Direkte Aktionen gegen Gentechnik

von Thomas Janoschka
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Am 22. August 1999 bewegen sich zehn etwas gespenstisch aussehende Menschen, bekleidet mit weißen Staubanzügen und Sensen in der Hand auf ein Feld mit genmanipulierten Mais- und Zuckerrübenpflanzen zu. Ihnen folgen etwa 100 Männer, Frauen und Kinder jeden Alters. Die fünf PolizistInnen, deren Polizeisperre auf einem Feldweg einfach ignoriert und umgangen wird, wirken irritiert und hilflos. "Meinen die etwa ihre Ankündigung wirklich ernst?"

Auch die ca. 50 Ordnungshüter, die vor dem Zaun des Versuchsackers Position bezogen haben, sind schnell überfordert. Sie stürzen sich auf die Sensenleute, während es immer wieder einigen aus der Masse der Demonstranten gelingt den Zaun zu überwinden, um unter großem Jubel und vielen Anfeuerungsrufen einige genmanipulierte Pflanzen aus der Erde zu reißen. Nach kurzer Personalienfeststellung reihen sich die ErntehelferInnen wieder in die Gruppe der trommelnden und tanzenden DemonstrantInnen ein. Was für ein Erntefest. Viele derjenigen, die sich diesmal noch nicht trauten, auf das Feld zu gehen, kündigten nach der Aktion an, sich beim nächsten Mal auch direkt an der Ernteaktion beteiligen zu wollen.

Das diese Abschlussaktion eines zehntägigen Aktionscamps so erfolgreich verlaufen würde, davon waren selbst die InitiatorInnen vom Barnimer Aktionsbündnis gegen gentechnische Freilandversuche positiv überrascht. Schließlich war es die erste öffentlich angekündigte Ernteaktion in Deutschland. Die Mobilisierungszeit von zwei Tagen war denkbar kurz und völlig unklar war auch, wie die Polizei auf die Presseerklärung mit der Aktionsankündigung reagieren würde. Deutlich mehr Erfahrungen mit dieser Aktionsform gibt es in England. Dort finden im Rahmen der Kampagne "genetiX snowball" bereits seit dem Sommer 1998 öffentlich angekündigte Ernteaktionen statt.

"genetiX snowball ist eine Kampagne gewaltfreier ziviler Verantwortlichkeit, die darauf abzielt, aktiven Widerstand gegen diese neue Gentechnologie, die unerwünscht, unnötig, unsicher und irreversibel ist, aufzubauen". Im Aktionsbuch der Kampagne steht dann weiter: "Wenn Biotechnologiefirmen sich weigern, ihre Verantwortung für die Risiken genetischer Modifikationen zu akzeptieren, wenn unser Rechtssytem frei wird von Moral und Ethik - dann müssen wir Verantwortung übernehmen. Wir sind überzeugt, dass ein Weg, Verantwortung zu übernehmen, darin besteht, sicher eine symbolische Anzahl von genetisch manipulierten Pflanzen zu entfernen und dann andere zu ermutigen, ähnliche Aktionen auszuführen." (1)
Der Name genetiX snowball bezieht sich auf die "Snowball-Kampagne", die sich in den 80er Jahren ebenfalls in Großbritannien gegen Nuklearraketen wandte. An diesen Aktionen beteiligten sich ca. 3000 Menschen, denen es darum ging, öffentlich ein Stück aus einem Maschendrahtzaun von US-Militärbasen zu schneiden. Ein zentrales Element beider Kampagnen ist der Schneeballeffekt. Jeder der sich an einer solchen Aktion beteiligt hat, ist aufgefordert andere Leute von dieser Aktionsidee zu überzeugen und mit diesen dann an einem anderen Standort eine ähnliche Aktion durchzuführen. Also klein anfangen und dann groß und wirkungsmächtig werden. In Großbritannien haben diese öffentlichen Aktionen auch ihren Teil zu der in der Bevölkerung weit verbreiteten Stimmung gegen die Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln beigetragen. In Deutschland sind Nachahmungseffekte ausgeblieben, die Aktion im letzten Jahr blieb die einzige. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Weit verbreitet ist in Deutschland dagegen die anonyme Erntehilfe im Schutz der Nacht. In diesem Jahr sind uns mindestens drei "Feldzerstörungen" bekannt geworden. Verglichen mit der Zahl, dass an über 160 Standorten in Deutschland genmanipulierte Pflanzen freigesetzt werden, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein und auch die öffentliche Wirkung ist eher gering. Trotzdem hat wohl die ein oder andere Ernteaktion zur Aufgabe von Versuchsfeldern beigetragen. Der entscheidende Unterschied zwischen den öffentlichen und den nächtlichen Ernetaktionen ist der Umgang mit der Öffentlichkeit. Während die nächtlichen ErntehelferInnen glücklicherweise bisher immer unerkannt blieben, sind die ErntehelferInnen bei den öffentlichen Aktionen bereit, Verhaftungen und Verfahren auf sich zu nehmen. Gerichtsprozesse werden als Möglichkeit gesehen, Öffentlichkeit herzustellen, eigene Positionen darzustellen und gesellschaftliche Diskussionen in Gang zu bringen. Der Orientierung der Medien an Action und spektakulären Bildern wird Rechnung getragen.

