätze und bindet Fachkräfte, die in der zivilen Produktion dann fehlen. Produktion für den militärischen Bedarf verstärkt Entwicklungsmuster der Importersatz-Industrialisierung, sie verschärft den Stadt-Land-Gegensatz und den Konflikt zwischen den Lebensinteressen der Armen und dem Profitstreben der Reichen in der Dritten Welt.
In Ländern wie Brasilien ist Rüstungsproduktion nur möglich, wenn komplexe Maschinen, Ersatzteile und spezielle Vorprodukte importiert werden. Ein solcher Import aber verschlingt Devisen, belastet die Zahlungsbilanz und trägt zur Auslandsverschuldung bei, die ihrerseits den Staatsbankrott bewirken kann und die soziale Verelendung vorantreibt. Brasilien konnte allerdings durch den Export von Waffen, unter anderem in den Irak, auch Devisen erwirtschaften. Daß solche Geschäfte den Frieden auf das schwerste gefährden, zeigte in jüngster Zeit der Krieg am Golf, in dem auf irakischer Seite Waffen aus Brasilien zum Einsatz kamen.
Der nachfolgende, einer einschlägigen Militärzeitschrift entnommene Beitrag ignoriert solche Zusammenhänge. Immerhin gibt er, wenngleich in teilweise zynisch anmutender Insidersprache, einen Überblick über die "Leistungsfähigkeit" der brasilianischen Rüstungsbranche:
Obwohl die brasilianische Rüstungsindustrie technologisch vergleichsweise einfach arbeitet, leistet sie in der Produktion von konventionellen Waffen Herausragendes. Im vollen Bewußtsein des Mangels an fortgeschrittener Technologie bemüht sich Brasilien, das Niveau der großen Industriemächte zu erreichen. Aber es wird geplagt von fortwährenden Finanzschwierigkeiten -- vor allem infolge seiner immensen Auslandsschulden, die seine Entwicklung behindern.
1000 Firmen
Eines von tausend brasilianischen Unternehmen ist direkt oder indirekt in die Produktion militärischer Ausrüstung verwickelt -- insgesamt 1000 Firmen. Bei den meisten handelt es sich um Privatunternehmen; Staatsbetriebe decken ihren Kapitalbedarf teilweise auf dem Privatsektor. Einige von ihnen verkaufen ihre Produkte an die brasilianischen Streitkräfte, während andere ihre Waffen exportieren. Die meisten von ihnen produzieren sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Markt.
Die Rüstungsfirmen sind überall in der südlichen Hälfte des Landes angesiedelt, die meisten von ihnen allerdings befinden sich im Bundesstaat Sao Paulo sowie, in geringerem Maße, in Rio de Janeiro, Minas Gerais und Rio Grande do Sul. Oft nutzen sie ausländische Technologien. so fertigt D.F. Vasconcelleos in Lizenz Nachtsichtgeräte des britischen Pilkington-Konzerns, während Imbel in Lizenz elektronische Zünder des schwedischen Rüstungsgiganten Bofors sowie Sturmgewehre produziert. TECNASA, das lange Zeit mit dem französischen Konzern Thomson-CSF zusammenarbeitete, hat jetzt enge Verbindungen zum britischen Elektronikriesen Plessey. Das französische Luftrüstungsunternehmen A‚rospatiale ist ein wichtiger Kapitaleigner von Helibr s, das Hubschrauber der französischen Firma in Lizenz herstellt.
Bisweilen kommt es vor, daß Programme zur Verbesserung von Ausrüstung wegen Geldmangels nicht umgesetzt werden können -- so etwa bei 155mm-Geschützen, die Brasilien während des Krieges zwischen Irak und Iran in großer Zahl an den Irak lieferte. Ein Projekt, das vorsah, mit italienischer Unterstützung eine modernere Version der Haubitze zu produzieren, kam über das Planungsstadium nicht hinaus.
Die brasilianische Rüstungsindustrie wird durch den Gesetzeserlaß 2300 begünstigt, der vorschreibt, daß die brasilianischen Streitkräfte, soweit möglich, die von ihnen benötigte Ausrüstung auf dem lokalen Markt kaufen müssen. Daher rührt das trotz der Finanzprobleme realisierte beträchtliche Wachstum dieser Branche.
Einer der bedeutendsten Wachstumsfaktoren der brasilianischen Rüstungsindustrie sind ihre Forschungsaktivitäten. Jede der drei Teilstreitkräfte betreibt ein modernes Forschungszentrum, das an der Auswahl für die Entwicklung neuen Geräts beteiligt ist. Das größte dieser Zentren ist das CTA (Technologiezentrum der Luftwaffe), dessen Haupteinrichtungen in Sao Jose dos Campos im Bundesstaat Sao Paulo liegen. Dieses Zentrum ist sowohl Universität als auch Forschungsinstitut, es schließt das ITA (Institut für Luftfahrttechnologie), das angehende Luftfahrtingenieure ausbildet, ein. Das CTA überwacht zudem andere Zentren wie das PEA für Elektronikforschung, das PMO für Flugzeugingenieur-Wissenschaft, das PMR für Erforschung neuer Materialien und das IAE für Raumfahrttechnologie.
