Zwischen Mechtersheimer und Elsässer

Die Friedensbewegung und die Rechtsextremen

von Christine Schweitzer

Annäherungsversuche von Rechtsextremen an die Friedensbewegung machten in den letzten Monaten  anlässlich der Demonstrationen gegen den israelischen Angriff auf Gaza und des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens Schlagzeilen. In Dortmund begehen Nazis nun schon seit mehreren Jahren einen „nationalen Antikriegstag“ an jedem 1. September. Ihre Kritik an den weltweiten militärischen Interventionen ist auf den ersten Blick beinahe identisch mit der von der Friedensbewegung. Und das Thema gab es auch schon früher: Etwa bei der Auseinandersetzung mit einer wichtigen Persönlichkeit der Friedensbewegung der achtziger Jahre, dem Friedensforscher Alfred Mechtersheimer, der sich später offen zum Rechtsextremismus bekannte. Grund genug, sich im Rahmen eines Schwerpunktes zu Rechtsextremismus mit dem Verhältnis zwischen Friedensbewegung und Rechtsextremen auseinanderzusetzen.

Von Alfred Mechtersheimer…
Alfred Mechtersheimer, ehemaliger Berufssoldat und wegen seines Engagements in der Friedensbewegung aus der CSU ausgeschlossen, war einer der wichtigen Sprecher der Friedensbewegung der achtziger Jahre. Er gründete und leitete das Starnberger "Forschungsinstitut für Friedenspolitik", und wurde vorübergehend ab 1987 sogar parteiloses Mitglied der Fraktion der GRÜNEN im Bundestag. Doch ab Anfang der 90er Jahre bewegte er sich mit seinem zwischenzeitlich gegründeten „Friedenskomitee 2000“ immer mehr hin zu rechtsextremen Kreisen, bis er schließlich im Jahr 2000 mit Menschen aus dem Umfeld der Republikaner und DVU eine "Deutsche Aufbau-Organisation" (DAO) ins Leben rief, die nationalistische Gruppen zu einen suchte (Kratz 1995, Wikipedia 2009c).

Auch in den achtziger Jahren vertrat er dabei Positionen, die ihn mit den Rechten verbanden: etwa der Forderung nach einer Neutralität Deutschlands, Austritt aus NATO und WVO und insgesamt einer Sonderrolle Deutschlands. Diese Positionen wurden allerdings nie von der Mehrheit der Friedensbewegung geteilt – es lässt sich wohl sogar behaupten, dass er mehr aufgrund seiner Biographie und Prominenz denn aufgrund seiner Positionen eine Sprecherrolle zugesprochen bekam, und man ihm aufgrund derselben Biographie manche Meinungen nachsah, die bei anderen nicht akzeptiert worden wären.

… bis Jürgen Elsässer
Bei Jürgen Elsässer, einem bekannten linken Publizisten, der vielfach u. a. im Neuen Deutschland geschrieben hat, sieht die Sache anders aus als bei Mechtersheimer. Er wurde in jüngerer Zeit wegen einiger Meinungsäußerungen und dem Versuch der Gründung einer „Volksfront“ anlässlich der globalen Finanzkrise angegriffen, die u. a. fordern sollte, den ‚Finanzsektor entschädigungslos zu nationalisieren’ und die ‚angloamerikanische Finanz-Aristokratie aus Europa zu drängen’ (Welt Online 2009). Elsässer selbst hat erklärt, dass er die Mitarbeit von NPDlern - die bei der Gründungsveranstaltung anwesend waren - strikt ablehne. Schon zuvor war er jedoch in das Visier antifaschistischer Gruppen geraten, etwa als er die Bildung einer Koalition unter Beteiligung einer rechtsextremen Partei in der Slowakei begrüßte und mit Aussagen zitiert werden konnte, dass ‚Asylbewerber deutschen Hartz IV-Empfängern vorgezogen würden’ (Wikipedia 2009a). Elsässer hat seine Positionierungen mit einer Ausgrenzung aus der Linken bezahlt, z. B. kündigte ihm das Neue Deutschland seinen Vertrag, Elsässer selbst bestreitet aber weiter vehement jede Nähe zu den Rechten (Elsässer 2009).

