Hass - Terror - Krieg - Hass ...

Die Gewaltspirale durchbrechen!

von Mani Stenner
Im Blickpunkt
Im Blickpunkt
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die USA haben in Afghanistan vorgeführt, dass eine Supermacht mit massiven Bombardements, verbündeten Kämpfern am Boden und Millionen Dollar für überlaufende Warlords einen Krieg in einem Dritte-Welt-Land militärisch gewinnen kann. Allerdings: Der weltweite "Krieg gegen den Terrorismus" ist mit der Ablösung der Taliban längst nicht vorbei und auch in Afghanistan werden noch viele Opfer zu beklagen sein. Für die Arbeit der Friedens-, Bürgerrechts- und Anti-Globalisierungsbewegung ergeben sich nach dem 11. September und dem 7. Oktober neue Voraussetzungen und viele längst nicht beantwortete Fragen. Die Warnungen vor den unwägbaren Folgen des militärischen Kampfes gegen den Terrorismus und einer weltweiten Gewaltspirale müssen aber gewiss wiederholt werden.

Geben wir es ruhig zu: Viele der Prognosen zum Afghanistan-Krieg haben daneben gelegen. Die Taliban wurden schneller abgelöst als gedacht und der befürchtete Bürgerkrieg im Atomwaffenstaat Pakistan ist auch (noch?) nicht ausgebrochen. Mit den Bildern froher, sich befreit fühlender Menschen in Kabul und den - bei allem berechtigten Misstrauen gegen die lokalen Kriegsfürsten - vorhandenen Hoffnungen auf einen Neubeginn in Afghanistan sind hierzulande die Protestversammlungen gegen den Krieg kleiner geworden.

Wir wissen allerdings trotz manipulierter Nachrichtenlage: Der Preis für die Menschen dort war hoch. Durch die Bomben wie die Metzeleien der diversen Bürgerkriegsparteien haben viele Menschen in Afghanistan ihr Leben bereits verloren, viele mehr sind durch die in weiten Landesteilen durch den einbrechenden Winter nicht mehr mögliche humanitäre Hilfe, die verbliebenen Streubomben und eventuelle weitere Machtkämpfe der Warlords an Leib und Leben bedroht. Wir wissen auch: Um diese Menschen geht es den kriegführenden Staaten nicht, zu denen seit dem 16. November 2001 auch die Bundesrepublik Deutschland gehört.

Unsere ersten Reaktionen und Warnungen scheinen mir immer noch richtig und zutreffend. Osama Bin Laden wurde zum Held (und demnächst zum Märtyrer?) für viele Menschen in den islamischen Ländern gemacht statt die notwendige breit getragene Ächtung von Terror und seinen Befürwortern zu erreichen. Neuer Hass ist entstanden, neue Selbstmordattentäter wurden motiviert. Der Bürgerkrieg innerhalb Afghanistans ist längst nicht vorbei, die Warlords und die Anrainerstaaten beginnen ihre Partikularinteressen zu sichern. Und längst sind neben der Terrorismusbekämpfung geostrategische und Wirtschaftsinteressen im Spiel. Auch Kanzler Schröder spricht schon nicht mehr vorwiegend von der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA als Motiv für Beteiligungen der Bundeswehr, sondern von einer Zeit, in der Einflussspähren in der Welt neu verteilt werden. Die von den USA vorgeführte Art der Terrorismusbekämpfung ohne Rücksicht auf die Folgen wird von Israel dankbar aufgegriffen, andere Länder mit Terrorismus- oder Separatismusproblemen werden dem Beispiel folgen. Viele Kriege liegen in der Luft.

Auch die USA werden weitere Kriegshandlungen unternehmen. Next step Somalia, wo auch die deutsche Bundesmarine ihren Stützpunkt haben wird? Oder doch gleich Irak? Unabhängig vom konkreten Einsatzgebiet und Auftrag der Bundeswehreinheiten hat der Bundestag die Teilnahme am Krieg an der Seite der USA beschlossen und die Bundesrepublik als Kriegsteilnehmer auch für alle noch folgenden militärischen Maßnahmen mit haftbar und verantwortlich gemacht. Eine Illusion dabei wäre der Glaube, dass damit mehr Einfluss auf die militärischen Entscheidungen der USA möglich wäre.

Die Warnungen vor den unwägbaren Eskalationsrisiken und der Spirale von Terror, Krieg, neuem Hass und neuem Terror werden Gruppen der Friedensbewegung erneuern müssen. Die richtigen Mittel zur Terrorbekämpfung und Durchbrechung der Gewaltspirale, die vielen Gründe gegen militärische Abenteuer bedürfen einer breiten gesellschaftlichen Debatte, die Kanzler Schröder mit seiner Notbremse Vertrauensfrage innerhalb des Bundestages abgewürgt hat.

Seit dem 11. September haben sich in der Bundesrepublik die Gruppen der Friedensbewegung gemeinsam mit den Initiativen der Globalisierungskritiker mit berechtigten Warnungen zu Wort gemeldet. Der am 12. September vom Netzwerk Friedenskooperative gemeinsam mit dem attac-Netzwerk initiierte Appell "Brücken bauen - die Gewaltspirale durchbrechen" erhielt überwältigenden Zuspruch. Viele Menschen in unserer Gesellschaft haben gespürt, dass die Verhinderung von Terrorismus dieser Art auch mit einer Veränderung der Machtpolitik der reichen Länder gegenüber den Verlierern der Globalisierung zu tun haben muss und dass Vergeltung durch Krieg zu unabsehbaren Eskalationsrisiken führen könnte. Der Kampf gegen Terrorismus benötigt eine breite Zustimmung innerhalb der islamischen Gesellschaften, die nicht durch Bomben sondern nur durch glaubhafte Signale der reichen und mächtigen Staaten für eine Änderung ihrer globalen Wirtschaftspolitik und Verzicht auf Durchsetzung von Machtinteressen zu Gunsten gleichberechtigter Kooperation und Linderung der sozialen Folgen der Globalisierung erreicht werden kann. Dies und ein massives politisches Engagement für eine Friedenslösung des für die islamische Welt insgesamt wichtigen Palästina-Israel-Konfliktes könnte die Feindbilder abbauen helfen, auf die Terroristen bauen. Immer mehr Menschen dachten so. Kanzler Schröder musste sich die Anforderung nach Bundeswehrkontingenten bei der zögernden US-Regierung extra bestellen. Die Zeit lief davon. Der Ermächtigungsbeschluss im Bundestag sollte vor den Parteitagen von SPD und Grünen abgehakt sein, die Basis drohte den Regierungsfraktionen von der Fahne zu gehen.

Der Kampf gegen den Terrorismus muss geführt werden - sicher doch, aber mit untauglichen, das Gegenteil bewirkenden Mitteln? Solidarität mit den USA, den Opfern vom 11. September und ihren Angehörigen muss bedeuten, dass die Gewaltspirale durchbrochen wird. Mit einem Engagement für die leidende Bevölkerung vor Ort - nicht nur in Afghanistan -, für den Dialog der Kulturen und eine gerechtere Wirtschaftspolitik könnten Brücken gebaut und auch langfristig die tieferen Ursachen des Terrorismus überwunden werden. Das geht nicht zusammen mit Krieg. Freunde und Bündnispartner sollten fatale Fehlentscheidungen korrigieren helfen. Machen das die Regierungen und Parlamente nicht, müssen ihnen Kräfte aus der Gesellschaft auf die Sprünge helfen. Auch in den USA und Großbritannien wachsen die Zweifel am Krieg und dort wie hier versuchen Friedensgruppen, den Protest lauter werden zu lassen.
 

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