Das IFI (Industrieförderungsinstitut) bietet Unternehmen, die sich in der Produktion von Luftfahrtkomponenten engagieren wollen, finanzielle Unterstützung. Jedes neue Produkt in diesem Bereich wird vom CTA geprüft, das außerdem Grundlagenforschung über neue Technologien betreibt, bevor es sie an die Privatindustrie weitergibt.
Das CTEx (Armee-Technologiezentrum) überwacht das IME (Militär-Maschinenbauinstitut) in Rio de Janeiro, das Ingenieure für landgestützte Waffen ausbildet. Das IME betreibt Forschungslabors und Testgebiete, namentlich in Marambaia, wo Feldübungen mit Artilleriegeschützen, Raketenwerfern und Mörsern durchgeführt werden. Das CTEx entsendet Militäringenieure in Privatfirmen, gewährt technische Unterstützung, prüft neue Produkte und versorgt die Herstellerfirmen mit Qualitätssiegeln, die oft Auslandsmärkte für ihre Erzeugnisse öffnen helfen.
Das IPqM (Marine-Forschungsinstitut), dessen Haupteinrichtungen auf der Ilha do Governador im Bundesstaat Rio de Janeiro liegen, betreibt Forschungen auf den Gebieten der Waffenentwicklung und Elektronikausrüstung. Es arbeitet mit dem INEM (Nationales Institut für Ozeanographische Studien) zusammen. Brasilianische Marine-Ingenieure und -Forscher haben über Jahre Nuklear- und Computer-Wissenschaft sowie Kriegsschiffdesign betrieben. Ausländische Produkte, die die brasilianische Marine erwerben möchte, werden vom IPqM geprüft.
Marinetechniker koordinieren die Entwicklung eines Atomreaktors für U-Boote und Überwasserkampfgerät. Diese Forschung wird gemeinsam mit dem IPEN (Nuklear-Forschungsinstitut) und dem IPT (Technologisches Forschungsinstitut) in Sao Paulo durchgeführt. Die Marine hat Pläne entwickelt, Atomreaktoren nahe Sorocaba im Bundesstaat Sao Paulo zu bauen.
Viele Privatfirmen unterhalten eigene Forschungszentren, bei denen oft Aufträge der Streitkräfte eingehen. So haben TECNASA und ELEBRA die Luftwaffe bei der Entwicklung von Radaranlagen unterstützt, während Bernardini, ENGESA und Motopecas gepanzerte Fahrzeuge entworfen haben. Avibr s und Orbita entwickeln, in enger Zusammenarbeit mit der Luftwaffe, verschiedene Raketentypen.
Nach zwanzig Jahren eifriger Entwicklungsanstrengungen ist Brasilien mitlerweile zum achtgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen. Die brasilianische Gesetzgebung schreibt für Rüstungsexporte nur geringe Beschränkungen vor, und wichtige Hersteller besitzen ein weites Netzwerk von Verkaufs- und Kundendienstagenten. Die brasilianischen Streitkräfte unterstützen ihrerseits die Entwicklung neuer Waffen durch Grundlagenforschung; sie beurteilen die Qualität neuer Produkte und erteilen kleine Aufträge, um einen Anschub für Serienproduktion zu geben.
Wie alle anderen Exportländer veröffentlicht Brasilien keine exakten Zahlen über Waffenausfuhr. Militärische Uniformen wurden als "industrielle Textilien" exportiert, Gewehrläufe als "verstärkte Stahlrohre", Panzerräder als "mechanische Komponenten", Militärambulanzen als "medizinische Ausrüstung" und militärische Transportflugzeuge als "Lastflugzeuge". Offizielle Waffenexportzahlen bewegen sich bei einer Milliarde US-Dollar pro Jahr.
Brasilien führt militärische Ausrüstung in etwa 60 Staaten aus; davon tritt mindestens die Hälfte regelmäßig als Käufer auf. Manchmal werden die Waffen indirekt über Drittländer verkauft. So haben beispielsweise US-Firmen große Mengen von Kleinwaffen in Brasilien erstanden und in alle Welt geliefert.
Brasilianische Rüstungsgüter werden meist in arabische Länder, nach Lateinamerika oder Europa exportiert. Irak, Libyen und Ägypten sind Brasiliens bedeutendste Auslandskunden. Sie kauften gepanzerte Fahrzeuge, Granaten, Munition, Raketen, Lkws und Flugzeuge von Brasilien; Ägypten fertigt überdies das brasilianische Leichtflugzeug Tucano in Lizenz.
Europäische Länder beziehen überwiegend Kleinwaffen und Flugzeuge von Brasilien. Frankreich erwarb das Xing£ Turboprop-Flugzeug für die Luftwaffe, die britische Air Force wählte die Tucano als ihr Trainingsflugzeug aus. Lateinamerikanische Staaten kaufen hauptsächlich Flugzeuge, Landfahrzeuge, Kleinwaffen, Munition und Telekommunikations-Ausrüstung von Brasilien.
Neuerdings ist Brasilien auch am asiatischen Markt interessiert, der schwerer zu erobern ist als die übrige Dritte Welt. Um in Asien Erfolg zuhaben, wird Brasilien große Anstrengungen unternehmen müssen, bei den fortgeschrittenen Technologien aufzuholen -- sie bilden den Schwachpunkt seiner Rüstungsindustrie.
aus: Entwicklungspolitische Korespodens 2/91
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