Die Mauer muß bleiben!

von Anja vom Stein

Nicht mehr wegzudenken aus Köln ist für viele Besucherinnen die "Klagemauer" am Südturm des Doms. Entstanden bei einer Mahnwache aus Anlaß des Golfkrieges, ist das Gebilde aus aufgereihten Papptafeln inzwischen auf über 26 000 Botschaften angewachsen. Besucher aus aller Welt haben darin ihren Klagen, Sorgen und Hoffnungen über den Zustand der Welt Ausdruck verliehen und so ein eindrucksvolles Mahnmal für den Frieden geschaffen.

Die Mauer zeigt auf einzigartige Weise, was die Menschen weltweit bewegt. Die "Inschriften" und Bilder reichen von Protesten gegen Atomwaffen, Unterdrückung und Krieg bis hin zu den Problemen vor der Haustür wie Ausländerfeindlichkeit, Arbeitslosigkeit, Armut und Wohnungsnot.

Auch der Initiator der Mauer, Walter Hermann, ist inzwischen zu einer "Institution" geworden. Seit drei Jahren hat der sog. Obdachlose dort sein Zelt aufgeschlagen und diskutiert nun mit den Besuchern über ihre Botschaften.

Nach Auffassung der Frauen-Friedensinitiative in Dortmund hat die Klagemauer als Sprachrohr aller dieser Menschen "demokratische Wichtigkeit" erlangt, denn sie führe zu einer "ehrlichen Auseinandersetzung" mit den untragbaren Zuständen. Dafür spricht auch die beachtliche Anzahl der "Ankläger", die sich dort jedes Mal an den zahlreichen Unterschriftensammlungen zu den verschiedensten Themen beteiligt.

"Jesus würde eher den Dom einreißen als die Klagemauer", davon ist eine ihrer Verfechterinnen überzeugt. Nicht so das Domkapitel und die Stadt Köln. Im November 1993 reichten beide Räumungsklagen gegen Walter Hermann ein, um die illegale Besetzung ihres Bodens zu beenden, und dies notfalls auch zwangsweise. Das Gerichtsverfahren ist für April angesetzt. Stadtdirektor Uhlenküken: "Vor dem Dom hat die Klagemauer lange genug gestanden".

Offensichtlich nicht lange genug, um die dort angesprochenen Probleme zu beseitigen. Weder Stadt noch Kirche werden eben gerne so direkt an ihre Aufgaben erinnert. Vielleicht befürchtet das Domkapitel auch, die neue "Pilgerstätte" könnte zur Konkurrenz für den alten Dom werden?

Walter Hermann ist jedenfalls entschlossen, die Mauer sofort wieder an Ort und Stelle zu errichten. Auch für die Frauen-Friedensinitiative Dortmund ist der Platz vor der Touristenattraktion des Kölner Doms der einzig richtige. Sie hat deshalb einen Appell für die Erhaltung der Mauer am Dom gestartet.

Der Appell kann bestellt werden bei: Frauen-Friedensinitiative Dortmund, c/o Margret Ullrich, Am Knappenberg 42, 44139 Dortmund. Persönliche Appelle können (und sollen!) gerichtet werden an: Oberbürgermeister Burger, Bürgermeister Blum Harry, Oberstadtdirektor Ruschmeier, alle: Historisches Rathaus Köln, 50667 Köln und: Erzbischof: Kardinal Meisner, Erzbischöfliches Generalvikariat, Marzellenstr.32, 50668Köln.

Anja vom Stein ist Studentin der Soziologie an der Universität Bonn und z.Z. Praktikantin im Büro Netzwerk Friedenskooperative.

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