Nur mit dir und deiner Unterstützung kann das Netzwerk Friedenskooperative 2025 friedenspolitisch wirken. Unterstütze uns zu Weihnachten mit einer Spende!
Wie der Rüstungsriese von Waffenlieferungen an Gaddafi, die Aufständischen und die NATO profitiert
Die Libyen-Connection der EADS
vonKrieg ist gut fürs Konzerngeschäft – vor allem dann, wenn ein Rüstungsriese alle verfeindeten Kriegsparteien mit Waffen beliefert. Dank einer grenzenlosen Rüstungstransferpolitik können sich die Militärs des Regimes Gaddafi, die Aufständischen und die NATO mit Waffen der EADS beschießen. Doch auch andere Waffenschmieden – wie Heckler & Koch – profitieren in diesen Tagen von der politischen Instabilität und den kriegerischen Auseinandersetzungen im Norden Afrikas, im Nahen und Mittleren Osten.
Gebetsmühlenartig erklärt die Bundesregierung seit Wochen ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Demokratiebewegungen in repressiven Staaten. Dabei überschlagen sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Westerwelle in blumigen Bekundungen: „Wir können bei der Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen keinen Kompromiss machen", verkündete Angela Merkel im Februar 2011.(1) Laut Guido Westerwelle führt der Weg zur Stabilität in Ägypten und auch Libyen einzig „über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte“.(2)
Berichte der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass gerade Libyen zu den Staaten gezählt werden muss, in denen Menschen- und Bürgerrechte massiv verletzt wurden und werden: „Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit blieben stark eingeschränkt“, bilanzierte ai. Menschen, die verdächtigt wurden, „sich illegal im Land aufzuhalten, wurden festgenommen und misshandelt“. Hunderte von Fällen des Verschwindenlassens sowie weiterer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen vergangener Jahrzehnte „wurden weiterhin nicht aufgeklärt“.
Auch im Jahr 2009 hielt Libyen an der Todesstrafe fest, mindestens vier Männer wurden im Berichtsjahr hingerichtet – die tatsächlich erfolgte Zahl von Hinrichtungen dürfte laut amnesty international höher liegen. Die Todesurteile wurden „für eine große Anzahl von Vergehen“ verkündet, zu denen unter anderem „die friedliche Ausübung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit“ zählten.(3)
Waffentransfers in Länder wie Libyen dürften gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und Außenwirtschaftsgesetz (AWG) keinesfalls genehmigt werden. In den „Politischen Grundsätzen zum Rüstungsexport“ spielt die Menschenrechtsfrage eine zentrale Rolle als Verbotsgrund.
Doch wer den Mantel der Menschenrechtsrhetorik der CDU/CSU-FDP-geführten Bundesregierung lüftet, muss maßlos erschrecken. Denn die leuchtende Medaille einer vermeintlich menschenrechtsorientierten Außenpolitik besitzt eine rabenschwarze Schattenseite: die der seit Jahren währenden und permanent gesteigerten – ganz legal erfolgenden – Waffentransfers nach Libyen und in eine Vielzahl weiterer menschenrechtsverletzender Staaten. Waffen gegen Öl lautet die Devise bei Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien und eben Libyen. Auch die Mithilfe bei der Abschottung der Festung Europa gegen Flüchtlinge war und ist ein Grund, Waffentransfers zu genehmigen.
Die Ausnahme: Illegale G36-Gewehrlieferung an Libyen
Vor wenigen Wochen reckte Saif Gaddafi, zweitältester Sohn des Diktators Muammar al-Gaddafi, eines der treffsichersten und damit tödlichsten Gewehre in die Luft, das derzeit auf dem Weltwaffenmarkt zu ergattern ist: das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch. Die Oberndorfer Waffenschmiede ist angesichts der Opferzahlen Europas tödlichstes Unternehmen.
