Die ökologischen Folgen eines Golf-Krieges

von Olaf Achilles

Erstmalig in der Geschichte der Menschheit wird als Abschreckung für einen drohenden Krieg eine globale Umweltkatastrophe angedroht. Brennende Ölquellen in und um Kuwait könnten sich als bisher größter menschlicher Eingriff in die Atmosphäre entwickeln. Die Militärs würden das zerstören, was sie zu verteidigen vorgeben. Kuwait kann nach Kriegshandlungen aus der ökologischen Weltkarte gestrichen werden. Für viele angrenzende Staaten könnte dies ebenso zutreffen.

Im einzelnen:

  1. Der Einsatz konventioneller Waffen wird regional große ökologische Schä­den hervorrufen. Zahlreiche Flächen werden verbrannt, durch Panzer ver­dichtet, mit Munition, getroffenem Ge­rät u.a. verseucht. Ölpipelines brechen und verseuchen den Boden; getroffene Tanker und Ölplattformen verseuchen den Golf. Das Beispiel Exxon Valdez ist allgegenwärtig.
  2. 850 bis 1000 Ölquellen könnten hier­bei bombardiert oder direkt durch den Irak angezündet werden. Diese würden auch nach Ende der potentiellen Kriegs­handlungen über Monate hinaus wie "gi­gantische Bunsenbrenner" weiterfac­keln. Dies hat mehrere ökologische Fol­gen:
     
