Don`t Attack Iraq

von Wolfgang Sternstein

Die Initiative "Don`t attack Iraq" hatte zu einer "Hocketse" und einem "Ständerling" am EUCOM bei Stuttgart auf den 8. Dezember vergangenen Jahres aufgerufen. Die beiden Worte gehören zu den liebenswerteren Spezialitäten der schwäbischen Mundart. Sie bedeuten, ins Hochdeutsche übertragen, so viel wie ein gemütliches Zusammensitzen und Zusammenstehen.

150 Menschen folgten ungeachtet des frostigen Wetters dem Aufruf. Eric Chauvistré hat das EUCOM (EUropean COMmand) in einem taz-Artikel zutreffend den "Feldherrnhügel für die halbe Welt" genannt. Nicht nur Europa, sondern auch Afrika, Russland, die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien sowie Israel, Syrien und Libanon gehören zu seinem Operationsgebiet. Es handelt sich um eine rein amerikanische Militäreinrichtung, die ausschließlich der Befehlsgewalt des amerikanischen Präsidenten und des Pentagon untersteht. In einem Krieg gegen den Irak, ob mit oder ohne UN-Mandat, würde das EUCOM, wie schon im Golfkrieg von 1991 eine zentrale Rolle spielen.

Nach dem 11. September wurde der Sicherheitsbereich des EUCOM zur Vorbeugung gegen Terroranschläge ausgeweitet. In diesem Bereich ist das Versammlungsrecht erheblich eingeschränkt. Die Aktion am 8.12. richtete sich nicht allein gegen die Vorbereitung eines völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskriegs, sondern auch gegen die, wie wir meinen, unzulässige Beschränkung der Grundrechte im erweiterten Sicherheitsbereich des EUCOM.

Die Kundgebung (der Ständerling) fand außerhalb des erweiterten Sicherheitsbereichs statt. Sie verlief ohne Zwischenfälle. Wolfgang Schlupp-Hauck von der Pressehütte Mutlangen und Thomas Krahe vom Versöhnungsbund forderten ein Ende der Kriegsvorbereitungen, eine friedliche Konfliktlösung für den Nahen und Mittleren Osten und eine langfristige Friedenssicherung durch gerechten Handel, sowie die weltweite Ächtung und Verschrottung aller Atomwaffen.

Krahe, der wenige Tage zuvor von einer Delegationsreise aus dem Irak zurückgekehrt war, berichtete von den katastrophalen Folgen der Irak-Sanktionen für die dortige Bevölkerung. Bis heute seien 1.5 Millionen Menschen an den Folgen des Golfkrieges und der Sanktionen gestorben.
 

Nach der Kundgebung blockierten zwei Gruppen das Haupttor und den Autobahnzubringer des EUCOM. Ich hatte mich spontan der erstgenannten Gruppe angeschlossen, nicht zuletzt, um durch die Blockade gegen die Beschränkung meiner Grundrechte durch das Demonstrationsverbot zu protestieren.

Die Polizei war auf die Aktion nicht vorbereitet. Es dauerte etwa eine Stunde, bis sie zur Räumung der Fahrbahn aufforderte. Die Räumung erfolgte ziemlich ruppig, wohl auch, weil beide Seiten das Management einer Sitzblockade nicht mehr beherrschen. 19 Personen wurden festgenommen und in die einzig verfügbare "Wanne" gepackt. Mir und zwei weiteren Blockierern band man die Hände mit Plastikfesseln auf den Rücken. Mit sechs Frauen wurde ich in die eine der beiden Abteilungen gesteckt, die übrigen 12 in die andere Abteilung. Ich vermute, mir wurden die Hände gefesselt, weil die Polizeibeamten bei dem Gedanken: ein Mann und sechs Frauen in einer engen Zelle das Allerschlimmste befürchteten. Meine Mitgefangenen protestierten denn auch lautstark gegen die Fesselung. Nach zehn Minuten erschien ein Beamter mit einer Zange, um mich zu befreien. Ich hatte mich aber schon selbst befreit. Die Fessel, obwohl Staatseigentum, behielt ich als Andenken.

Mit Blaulicht ging die rasante Fahrt ins Polizeipräsidium, wo wir für etwa zwei Stunden in Gewahrsam genommen wurden. Die Stimmung im Fahrzeug und in der nach Urin stinkenden Arrestzelle war dennoch heiter und ausgelassen.

Die Aktion "Wider-setzen" bildete den Auftakt der weltweiten Kampagne "resist", mit der ein breiter gesellschaftlicher Widerstand gegen die drohende Invasion in den Irak aufgebaut werden soll.
 

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Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Er kam als Wissenschaftler nach Wyhl, schloss sich aber schon bald der Widerstandsbewegung gegen das Atomkraftwerk an. In seiner Autobiografie „Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“ berichtet er ausführlich über den „Kampf um Wyhl“.