Der G36-Bautyp lässt keine Zweifel aufkommen: Auch diese Waffe stammt aus der Produktion des Oberndorfer Stammwerkes und nicht aus der spanischen Lizenzfertigung bei Santa Bárbara Sistemas. Während Saif Gaddafi seine Mitstreiter und Söldner zum Kampf gegen die Kreuzritter aus dem Abendland einpeitscht, hat die Münchener Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingestellt. Dabei spricht vieles dafür, dass der Gaddafi-Sohn das gezeigte G36-Gewehr über Paris nach Libyen geschmuggelt hat.(4)
Der Regelfall: Legale Rüstungsexporte und Lizenzvergaben selbst an Diktaturen
In der Regel müssen Waffenlieferanten aus Deutschland widerrechtliche Wege erst gar nicht beschreiten. Denn das Bundesausfuhramt BAFA in Eschborn und der unter Kanzlerin Merkel tagende Bundessicherheitsrat genehmigen selbst dann Exportanträge, wenn der Transfers für Waffen und Rüstungsgüter an kriegführende Staaten oder menschenrechtsverletzende Regime beantragt wird.
So erklärt sich auch die Tatsache, dass seit Aufhebung des Waffenembargos 2004 militärische Geländewagen, Störsender, Hubschrauber und Panzerabwehrraketen nach Libyen geliefert wurden. Das Genehmigungsvolumen deutscher Waffentransfers an das Regime Gaddafi wurde von 2008 auf 2009 auf 53 Millionen Euro verdreizehnfacht. Einer der maßgeblichen Profiteure des Libyen-Krieges ist die Daimler AG, führender Produzent und Exporteur von Militärfahrzeugen in Europa, und zugleich größter Stimmrechtseigner des Rüstungsriesen European Aeronautic Defence and Space Company (EADS N.V.).
Wie eng die Geschäftsbeziehungen mit dem diktatorischen Regime von Muammar al-Gaddafi bereits vor Ausbruch des Krieges gewesen sind, belegt die Tatsache, dass die EADS in der libyschen Hauptstadt Tripolis eigens eine Repräsentanz eingerichtet hat (erreichbar über Tel.: +218 21 335-1026, Fax: -1257). Dem Waffenhandel mit dem Diktator waren damit Tür und Tor geöffnet.
In den Jahren 2009 und 2010 lieferte die EADS für rund 168 Millionen Euro Panzerabwehrraketen vom Typ MILAN 3 an das libysche Militär. Gefertigt wurden die Missile d’Infanterie Léger Anti-char (MILAN) bei der MBDA-Systems. Mit 37,5 Prozent ist Daimler/EADS führender Anteilseigner der MBDA. In ihrer Waffenwerbung bezeichnet die EADS die Anti-Panzerrakete als eine besonders präzise schießende Waffe, gekennzeichnet durch ein „verbessertes Tötungspotenzial“.
Gefertigt wurden die Abschussanlagen der Panzerabwehrraketen von der ebenfalls zum EADS-Konzern gehörenden Firma LFK (Lenkflugkörper) im bayerischen Schrobenhausen. Auch mit Militärfahrzeugen profitiert Daimler vom Libyen-Krieg. So zeigen Filmaufnahmen auf www.youtube.com Militär-Lkws vom Typ ACTROS 4860, die Panzer der libyschen Streitkräfte ins Kriegsgebiet Richtung Bengasi transportieren.(5)
Um eine imageschädigende Diskussion in Deutschland zu vermeiden, sollte der Export der Panzerabwehrraketen Milan – geschätzter Wert dieses Waffendeals 168 Millionen Euro – seitens der EADS-Tochter MBDA über Frankreich erfolgen. Desgleichen sollte der Deal der EADS-Kommunikationssysteme für 128 Millionen Euro über den Vertragspartner Frankreich abgewickelt werden.(6) Geschickt gemacht, denn das vermeintliche Saubermann-Image konnte die EADS hierzulande wahren.