Es wurden hier bewusst zwei Namen ausgewählt, die für unterschiedliche Sachverhalte stehen. In dem einen Fall handelt es sich um einen eindeutigen, auf dem Selbstbekenntnis des betreffenden Akteurs beruhenden Fall. In dem anderen betrifft es einen Mann, dessen Positionen und Aussagen schwerwiegende Fragen aufwerfen, der aber sich selbst nicht als Rechter sieht.

Der Titel „von Mechtersheimer bis Elsässer“ impliziert schon, dass es dazwischen noch Andere gibt: Ohne jeden Zweifel die Seiten wechselte z. B. der 68er Horst Mahler, der vom Links- zum Rechtsextremisten mutierte, ohne dies anscheinend als einen Widerspruch in seiner Biographie zu sehen. Mehr in die Kategorie Jürgen Elsässers mag Erich Schmidt-Eenboom fallen, ebenfalls vom Starnberger Institut, gegen den Anfang der neunziger Jahre Vorwürfe erhoben wurden, Kontakte zur Rechten zu unterhalten (Kratz 1995, BIFFF-Berlin o.D.).

Rechte Anbiederungsversuche
Wie auch bei anderen Themen, etwa dem Sozialabbau und Globalisierungskritik, versuchen Rechtsextreme, sich an soziale Bewegungen anzubiedern und von ihnen organisierte Ereignisse – Demonstrationen, öffentliche Diskussionen – zu benutzen, um für ihre Sache Propaganda zu machen. Die Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg gaben ihnen Anfang diesen Jahres besonderen Auftrieb – von vielen Demos wurde berichtet, bei denen sie mitliefen, wobei es den Organisatoren nicht immer gelang, sie wirksam auszuschließen. Als sich rechte Gruppen kurz danach auch das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Februar zu Nutze machen wollten, reagierte ein breites gesellschaftliches Bündnis mit einer Gegendemonstration, die zahlenmäßig den rechten Aufmarsch bei Weitem in den Schatten stellte und gute Medienresonanz bekam.

Zwei Fragen müssen hier gestellt werden. Die erste lautet: Gibt es tatsächlich Inhalte, die Rechtsextreme mit der Friedensbewegung gemein haben? Oder sieht dies nur auf den ersten Blick so aus? Mein Eindruck ist, dass die Schnittmengen hier sehr oberflächlich sind. Selbstverständlich kritisiert die Friedensbewegung die Politik und das militärische Engagement der USA. Sie lässt es sich auch nicht nehmen, die israelische Regierung hinsichtlich ihrer Politik gegenüber den Palästinensern und den Versuch, diesen Konflikt mit militärischen Mitteln zu ‚lösen’, zu kritisieren. Aber damit hört es auch schon auf. Kritik an der israelischen Politik ist kein Antisemitismus. Im Gegenteil. In der bereits Jahrzehnte währenden Diskussion um Rassismus wurde schon lange erkannt, dass nicht nur die negative Bezugnahme auf eine durch Aussehen, ethnische Zugehörigkeit oder Religion beschriebene Gruppe Rassismus ist. Sondern ebenso dessen Umkehrung, bei dem dann alles, was von der entsprechenden Gruppe kommt, per Definition „gut“ ist. Die deutsche Friedensbewegung weiß sich in ihrer Kritik einig mit der israelischen Friedensbewegung, deren VertreterInnen schon auf vielen Veranstaltungen und Tagungen hierzulande gesprochen haben.

Uli Sander formuliert zu dieser Frage treffend:

„Die Nazis von heute ergehen sich in einer Friedenspropaganda, die von vielen Antifaschisten als Friedensdemagogie erkannt wird. Das ist ungenau definiert. Die Nazis sind nämlich wirklich gegen diesen Imperialismus, wie er sich heute darstellt, gegen diese Kriege unter deutscher Beteiligung, wie wir sie erleben. Man könnte es zusammenfassend so sehen: Sie sind gegen den Krieg, weil er Israel und den USA dient. .... Die Neonazis sind - und da unterscheiden sie sich nicht von der offiziellen deutschen Militärpolitik, dem offiziellen deutschen Militarismus - für eine starke Bundeswehr, gegen Abrüstung, für den Kampf um "deutsche Interessen". … Sie stehen in der Tradition der Wehrmacht. Ihre Militärpolitik ist auf Revanche gerichtet. Diese Leute wollen nicht die Überwindung der Kriege, sondern andere Kriege – Großdeutschland.“

