Rechtspopulismus in Finnland

Die ”Wahren Finnen”

von Pentti Arajärvi
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Die ”Wahren Finnen” sind eine politische Partei, die in ihrem Programm 2018 verkündet hat, dass sie eine patriotische und christlich-soziale Partei sei, die das nationale Interesse fördere. Die Völker verdienten gleichwertige Chancen, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden. Die FinnInnen hätten kein Recht, über andere zu bestimmen und andere kein Recht, über ihr Leben zu bestimmen. Das übergeordnete Ziel der Partei sei die nachhaltige Entwicklung in allen Bereichen des öffentlichen Wohls. Die Wahren Finnen seien eine Partei der klaren Sprache. Manchmal könne die Wahrheit wie eine Verleumdung sein, aber sie stünden trotzdem dazu. (1)

Der obige Text ist fast wörtlich zitiert. Im Programm wird die nationale Identität Finnlands unterstrichen. Die Internationalität wird in selbst definierten Grenzen als notwendig anerkannt. Das Programm ist stark rückwärts gewandt.

Vorläufer der ”Wahren Finnen”
Die politischen Wurzeln der Partei liegen in der Tradition des finnischen Populismus. Bereits in den späten 1950er Jahren begründete die Finnische Kleinbauernpartei, später die Finnische Partei der Landbevölkerung (SMP), diese Tradition. Sie wurde von einem charismatischen Abgeordneten, Veikko Vennamo, nach einem Streit mit seiner bisherigen Partei, der Agrarpartei, gegründet. Die Politik der neuen Partei konzentrierte sich auf die Verbesserung der Situation der ärmeren Landbevölkerung. Die Rhetorik wandelte sich schnell zu einer Kritik an "alten" Parteien. In den späten 1960er Jahren erlebte Finnland einen starken strukturellen Wandel durch Industrialisierung und Urbanisierung. Hunderttausende zogen vom Land in die Städte und nach Schweden. Die populistische Politik kämpfte für ”das vergessene Volk".

Die Zahl der SMP-Abgeordneten war anfangs gering, aber die Partei gewann bei den Wahlen 1970 18 Parlamentssitze - ein großer Erfolg,  den sie 1972 wiederholte. Die Wählerschaft bestand aus Personen mit relativ niedrigem sozialem Status und Bildungsniveau in landwirtschaftlichen Berufen. Die Wertewelt war konservativ und oft religiös. (2)

Die folgenden Jahrzehnte waren ein Auf und Ab für die Partei: angefangen von einer Parteiauflösung 1972, Spaltungen, Neugründung, Wahlniederlagen bis zu neuen Wahlgewinnen 1983 mit fast 10% der Stimmen und Regierungsbeteiligung. Die SMP hatte versprochen, die Arbeitslosigkeit in sechs Monaten zu beseitigen. Das gelang ihr nicht, was die Glaubwürdigkeit der Partei beeinträchtigte, und sie verlor wieder stark an Stimmen. Es ging ähnlich chaotisch weiter, bis die SMP in schwere wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und 1995 bankrott ging.

Neue Partei, altes Gedankengut
Die Parteiführung der SMP gründete jedoch wieder eine neue Partei: die Wahren Finnen. Timo Soini wurde 1997 zum Vorsitzenden gewählt. Danach ging es langsam aufwärts, bis die Partei schließlich nach den Wahlen 2011 39 Abgeordnete stellen konnte  und zur drittgrößten im Parlament wurde. Die Unterstützung der Partei scheint vor allem durch die Kreditvergabe bei der griechischen Wirtschaftskrise und die Entscheidung der portugiesischen Regierung, finanzielle Unterstützung von der EU in Anspruch zu nehmen, beeinflusst worden zu sein. Das Wahlprogramm 2011 hatte einen starken nationalistischen Schwerpunkt und  wiederholte viele Male, dass "nur und einzig ein Volk, das seine eigene Nation bildet, getrennt von anderen Völkern, das ewige und uneingeschränkte Recht hat, frei und unabhängig über alle eigenen Angelegenheiten zu entscheiden".

Der Vorsitzende Soini hat 2006 die Formulierung "Wo die EU ist, dort ist ein Problem" eingeführt, und der Slogan lebt noch immer in den politischen Debatten. Die Wahren Finnen blieben 2011 in der Opposition, hatten jedoch als eine große Partei eine starke Position im Parlament.
Der Erfolg wurde bei den Wahlen 2015 wiederholt, und die Partei wurde die zweitgrößte Partei im Parlament. Das wichtigste Thema bei den Wahlen war die Wirtschaftspolitik und explizit die Kürzungen in den Budgets des Staates und der Kommunen.

Während des Wahlkampfs gab der Vorsitzende Soini bekannt, dass die Partei zur Regierungsverantwortung bereit sei. Die Regierung wurde dann auch mit der Zentrumspartei, der Konservativen Koalition und den Wahren Finnen gebildet, mit Timo Soini als Außenminister. Die Vereinbarungen im Regierungsprogramm zur Einwanderung, insbesondere betreffend Flüchtlinge, waren eher unkonkret. Die Regierung hat sich zu erheblichen Ausgabenkürzungen verpflichtet. Die Wahren Finnen setzten durch, dass eine Regelung zur Mitnahme von Parteienfinanzierung bei der Spaltung einer Fraktion,wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten austritt, außer Kraft gesetzt wurde.

Im Juni 2017 hielten die Wahren Finnen einen Parteitag ab, wo Soini freiwillig als Vorsitzender zurücktrat. Jussi Halla-aho übernahm den Vorsitz. Neben ihm gehörten auch alle neuen stellvertretenden Vorsitzenden zu der sog. einwanderungskritischen Linie.

Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs hat Halla-aho sich im Jahr 2008 in seinem Blog der Volksverhetzung schuldig gemacht und Verstöße gegen den Religionsfrieden begangen. In seinem Blogpost hatte er den Islam mit Pädophilie gleichgesetzt. Juho Eerola, Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender, war Mitglied der rechtsextremen Gruppe ”Finnische Sisu” (Sisu= Willensstärke und Ausdauer, eine alte finnische ”Grundtugend”). Insgesamt sind oder waren vier Abgeordnete, darunter auch der Vorsitzende Halla-aho, Mitglieder dieser Gruppe. Laura Huhtasaari, Vizevorsitzende der Partei, ist unter anderem bei mehreren rechtsextremen Veranstaltungen aufgetreten., Sie unterstützt den Ausstieg aus der EU und dem Euro, wendet sich gegen eine geschlechtsneutrale Ehe und betrachtet die EU-Auslegungen des Pariser Klimaabkommens als eine Katastrophe für Finnland. Zudem ist sie  auch eine Gegnerin der Evolutionslehre.

Die anderen Regierungsparteien wollten die Zusammenarbeit mit der neuen Führung der Wahren Finnen nicht weiterführen und gaben bekannt, dass die Regierung zurücktreten werde. Am nächsten Tag wurde der Rücktritt vom Ministerpräsidenten Sipilä jedoch zurückgenommen, nachdem 20 Abgeordnete, mehr als die Hälfte der Wahren Finnen ausgetreten waren und eine neue Fraktion und später die Partei mit dem Namen Blaue Zukunft gründeten. Alle fünf Minister, einschließlich des Außenministers Soini, gehörten dazu. Diese neue Gruppe sagte, sie sei bereit, mit derselben Zusammensetzung und demselben Programm in der Regierung weiterzumachen. Die Regierung hatte im Parlament immer noch eine dünne Mehrheit. Die Lösung hat jedoch viel politische Kritik und rechtliche Diskussionen ausgelöst. Die verbleibende Gruppe der Wahren Finnen ist weiterhin in der Opposition.

In Finnland gibt es im April 2019 Parlamentswahlen. Das Wahlprogramm der Wahren Finnen konzentriert sich auf Einwanderungsfragen. Der Wahlslogan ist "Wähle Finnland zurück!", was bereits eine konservative, nationalistisch-romantische Sehnsucht zurück zu etwas zeigt, wo die Dinge in Wahrheit nicht besser waren. Dem Programm zufolge ist die Zuwanderung ein Hindernis für die soziale Sicherheit, gute Arbeitsbedingungen, Bildung, Gleichberechtigung und den sozialen Frieden.  (3) 

"Die Einwanderung erhöht zudem die Kriminalität und Unsicherheit und untergräbt die wichtigsten Werte unserer Gesellschaft, wie die Gleichberechtigung." "Für die Wahren Finnen ist es ungerecht und falsch, dass ein junger Mann, der durch eine Reihe sicherer Länder nach Finnland gereist ist, genauso viel oder mehr unterschiedliche Unterstützungen und Dienstleistungen - und mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte - erhält, als hier lebende und Steuern zahlende FinnInnen." Falsch an dieser Behauptung ist die angeblich größere Unterstützung und merkwürdig ist die Behauptung, dass die MigrantInnen mehr Aufmerksamkeit erlangten. Die Wahren Finnen selbst sind es, die sich ständig über die Einwanderung beschweren. Die einzige Möglichkeit, die sie sehen, um die ”Misstände” zu beseitigen, sei eine strikte Kontrolle der Einwanderung sowie Förderung der Abschiebungen oder sogar eine vollständige Verhinderung der Einwanderung.

Ursprünglich waren die Wahren Finnen und ihre Vorgänger eher populistische, nationalistische Mitte-rechts Parteien. Die Wahren Finnen erlauben und tolerieren jedoch trotz gelegentlichen Ausschlüssen, dass Rechtsextreme die Partei als Grundlage für ihre politische Tätigkeit nutzen. Mit dieser Politik ist es der Partei gelungen, ihren größten Erfolg in der politischen Geschichte Finnlands zu erreichen und diesen auch in den folgenden Wahlen zu halten. Die Regierungsbeteiligung und die damit notwendige Neubewertung der Einwanderungspolitik führten zu einer Stärkung der extrem rechten Haltung in der Partei, obwohl die Einwanderungspolitik in Finnland erheblich verschärft wurde, insbesondere nach der Zunahme der Asylanträge im Herbst 2015. Der Preis dieser neuen Richtung war der Zusammenbruch und die Spaltung der Partei.

In den aktuellen Umfragen (März 2019) beträgt die Unterstützung der Wahren Finnen rund 13%. Die Blaue Zukunft, die neue Partei, kommt  weniger als 2%. Die tatsächliche Situation wird bei den Wahlen am 14. April 2019 gemessen werden (nach Redaktionsschluss dieses Heftes, Anm. d. Red.).

Anmerkungen
1 Perussuomalaisten periaateohjelma https://www.perussuomalaiset.fi/wp-content/uploads/2018/10/periaateohjel... (24.2.2019)
2 Aarni Virtanen: Vennamo: mies ja hänen puolueensa. Helsinki: Art House, 2018. ISBN 978-951-884-662-1.
3 https://www.perussuomalaiset.fi/wp-content/uploads/2019/02/Eduskuntavaal... (6.3.2019)

Übersetzung aus dem Finnischen: Outi Arajärvi.

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