Die Bundeswehr in Usbekistan

von Bernhard Clasen

Als einziges westliches Land unterhält Deutschland eine eigene Kaserne in der GUS-Republik Usbekistan. Sie befindet sich in Termes, im Süden Usbekistans, direkt an der Grenze zu Afghanistan. Glaubt man der Homepage der Bundeswehr, erfüllt diese Kaserne eine wichtige Aufgabe im Kampf gegen den Terror – im benachbarten Afghanistan.

Natürlich glänzt in dem zentralasiatischen Land nicht alles. Aber die Bundeswehr hilft, wo sie kann, immer wieder werden medienwirksam medizinische Hilfsgeräte an notleidende usbekische Krankernhäuser übereicht, man tut das Beste, um den Menschen vor Ort zu helfen. Kurzum: „unsere“ Bundeswehr fühlt sich wohl in Usbekistan, weiß die Gastfreundschaft der usbekischen Regierung zu schätzen. Bei so viel Harmonie mit unserem zentralasiatischen Partner unter der Regierung von Islam Karimow war meine Neugier groß, mal nachzusehen, wie es denn so aussieht im Land unseres großzügigen Gastgebers. Im Folgenden das Ergebnis meiner Suche. Einer Veröffentlichung des nachfolgenden Textes auf der Homepage der Bundeswehr oder einer Informationsbroschüre für Soldaten, die auf dem Weg nach Usbekistan sind, stimme ich – unter Angabe der Quelle und der Zusendung von zwei Belegexemplaren  – gerne zu.

Auch heute noch kommen Tamara Chikunova, der 60-jährigen in Usbekistan lebende Russin, Tränen, wenn sie von dem Tag im Juli 2000 berichtet, an dem ihr Sohn Dimitrij hingerichtet worden ist. Man hatte extra ihren Besuch abgewartet, um ihren Sohn unter dem Vorwand, seine Mutter warte auf ihn, ohne Gewaltanwendung aus der Zelle holen zu können. Wenige Minuten, nachdem man ihn aus seiner Zelle geholt hatte, angeblich um die Mutter sehen zu können, war er tot, mit einem Genickschuss. Geduldig verharrte Tamara unterdessen in dem Warteraum, bis sie sich schließlich unverrichteter Dinge wieder auf den Nachhauseweg machte. Erst Tage später erfuhr sie von dem schrecklichen Ereignis.

Und die trauernde Mutter wird auch nach dem Hinrichtungstod ihres Sohnes gequält: die Begräbnisstätten der Hingerichteten sind in Usbekistan ein Staatsgeheimnis. Nicht einmal am jährlichen Todestag kann sie um ihren Sohn an dessen Grab weinen.

Trotz Abschaffung der Todesstrafe: Folter ist in usbekischen Gefängnissen an der Tagesordnung
Seit Januar 2008 ist die Todesstrafe in Usbekistan erfreulicherweise abgeschafft. Dass dies erreicht werden konnte, ist in erster Linie Tamara Chikunova zu verdanken, die sich nach der Hinrichtung ihres Sohnes unermüdlich für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt hatte. Für ihr Engagement hat sie u.a. 2005 den Internationalen Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg erhalten. Doch die ehemaligen Todeskandidaten in Usbekistan leben nach wie vor unter schrecklichen Bedingungen. In den ersten zehn Jahren dürfen die Gefangenen, die lebenslänglich in Haft sind, nur eine Stunde pro Jahr Besuch von ihrer Familie erhalten. Die Gefangenen sind, so Tamara Chikunova im Gespräch mit dem „FriedensForum“, nach diesen 10 Jahren psychisch am Ende.

Am 11. Dezember 2008 verurteilte der Europäische Menschengerichtshof in Strassburg Russland wegen der Abschiebung des nach Russland geflohenen Usbeken Rustam Muminow. Dieser war im Oktober 2006 von Russland nach Usbekistan ausgeliefert worden und wenig später zu 5,5 Jahren verurteilt worden. Der Europäische Menschengerichtshof begründete sein Auslieferungsverbot mit dem Umstand, dass in Usbekistans Gefängnissen systematisch gefoltert werde.

Zahlreiche Gefangene fristen in usbekischen Gefängnissen eine Existenz am Rande des Todes. Wer nicht sitzt, weil er sich für traditionelle Werte der Zivilgesellschaft eingesetzt hat, z. B. Journalist oder Oppositionspolitiker war, wartet vergeblich darauf, dass sich irgendwelche Kräfte im Ausland für ihn einsetzen würden. Hunderte sitzen in Usbekistan unter dem Vorwurf, „Anhänger eines nicht traditionellen Islam“ zu sein. Sie alle haben unter systematischer Folter zu leiden.

