Wenn Tausende der Regierung den Gehorsam verweigern, dann steigt der politische Druck gegen den Krieg.

Die Kampagne "resist"

von Jochen Stay

Der geplante Krieg gegen den Irak hat im Vergleich zu seinen Vorgängern eine Besonderheit: Er ist denkbar schlecht propagandistisch begründet. In der schon erschreckend langen Reihe der Kriege mit "westlicher" Beteiligung seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation wurden staatlicherseits immer Gründe vorgeschoben, die ein Eingreifen des Militärs legitimieren sollten.

Im Golfkrieg 1991 ging es angeblich um die Befreiung Kuwaits, im Kosovokrieg um die Verhinderung von Völkermord, in Afghanistan um die Hintermänner des 11. September. Jedes Mal hatte die Friedensbewegung zwar gute Gründe, an der offiziellen Lesart zu zweifeln und gegen den Krieg zu protestieren. Aber viele Menschen ließen sich von der Propaganda beeinflussen. Diesmal ist es anders. Bei einem Feldzug gegen den Irak, so sieht es die große Mehrheit der Bevölkerung, geht es nicht um Massenvernichtungswaffen, sondern um Öl und Macht. So hat es die Friedensbewegung also leicht, die Menschen gegen den Krieg zu aktivieren.

Aber die Kriege der letzten Jahre haben auch Spuren der Resignation hinterlassen. Viele haben angesichts der mehrmals erlebten Unverfrorenheit der Bundesregierung die Hoffnung aufgegeben, dass sie mit Protesten die Politik beeinflussen können. "Die da oben machen ja doch, was sie wollen" ist selbst in politisch aktiven Kreisen ein weitverbreiteter Gedanke. Auch die derzeitige Antikriegsrhetorik von Schröder, Fischer und Co wird von vielen mit Misstrauen beobachtet. Kaum jemand zweifelt, dass die Bundesregierung umkippen könnte, wenn sich die außenpolitischen Bedingungen ändern. Trotzdem wäre es ein fataler Fehler, die Erfahrungen aus der Vergangenheit auf die jetzige politische Situation zu übertragen. Denn diesmal sind nicht nur die vorgeblichen Kriegsgründe unglaubwürdig, sondern die Mächtigen der Welt alles andere als einig. Hier liegt die große Chance der internationalen Friedensbewegung: Der Irak-Krieg kommt nicht zwangsläufig. Die Situation steht auf der Kippe. Da bekommt der Protest besonderes Gewicht, kann zum Zünglein an der Waage werden.

Und selbst wenn die USA den Angriff auf Irak wagen, ist die Zeit der Friedensbewegung noch nicht vorbei. Gerade hierzulande gibt es viele Einrichtungen, die für die Infrastruktur des Krieges große Bedeutung haben. Neben regionalen Aktionen und großen Friedensdemonstrationen wird dann der Zivile Ungehorsam vor den Toren der Flughäfen und Kommandozentralen immer wichtiger. Mit unseren Aktionen sind wir Sand im Getriebe, machen weiter politisch Druck, auch und gerade gegen eine Bundesregierung, die sonntags Friedensreden hält und montags dann doch die Logistik für den Krieg bereitstellt.

Die Kampagne "resist" versucht den Zivilen Ungehorsam zu bündeln. Durch die Selbstverpflichtungserklärung bekommt der Widerstand eine verbindlichere Form und die Chance auf langen Atem, damit der Protest nicht nur ein Strohfeuer rund um den möglichen Kriegsbeginn wird. Das kann der entscheidende Moment der Auseinandersetzung werden: Wenn viele Menschen den Kampf nicht aufgeben, wenn er eigentlich erst richtig los geht, sondern kontinuierlich den Druck auf die Regierungen verstärken, dann wächst unsere Chance auf Erfolg.

Viele Menschen wollen etwas gegen den Krieg tun und wissen noch nicht was. "Resist" gibt darauf eine mögliche Antwort. Viele derjenigen, die jetzt einsteigen, stammen nicht aus bestehenden Friedensgruppen, sondern sind Menschen, die sich entweder überhaupt zum ersten Mal politisch engagieren, oder zumindest zum ersten Mal friedenspolitisch.