    1. Es entsteht eine enorme Rauch- und Rußentwicklung. Prof. Dr. Crutzen vom Max-Planck-Institut in Mainz geht davon aus, daß täglich bis zu 1 Million qkm mit dichten, schwarzen Rauch bedeckt werden. Bis 10 Mil­lionen Barrel Öl könnten täglich auslaufen bzw. verbrennen (Crutzen). Regional bedeutet dies ein enormer Temperatursturz von bis zu 20 Grad Celsius, wie dies bei "normalen" Waldbränden, z.B. in Oregon 1987 ebenfalls eintrat (vgl. Spektrum der Wissenschaft 1989). Insbesondere die Landwirtschaft würde ein Desaster erleben. Weltweit würde der Rauch sich über die nördliche Hemisphäre verteilen, Nord-Amerika, Europa und Asien, und ebenfalls die Sonne ver­dunkeln
    2. Durch die Brände werden u.a. Koh­lenmonoxid, Schwefeldioxid, Sticko­xide etc. freigesetzt, die u.a. als Gift­regen bzw. "Saurer Regen" mit dem Monsun herunterregnen.
    3. Weiterhin würden ca. 5% der weltwei­ten CO2 Emmission erzeugt, weit mehr, als die energiebedingte CO2 Emmission von Deutschland!
    4. Der Monsunregen könnte so beeinflusst werden, daß er in Teilen oder ganz aus­bleibt, sodaß 1000 Millionen Menschen in ihrer Lebensgrundlage direkt betrof­fen sind. Auch könnte ein neues Ozon­loch über Indien entstehen (Cox).
    5. Durch die enorme Hitze werden viele Schadstoffe sofort in große Höhen transportiert und können somit noch "besser" (binnen Wochenfrist) um die Erde ziehen und auch in Europa nie­dergehen.
  3. Der Einsatz biologischer und chemi­scher Waffen verursacht regional schwere Verseuchungen, welche global durch die Atmosphäre verbreitet werden können. Über die Reichweite sind       ver­schiedene Angaben gemacht worden. Theoretisch wäre auch Europa betrof­fen.
    Durch die Explosionswirkungen, schon bei konventionellen Waffen, können re­gelrechte Giftcocktails entstehen, die wiederum in große Höhen gelangen und - je nach Langlebigkeit - um die Erde ziehen.
    Das Umweltbundesamt hat Ende letzten Jahres eine Studie über den Pflanzen­schutzmitteleintrag in die Atmosphäre bei "normaler" (Boden-)anwendung veröffentlicht. Demnach können bis zu 90% der Gifte über hunderte von Kilo­metern in der Atmosphäre transportiert werden und anderswo als Giftregen nie­dergehen. Durch den Einsatz von Atomwaffen ist der Eintrag der Gifte und der Radioaktivität in höhere Atmo­spärgeschichten gegeben. Dies wird ebenfalls in der gesamten Atmosphäre nachweisbar sein.
    Durch diese Entwicklungen können wir in Europa weit mehr beeinträchtigt wer­den, als nach dem Unfall in Tscherno­byl.
  4. Selbst wenn es keinen geplanten Ein­satz von Atomwaffen gäbe, so ist doch die Wahrscheinlichkeit der ungewollten Explosion durch "Elektro-Smog", dem sogenannten HERO-Effekt, sehr groß (vgl. Observer/Lindemann). In der Re­gion sind derzeit ca. 1000 Atomwaffen, 3 experimentelle Atomreaktoren und 14 nuklear betriebene Schiffe angehäuft worden.
  5. Bereits heute gibt es schwerwiegende ökologische Folgen, hervorgerufen durch die Besetzung Kuwaits durch den Irak und die damit zusammenhängende Truppenmassierung im Golf.
    Über 9000 Panzer, über 2000 Flug­zeuge, fast 1,1 Mio. Soldaten mit ent­sprechendem Gerät, zahlreiche Schiffe etc. wurden und werden zu Luft, Land und Wasser (teilweise) über tausende von Kilometern bewegt (stationiert). Hierbei entstehen nicht nur zahlreiche Schäden. Es wird eine ungeheure Menge an Energie verbraucht.
    Der Energie-Verbrauch der US-Armee betrug 1988 (in sogenannter Friedens­zeit!) 37,6 Mio Tonnen Öläquivalent. Dies sind ca. 14% des Gesamtver­brauchs der Bundesrepublik, ca. 18% des Verbrauchs Großbritanniens oder ca. 51,3% von Holland. Dieser Ver­brauch wird sich durch die Golfkrise enorm erhöht haben (Achilles).
    Ein weiterer nicht zu vernachlässigender ökologischer Faktor sind die zahlreichen (Klima)- Gifte, die durch Treibstoffad­ditive, Dekontaminationsmittel etc. frei­gesetzt werden.
    Auch starben bereits viele Menschen, insbesondere Kinder, wegen der schlechten Versorgungslage in der Re­gion.
  6. Nicht zuletzt sei noch erwähnt, daß jede Mark, die hier ausgegeben wird, nicht nur dem Bereich der ökologischen Sicherheit fehlt; im Gegenteil wird diese gerade im Golf derzeit verhindert, und die Ausgaben tragen schließlich zur Schädigung z.B. unseres Klimas bei.
    Lester Brown, Leiter des renommierten World-Watch-Institutes in Washington, hat errechnet, daß die Menschheit in den nächsten 10 Jahren jedes Jahr 150 Milli­arden US-Dollar bereitstellen müßte, um eine wirkliche ökologische Wende her­beizuführen (Brown 1990).
    Schon heute gibt z.B. Holland 6 Prozent seines BSP für den Küstenschutz aus (McKibben S.121).
  7. Alle gemachten Angaben sind "worst-case-szenarien". Es gibt natürlich auch Stimmen, die eine "ökologische Ent­warnung" für einen Golf-Krieg ausspre­chen. oder auf die schlechte Datenlage verweisen (z.B. Thomas). Jedoch sind die vorliegenden Angaben ausreichend, um auf jeden Fall Kriegshandlungen al­lein schon aus ökologischen Gründen zu unterlassen.
    In Artikel 42 der "Charta der Vereinten Nationen" heißt es, daß "zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfrie­dens und der internationalen Sicherheit erforderliche(n) Maßnahmen" durchge­führt werden dürfen. Angesichts der weltökologischen Situation ist es selbstverständlich, daßdie "internationale Si­cherheit" dabei primär ökologisch defi­niert werden muß. Allein die durch die potentiellen Ölbrände verursachte Gift- und CO2-Freisetzung sollten jegliche Kriegshandlungen untersagen.
    Wer den Weltfrieden sichern will, und dabei die internationale ökologische Si­cherheit beachtet, muß dies mit behut­samen und wirkungsvollen, vor allem aber mit ökologisch-verträglichen Me­thoden tun. Raketen und Panzer, Kampfflugzeuge und Atomwaffen, Her­bizide und Ozonbomben können diesen Anforderungen sicherlich nicht entspre­chen.

Dabei sollen die eklatanten Völker- und Menschenrechtsverletzungen des Iraks nicht beschönigt oder verharmlost wer­den.

Zum Weiterlesen:

  • Achilles, Olaf: Militär, Rüstung und Klima, K™F-Reihe Band 6, Alheim 1991.
  • Brown, L. R.: Für die Militärs bleibt genug, Spiegelgespräch in: Der Spiegel 3/90, S.90-98.
  • Evangelischer Pressedienst: Experten: Militärs vernichten, was sie verteidigen wollen, Hamburg 7. 1. 1991.
  • Lindemann, Inge: Atomunfall im Golf durch HERO Elektrosmog? in: Frie­densforum 1/1991.

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Olaf Achilles ist Leiter der Forschungs¬stelle Militär, Ökologie und Planung in Bonn