Vor einigen Jahren war auch noch eine andere direkte Aktion gegen die Freisetzung genmanipulierter Pflanzen in Deutschland verbreitet. An mehreren Standorten besetzten Aktivisten aus den Umweltverbänden und Jugendliche aus der links-alternativen Szene mit Unterstützung der örtlichen Bevölkerung bereits vor der geplanten Aussaat die Versuchsfelder.
 

Die erste Feldbesetzung in Deutschland fand 1993 bei Northeim statt. Ein Ergebnis dieser Besetzung war die Gründung der Gruppe "Arche GENoah" die sich bis heute aktiv gegen Freisetzungen engagiert. Die "Wühlmäuse" zeigten besondere Ausdauer. Sie besetzten bei Wölfersheim ein Versuchsfeld gleich mehrere Monate lang. Seit 1993 fanden in Deutschland über 20 Feldbesetzungen oder Blockaden statt, die etwa zu einem viertel auch erfolgreich waren, das heißt die Aussaat wurde verhindert oder der Versuchsbetreiber gab den Standort gleich auf. Doch die Zeit der Feldbesetzungen scheint vorbei zu sein, so gab es in diesem Jahr keine einzige derartige Aktion. Das hängt unter anderem sicher auch mit der stärker werdenden Kriminalisierung zusammen. So sprach nach einer geräumten Besetzung in Etzen/Amelinghausen der Landkreis Lüneburg ein Demonstrationsverbot um das Versuchsfeld und die Zugangswege aus - für die Dauer der Freisetzungen, also 10 Jahre. Die Versuchsbetreiber versuchten auch immer wieder ihre GegnerInnen mit immens hohen Entschädigungsforderungen einzuschüchtern und in die Knie zu zwingen. Reagierte die Polizei in den ersten Jahren eher zurückhaltend, wurden später die Besetzungen in der Regel recht schnell geräumt und die Aussaat unter Polizeischutz durchgesetzt.

Direkte Aktionen spielen in der Auseinandersetzung um die grüne Gentechnik eine wichtige Rolle. Immer wieder blockierten AktivistInnen von Greenpeace Schiffe, um zu verhindern, dass ihre genmanipulierte Fracht ihr Ziel erreicht. In Südindien brannten wütende Bauern und Bäuerinnen einfach die bereits kommerziell genutzten Genfelder ab und verwüsteten die Büros des Gentechnik-Konzerns Monsanto. In Wetze, einem Freisetzungsversuch in Niedersachsen, zeigten 1994 GentechnikgegnerInnen "der kalten Macht die warme Schulter" indem sie die genmanipulierten Pflanzen mit Stroh und Wolle zudeckten. Direkte Aktionen sorgten mit dafür, dass sich bisher die Träume der Gentechnologen und Gentechnikkonzerne noch nicht erfüllt haben. Die grüne Gentechnik hat sich noch nicht vollständig durchgesetzt. Sorgen wir mit Widerstand, der auch direkte Aktionen einschließen sollte, dafür, dass es auch weiterhin dabei bleibt.

Kontakt: DOSTO, Breitscheidstr. 43, 16321 Bernau, Tel./Fax: 03338/459407, e-mail: genaktionsbuendnis [at] bernau [dot] net, http://www.dosto.de/gengruppe/default.htm
 

1)genetiX snowball: Handbook for Action: A guide to safely removing genetically modified plants from release sites in britain, September 1998.

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Thomas Janoschka ist Mitglied des Barnimer Aktionsbündnisses gegen gentechnische Freilandversuche.