Die Idee von "resist" kommt an. Die letzten Wochen haben gezeigt, wie erfolgreich sie schon jetzt ist. Mehr als 5.500 Menschen haben bereits per Unterschrift angekündigt, sich am Widerstand gegen den Irak-Krieg zu beteiligen und tagtäglich werden es mehr. Und das Erstaunliche daran: Das sind ja nicht Menschen, die mal eben unterschreiben, dass sie auch gegen den Krieg sind. Nein, bei "resist" geht es um eine Selbstverpflichtung zum Widerstand. Immer mehr Menschen sind nicht mehr länger bereit, den Regierungen und Militärs das Wohl und Wehe der Welt zu überlassen. Mit der Unterzeichnung der "resist"-Erklärung nehmen sie die Sache selbst in die Hand.

Fast 20 Jahre nach den großen Blockadeaktionen von Mutlangen entsteht jetzt mit der Kampagne "resist" erneut die Basis für massenhaften Zivilen Ungehorsam in der Friedensbewegung. Und "resist" gewinnt seine Dynamik vom Zusammenspiel der Erfahrungen aus mehreren Bewegungen: Organisationen und Basisgruppen der Friedensbewegung, zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung (beispielsweise von attac) und blockadeerfahrene Leute aus der Anti-AKW-Bewegung rund um die Kampagne "X-tausendmal quer" sind dabei.

Die Friedensbewegung kann aus den Erfahrungen der Sitzblockaden von Mutlangen und Gorleben lernen. Tausende haben in den 80er Jahren an den Aktionen vor dem Stationierungsgelände der Pershing-Raketen teilgenommen und dabei gelernt, dass steter Tropfen den Stein höhlen kann. Ab den 90er Jahren und bis heute spielen große Blockadeaktionen im Widerstand gegen Castor-Transporte ins Wendland eine entscheidende Rolle. Bei all diesen Auseinandersetzungen konnten wir lernen: Massenhafter Ziviler Ungehorsam bekommt sein politisches Gewicht einerseits durch die Bereitschaft vieler, der Regierung an einem entscheidenden Punkt den Gehorsam zu verweigern und andererseits durch die Kontinuität der Aktionen. Auf diesem Hintergrund entsteht für die nächsten Wochen eine klare Vision:

Neben allen Appellen und Demonstrationen beginnen in diesen Tagen nadelstichartig erste Aktionen Zivilen Ungehorsams in Form von Sitzblockaden und Go-Ins. Erster Höhepunkt ist die zeitlich begrenzte Blockade der Rhein-Main-Airbase in Frankfurt am 22. Februar. Sollte es trotz weltweiten Protests zum Angriff auf den Irak kommen, dann versammeln sich am zweiten Samstag nach Kriegsbeginn Tausende zu einer eindrucksvollen Manifestation des Widerstandes vor der Frankfurter US-Airbase. Und von da an reißen die Blockaden und Störaktionen in allen Regionen der Republik nicht mehr ab. Wir zeigen der Regierung: In der Frage von Krieg und Frieden könnt Ihr nicht machen, was Ihr wollt. Wir mischen uns ein, werden ungehorsam und lassen unserem vieltausendfachen NEIN auch konkrete Taten folgen.

In den letzten Jahrzehnten haben Hunderttausende in der Bundesrepublik das Handwerkszeug von Protest und Widerstand gelernt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das Gelernte erneut anzuwenden. Wenn alle, die schon einmal resigniert haben, jetzt noch einmal neuen Mut gewinnen und aktiv gegen den Krieg streiten, dann werden es die scheinbar Mächtigen sehr schwer haben, ihre Pläne durchzusetzen.

Kontakt: j [dot] stay [at] jpberlin [dot] de oder 05841-4521, resist c/o Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, Tel 0 228 - 69 29 04, Fax 02 28 - 69 29 06
 

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