Die Europäische Union hebt die Sanktionen auf – glänzende Zusammenarbeit mit der Diktatur
Im November 2005 verhängt die Europäische Union Sanktionen gegen das zentralasiatische Land, nachdem eine Demonstration in der usbekischen Stadt Andischan im Mai 2005 blutig niedergeschlagen worden ist. Nach offiziellen usbekischen Angaben gab es dabei 187 Tote, nach Darstellung von Menschenrechtsorganisationen kamen rund 700 Menschen ums Leben. Die EU-Sanktionen verboten einer kleinen Gruppe von 12 usbekischen Funktionären, die die EU für die blutige Niederschlagung der Demonstration verantwortlich macht, die Einreise in ein Land der EU. Doch im Oktober 2008 werden diese Sanktionen, angeblich wegen Fortschritte bei den Menschenrechten, wieder aufgehoben. Maßgeblich beteiligt an dieser Entscheidung war die deutsche Politik. Zu gerne glaubt man den Versicherungen der Offiziellen Usbekistans, das Land bewege sich in Richtung Demokratie, habe inzwischen mehrere internationale Vereinbarungen unterschrieben und befinde sich in einem ernsthaften Dialog über Menschenrechte mit anderen Staaten und internationalen Organisationen. Absichtserklärungen usbekischer Offizieller und frisch unterschriebene Verträgen schenkt man mehr Glauben als den Berichten glaubwürdiger Menschenrechtsorganisationen über die fortgesetzte Willkür in dem Land.

Zwar ist die Menschenrechtlerin Mutabar Tadschibajew kurz zuvor freigelassen worden, doch in der Folge wurden andere Menschenrechtler und Journalisten von den usbekischen Machthabern eingekerkert.

Auch das europäische Waffenembargo gegen Usbekistan bleibt noch bis Herbst 2009 in Kraft, es ist jedoch bedeutungslos, liefert doch kein einziges EU-Land Waffen an die zentralasiatische Diktatur.

Im Oktober 2008 besuchte der usbekische Minister Rusam Inojatow Deutschland. Inojatow ist einer der Verantwortlichen des Massakers von Andischan im Mai 2005.

„Mit der Einladung des usbekischen Folterministers Rustam Inojatow hat Deutschland die rote Linie überschritten. Das Haus der Bundeskanzlerin Angela Merkel holte sich mit Inojatow die usbekische Variante von Berija, Stalins Geheimdienstchef, nach Deutschland. Im angeblichen Antiterrorkampf sind Berlin offenbar alle Mittel recht: Folter, Unterdrückung und Stasiherrschaft. Ein schlimmerer Verächter der Menschenrechte als der usbekische Stasichef Inojatow ist kaum vorstellbar. Mit dessen Deutschlandreise sind die deutsch-usbekischen Beziehungen endgültig desavouiert. Seit dem Massaker von Andischan ist das deutsche Werben um Usbekistan ein Skandal. Die deutschen Soldaten sollen in Afghanistan Demokratie und Rechtssicherheit schaffen und operieren aus Usbekistan, dessen Regierung zum Erhalt des korrupten Systems von Panzerwagen auf Frauen und Kinder schießen lässt.“ schreibt Marcus Bensmann in der taz vom 29.10.2008.

Baumwolle aus Usbekistan: von Kindern in Zwangsarbeit geerntet
3,7 Millionen Tonnen Baumwolle wurden in der Saison 2007/2008 geerntet. Eingesetzt bei den Ernteeinsätzen wurden vor allem Kinder im schulpflichtigen Alter. Diese müssen zwei Monate pro Jahr kostenlos auf den usbekischen Baumwollfeldern arbeiten. Während dieser Zeit können sie keinen Unterricht besuchen, arbeiten von Sonnaufgang bis Sonnenuntergang unter unmenschlichen Bedingungen. Weltweit bekannte Textilfirmen, wie „C&A“ oder der Konzern Wal-Mart (Jahresumsatz 379 Milliarden Dollar) boykottieren usbekische Baumwolle. Wer gehofft hätte, die deutsche Regierung würde sich diesen Boykotten anschließen, wird enttäuscht. Zwangsarbeit von Kindern in der usbekischen Baumwollindustrie ist nicht das Thema unserer Menschenrechtler im parteipolitischen Raum.

Kampf gegen den Terror
„Unsere“ Bundeswehr ist in Usbekistan, weil sie von dort aus angeblich gegen den Terror der Taliban kämpfen soll. Der Preis dieses Einsatzes ist hoch. Wenn es um eine Gewichtung von Stützpunkten und Menschenrechten geht, ist der deutschen Politik offensichtlich der Stützpunkt wichtiger als die Menschenrechte.

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Krisen und Kriege