Krieg ist gut fürs Konzerngeschäft, vor allem dann, wenn verfeindete Konfliktparteien gegeneinander Krieg mit Waffen und Rüstungsgütern aus derselben Unternehmensgruppe bzw. deren Beteiligungsgesellschaften führen. In diesem Sinn kann sich die Unternehmensführung darüber freuen, dass sowohl die Aufständischen in Libyen als auch der NATO-Partner Großbritannien über EADS-Waffen verfügt.
Auch Gaddafi-Gegner schießen mit EADS-Waffen
Womöglich um Waffengleichheit herbeizuführen, sollen auch Aufständische in Libyen modernes Kriegsgerät der EADS erhalten haben – so jedenfalls lautet der Vorwurf seitens des Regimes Gaddafi. So sollen Rebellen in Bengasi vom Emirat Katar – das offenbar 100 Milan-Raketen der EADS-Beteiligungsgesellschaft MBDA exportiert hat – mit Panzerabwehrraketen ausgerüstet worden sein. Offenbar hat das Golfemirat nicht nur Milan geliefert, sondern auch Militärberater geschickt.(7)
In diesen Tagen setzt die britische Luftwaffe EADS-Kampfflugzeuge der Typen Tornado und Eurofighter gegen Flugbasen und Stellungen der libyschen Armee ein. Der Eurofighter/Typhoon ist das „modernste und leistungsfähigste marktverfügbare Mehrzweck-Kampfflugzeug der neuen Generation“, brüstet sich die Herstellerfirma. In Deutschland fertigt die EADS in Varel das Eurofighter-Rumpfmittelteil, die Montage erfolgt beim EADS-Unternehmensbereich CASSIDIAN in Manching – auch der Eurofighterkampfflieger, die über Großbritannien nach Saudi-Arabien exportiert werden.
Mitmachen bei „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“
Die pars pro toto genannten Rüstungstransfers nach Libyen und Saudi-Arabien stellen keinesfalls singuläre Fälle dar. Bis heute bleibt die Frage fortwährender Waffentransfers an menschenrechtsverletzende Staaten brisant. Zu ihnen zählen Brasilien, Indonesien, Israel, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Oman, Pakistan, Singapur, Thailand, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und weitere.
Alle Waffenlieferungen und Lizenzvergaben an diktatorische und scheindemokratische Regime müssen sofort gestoppt werden. In einem zweiten Schritt muss Artikel 26 (2) des Grundgesetzes ergänzt, in seiner Neufassung der Export von Waffen und Rüstungsgütern grundsätzlich verboten werden. Mit diesem Ziel haben die AGDF, BDKJ, DFG-VK, Franziskaner, IALANA, IPPNW, Pax Christi deutsche Sektion, Ohne Rüstung Leben, das RüstungsInformationsBüro und die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden sowie viele weitere Friedensorganisationen im Mai 2011 die Informations- und Druckkampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel“ gestartet. Unterstützerinnen und Unterstützer sind herzlich willkommen.
Websites/Links
Informationen über Rüstungsexporte siehe www.aufschrei-waffenhandel.de, www.rib-ev.de (Rüstungsexportberichte der Bundesregierung, der GKKE und SIPRI), www.dfg-vk.de und www.juergengraesslin.com.
Quellen
#1 Bundeskanzlerin Angela Merkel am 05.02.2011, zitiert nach http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2011/0217/merkel.php5
#2 Focus Online vom 26.01.2011
#3 AMNESTY INTERNATIONAL REPORT 2010, Libyen, S. 287 f.
#4 „Saif Gaddafi arming civilian militias”, http://www.youtube.com/watch?v=I1psGPM7Upk
#5 Siehe auch die Informationsschrift »Daimler AG: Militärische Nutzfahrzeuge« (die Publikation erfolgt auf www.kritische-aktionaere.de).
#6 „Libyen. EADS an Rüstungs-Lieferungen beteiligt“, focus.de vom 03.08.2007
#7 „Katar: Raketen für Libyens Rebellen?“ im Handelsblatt vom 15./.16.04.2011