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Die Not der Kriegsflüchtlinge in Kroatien
vonEnde Januar kehrten Klaus und Hanne Vack zusammen mit ihren Begleitern von einer 12 tägigen Hilfsaktion in Südostslawonien zurück: psychisch mitgenommen von der angetroffenen Not; überanstrengt von Temperaturen, die im Schnitt bei 15 Grad minus lagen und durch eine verschneite Landschaft mit zahllosen Schneeverwehungen, verursacht durch einen strengen Ostwind. Die besuchte Region in Kroatien wird bereits seit Beginn des Krieges von den Bewohnern als verlassen und aufgegeben empfunden, ist sie doch, bedingt durch die im ehemaligen Jugoslawien neu entstandenen Grenzen, ein abseits liegender Landstrich im Dreiländereck Kroatien, Bosnien und Rest-Jugoslawien.
Desweitern ist in Südostslawonien die Zerstörung am größten. erinnert sei an den grausamen Krieg ab Sommer 1991 bis Frühjahr 1992, der sich besonders durch die Kämpfe um die Städte Vukovar, Osijek und Pakrac für alle, die nicht so schnell vergessen, in die Erinnerung eingegraben haben dürfte.
Ein weiteres Merkmal von Südostslawonien, in dem das Komitee für Grundrechte und Demokratie bereits seit 1992 humanitäre Hilfe leistet, ist die vergleichsweise höchste Flüchtlings- und Kriegsvertriebenenzahl in Kroatien. So mußten Klaus Vack und seine Helfer bei einem Empfang des Bürgermeisters der Kleinstadt Vinkovci erfahren, daß im gleichnamigen Landkreis etwa 32.000 ständige Einwohner und 35.000 Flüchtlinge aus Bosnien und dem serbisch besetzten Streifen des kroatischen Ostslawoniens zusammenleben. Das Hauptproblem: zwar seien etwa 8.000 Flüchtlinge im Sommer 1995 nach Bosnien zurückgegangen, aber zugleich wären etwa 16.000 kroatische Flüchtlinge aus westeuropäischen Ländern in den Landkreis Vinkovci zurückgeschoben worden.
Ein längeres vertrauliches Gespräch, das Klaus Vack zu Beginn der Reise mit Hans Koschnick in Zagreb führte, kann zumindest insoweit verallgemeinernd wiedergegeben werden, daß in dem viel schwierigeren Terrain in Bosnien-Herzegowina die geplante Abschiebung der Flüchtlinge, z.B. auch aus Deutschland, für hunderttausende Menschen noch katastrophalere Folgen haben dürfte, wie sie die Komitee-Hilfsgruppe jetzt im kroatischen Südostslawonien feststellen mußte. Klaus Vack zieht ein sarkastisches Fazit: "Die Menschen, die geographisch an der Peripherie ein Flüchtlingsdasein fristen, die außerdem als Kinder, Frauen, Alte und Kranke weder zur Kriegsführung noch zum 'Wiederaufbau' zu gebrauchen sind, stellen für 'ihre' Regierungen ebenso wie für die Architekten des 'Friedensabkommens' von Dayton, die sich auf die Metropolen konzentrieren, nur eine Behinderung dar."
Genau gegen dieses "falsche und menschenverachtende 'Politik" richte sich die humanitäre Hilfe des Komitees und andere meist kleinere Hilfsaktionen. Setzte man ein zivil-politisches Verständnis von Hilfe vor raus, so habe jeder leidende und hilflose Mensch einen besonderen Anspruch auf Unterstützung.
Konkret hatte die Komitee-Hilfesgruppe 23 Begegnungen. So wurden 1.100 Pakete mit Nahrungsmitteln, Vitaminpräparaten und Hygieneartikeln im Einzelpaketwert von 80 DM verteilt. Sie kamen u.a. 300 Serben zugute, die als kroatische Staatsbürger vor allem in der Gegend um Pakrac leben, aber grundsätzlich keine Arbeit und auch keine andere soziale Fürsorge erhalten. Pakete erhielten auch alle 4 - 16jährige Kinder in drei großen Flüchtlingslagern in der Region. Hinzu kamen ein Waisenheim in Slavonski Brod mit 60 Kindern sowie die 180 Bewohner eines Heims für alleinstehendende Flüchtlinge in Osijek. In Vinkovci, Zupanja und Slavonski Brod gab es je ein Paket für eine Auswahl der allerärmsten Kinder unter denen, die an der vom Komitee organisierten Sommerfreizeit 1995 teilnehmen konnten.
Als Resümee will die Komitee-Hilfsgruppe nicht verhehlen, daß sie auch damit Erfolg hat, die humanitäre Hilfe sowie gewaltfreies und menschenrechtliches Gedankengut miteinander zu verbinden. So funktioniert z.B. mit finanzieller Unterstützung des Komitees in Pakrac seit neun Monaten ein Projekt "Vertrauen schaffen" zwischen Kroaten und Serben. Im nahegelegenen Grenzbéreich auf ungarischer Seite besteht ein "Haus der Begegnung", das von der Antikriegskampagne in Osijek organisiert wird und ermöglicht, daß sich an jedem Wochenende jeweils wechselnd etwa 40 bis 50 Menschen treffen, die von offizieller Seite den "miteinander verfeindeten Ethnien" zugerechnet werden. Sie können sich wie früher ungehindert und auch freundschaftlich in dem "Haus der Begegnung" zusammenfinden. Beteiligt sind vor allem Kroaten, Serben und Bosniaken, aber auch Minderheitengruppen aus den Republiken Rest-Jugoslawien und Kroatien, wie Slowaken, Juden, Deutsche, Ungarn, Sinti, Weißrussen, Ukrainer, Österreicher und andere mehr.
Für Klaus Vack, den Koordinator des Komitees für humanitäre, friedenspolitische und menschenrechtliche Hilfe im ehem. Jugoslawien war dies seit 1991 seine 58. Unterstützungsaktion. In diesem Engagement verbrachte Vack 579 Tage im ehemaligen Jugoslawien und legte eine Strecke von insgesamt etwa 145.000 km zurück, um aus freiwilligen Spenden von Bürgerinnen und Bürgern Hilfe im Wert von ca. 9,2 Mio DM zu überbringen.