Die Mahnwache beim EUCOM am Hiroshima-Tag

von Wolfgang Sternstein
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Etwa dreißig Personen nahmen an der diesjährigen Mahnwache teil. Es gab ein sieben Meter langes Transparent mit dem Text: YES WE CAN – ABOLISH NUCLEAR WEAPONS, darunter links und rechts in roter Farbe die Namen Hiroshima und Nagasaki; Flugblätter wurden verteilt, Reden gehalten, Blumen am Fuß eines Plakates mit der Aufschrift: In Memory of the Victims of Hiroshima and Nagasaki and all Wars niedergelegt. Trommeln und eine Posaune sorgten für den musikalischen Rahmen. Um 8.15 Uhr, dem Zeitpunkt des Abwurfs der Bombe, erinnerten nach einer Schweigeminute 64 Trommelschläge an die ungenutzten Jahre für die atomare Abrüstung.

Ihre besondere Bedeutung erhielt die Demonstration durch den Umstand, dass sie an einem der militärisch heißesten Orte Deutschlands stattfand. Das EUCOM in den Patch Barracks bei Stuttgart-Vaihingen ist, zusammen mit dem im vergangenen Jahr in die Kelley Barracks bei Stuttgart-Möhringen ausgelagerten AFRICOM, die Kommandozentrale für die US-amerikanischen Militäreinsätze in der halben Welt. Von dort aus werden unter anderem die völkerrechtswidrigen Kriege in Afghanistan und Irak logistisch unterstützt. Von dort aus wird der „Globale Krieg gegen den Terror“ im Verantwortungsbereich dieser Kommandozentralen geführt. Und von dort aus ergeht im Fall eines Atomkriegs der Einsatzbefehl für die taktischen Atomwaffen in Europa, nachdem der Einsatz vom US-Präsidenten freigegeben wurde.

Selbstverständlich ist die Bundesrepublik mitverantwortlich für alle völkerrechtswidrigen, verfassungswidrigen und menschenrechtsverletzenden Handlungen, die vom deutschen Boden aus begangen werden. So gilt nach Art. 3 der UN-Aggressionsresolution als Angriffshandlung, wenn ein Staat es zulässt, „dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem dazu benutzt wird, Angriffshandlungen gegen einen dritten Staat zu begehen“. Wenn diese Resolution auch nicht allgemein anerkannt ist, so ist sie doch in hohem Maße plausibel.

Demonstrieren am EUCOM ist wieder erlaubt
Das EUCOM ist seit dreißig Jahren immer wieder das Ziel von Protesten der Friedensbewegung. Es gab Andachten, Mahnwachen, Versammlungen, Blockaden, neun „Entzäunungsaktionen“, ja sogar eine Menschenkette mit 6000 TeilnehmerInnen rund ums EUCOM. Um solchen „Belästigungen“ einen Riegel vorzuschieben, erließ das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart zwei Allgemeinverfügungen für die Patch Barracks und die Kelley Barracks. Diese Verfügungen untersagten Versammlungen in einem „Erweiterten Sicherheitsbereich“, der den eingezäunten Sicherheitsbereich dieser Anlagen auf mehr als das Doppelte vergrößerte (siehe Friedensforum 1/2009, S. 46). Sämtliche Proteste gegen die Verfügungen blieben wirkungslos. Schließlich sahen wir uns gezwungen, gegen die Auflagen des Amtes für öffentliche Ordnung anlässlich der letztjährigen Mahnwache Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Das Gericht gab uns im Wesentlichen Recht. Es erlaubte die Versammlung in unmittelbarer Nähe des Haupttores der Patch Barracks und die Flugblattverteilung an Angehörige der US-Streitkräfte.

Als wir am 6.8.2008 jedoch von unseren Rechten Gebrauch machen wollten, wurden wir wie „Staatsfeinde“ behandelt. Wir wurden von Polizisten mit körperlicher Gewalt rüde von der Straße hinter eine Barriere gedrängt und von Beamten regelrecht bewacht. Die Flugblattverteilung wurde unter Anwendung körperlichen Zwangs unterbunden. Dagegen erhob unser Anwalt Dr. Peter Becker, Vorsitzender der IALANA (Juristenvereinigung gegen Atomwaffen) Widerspruch. Dem Widerspruch wurde jetzt stattgegeben, die Allgemeinverfügung für das EUCOM aufgehoben. Mit Schreiben vom 16.7.2009 hat das Amt für öffentliche Ordnung mitgeteilt, dass es auch die Allgemeinverfügung für die Kelley Barracks aufgehoben hat.

In diesem Jahr war, wie aus dem Bericht über die Mahnwache zu Beginn des Artikels ersichtlich, die Atmosphäre während der Veranstaltung bei weitem entspannter. Die Polizei und die amerikanischen Soldaten hielten sich weitgehend im Hintergrund.

Fazit: Es lohnt sich also immer, für die Grundrechte zu kämpfen. Manchmal hat man dabei sogar Erfolg. Natürlich ist das Demonstrationsrecht am EUCOM nur ein erster Schritt auf dem langen Weg zum Abzug sämtlicher amerikanischer Militäreinrichtungen von deutschem Boden. Das wird kommen, aber weniger durch unsere Bemühungen als durch den vorhersehbaren Zusammenbruch des amerikanischen Imperiums infolge seiner „imperialen Überdehnung“ (Paul Kennedy).    

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Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Er kam als Wissenschaftler nach Wyhl, schloss sich aber schon bald der Widerstandsbewegung gegen das Atomkraftwerk an. In seiner Autobiografie „Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“ berichtet er ausführlich über den „Kampf um Wyhl“.