Zum Umgang mit den Rechten
Die zweite Frage ist heikler: Gibt es eine Mitverantwortung der Friedensbewegung, gibt es Forderungen oder Sichtweisen, die den Rechten entgegenkommen und deshalb vermieden werden sollten? Diese Frage ist viel schwieriger zu beantworten und es dürfte sicherlich kaum möglich sein, darüber auch nur einen annähernden Konsens herzustellen. Was ist zum Beispiel mit all jenen Kampagnenansätzen und Forderungen, die sich primär auf Deutschland beziehen, auch wenn das Problem längst nicht mehr derart ist, dass es auf deutscher Ebene gelöst werden kann? Öffnen etwa Forderungen wie „Abzug aller Atomraketen aus Deutschland“ oder „Bundesrepublik ohne Armee“ den Rechten das Tor? Inhaltlich ließe sich dazu anmerken, dass für die Frage, ob es zu einem (Atom)krieg kommt und wer davon betroffen ist, es ziemlich unwichtig ist, ob solche Raketen bei uns oder im Nachbarland stehen. Atomare Verseuchung macht, wie wir schon bei Tschernobyl gesehen haben, nicht an Landesgrenzen halt. Meine Meinung ist: Vielleicht sind solche Forderungen zu kurz gedacht, nicht strategisch genug oder gehen von längst veralteten Prämissen aus. All das lässt sich diskutieren. Aber ‚rechtsextrem’ sind solche Forderungen deshalb nicht. Es geht, wie Uli Sander das oben so treffend formuliert hat, nicht um die einzelne Forderung als solche, sondern um den Kontext, in dem sie steht, und welche Zielvorstellungen mit ihr verbunden sind. Eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, die darauf abzielt, alles zu vermeiden, was Rechte ausnutzen könnten, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Statt auf die vorgebliche ‚Teilmenge’ zu starren und zu suchen, sie auf Null zu setzen, sollte man sich das ansehen, was den Kern der rechten Ideologie und des rechtsextremen Handelns ausmacht: Hass gegen alles Fremde, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus, Autoritarismus, Abladen der Verantwortung für soziale Missstände auf die sozial Schwächsten und auf alle, die nicht geborene weiße Deutsche sind.

Dies sind die Gründe, weshalb die Rechtsextremen bekämpft werden müssen, und weshalb nicht zugelassen werden darf, dass sie sich an die Friedensbewegung anbiedern oder Grenzgängern erlaubt werden darf, ‚Querfronten’ zwischen rechts und links ins Leben zu rufen. Die Friedensbewegung kann es sich nicht leisten, den Rechtsextremismus zu ignorieren. Eintreten für Menschenrechte, gegen Rassismus in allen seinen Spielarten, für das Recht auf Asyl, für die vom Sozialabbau Betroffenen und für eine Welt ohne Rüstung und Krieg gehören unteilbar zusammen.

 

Quellen
BIFFF (o.D.) Kölner Appell e. V. lädt Braunzonen-Vertreter ein. http://www.bifff-berlin.de/seenboo.html

Elsässer, Jürgen (2009) Elsässer im Jungle Camp. Interview mit der Zeitschrift „Jungle World“. http://juergenelsaesser.wordpress.com/2009/02/23/elsasser-im-jungle-camp...

Fromm, Rainer (2002) Mechtersheimer – DAO. http://www.mdr.de/fakt/archiv/157677.html

Hagalil (2009) Der (S)choc(k) des Monats - Oder: Wie Jürgen Elsässer zur extremen Rechten kam. http://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=221

Herzinger, Richard (2009) Hass auf Israel. Offener Antisemitismus bedroht Europa. Welt Online 27. Januar 2009

Kratz, Peter (1995) Wiedervereiniger der 80er Jahre legten die Fundamente. In: Rechte Genossen. Neokonservativismus in der SPD. http://www.trend.infopartisan.net/trd7899/t617899.html

Sander, Ulrich (2008) "Nie wieder" muß auch wirklich "Nie wieder" bedeuten. Vortrag auf der 28. Landeskonferenz antifaschistischer Initiativen und Organisationen in Wuppertal am 07.02.2009. VVN/BdA NRW. http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0487_sander.htm

Welt Online (2009) Jürgen Elsässer. 17. Januar 2009

Wikipedia (2009a) Jürgen Elsässer. http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Els%C3%A4sser

Wikipedia (2009b) Querfront. http://de.wikipedia.org/wiki/Querfront

Wikipedia (2009c) Alfred Mechtesheimer. http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Mechtersheimer

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.