Iran-Usa

Drohnen-Mord gegen Menschenrecht

von Hermann Theisen

Menschenrechte sind universell, unveräußerlich, unteilbar und bedingen sich gegenseitig.  Sie hätten auch für Soleimani und seine Begleiter gelten müssen.

 

Anfang Januar 2020 wurden die Schlagzeilen von dem tödlichen Drohnen-Angriff auf Qassem Soleimani und seine Begleitpersonen beherrscht. Und immer wieder tauchte die Frage auf, welche Rolle dabei eine auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz bestehende Relaisstation gespielt haben muss. Spätestens seit der Veröffentlichung der „Drone Papers“ durch den SPIEGEL und THE INTERCEPT steht fest, dass der Ramsteiner Relaisstation eine zentrale Rolle bei der Drohnen-Kriegsführung der US-Army und der CIA zukommt, da sie den Einsatz von Kampfdrohnen unter Echtzeitbedingungen erst möglich macht. Würden die Drohnen ausschließlich über Satellit gesteuert werden, käme es aufgrund der Erdkrümmung unweigerlich zu einer zeitlichen Verzögerung der Drohnen-Steuerung, die zu militärischen Fehlschlägen mit fatalen Folgen für den weiteren Verlauf solcher Militäroperationen führen könnte. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass auch die US-Drohne, mit der Soleimani und seine Begleiter getötet wurden, unter Mitwirkung der Ramsteiner Relaisstation in ihr Ziel gesteuert worden ist.

Die Liegenschaften der US-Basen in Deutschand sind kein exterritoriales Gebiet. Sie gehören zum deutschen Staatsgebiet und sind den US-Streitkräften gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut lediglich auf unbestimmte Zeit und zur ausschließlichen Nutzung zu Verteidigungszwecken überlassen worden. Dem NATO-Truppenstatut zufolge sind die in Deutschland stationierten Truppen generell verpflichtet, das Recht des Aufenthaltsstaates zu achten. Zu den von ausländischen Truppen in Deutschland zu beachtenden Rechtsvorschriften gehören insbesondere auch das Verbot eines Angriffskrieges gemäß Art. 26 Grundgesetz sowie die Einhaltung völkerrechtlicher Bestimmungen zu militärischer Gewaltanwendung. Dazu gehören auch die Regelungen zu den Genfer Rot Kreuz Abkommen zum Schutz der Opfer in bewaffneten Konflikten. Die Tötung Qassem Soleimanis und seiner Begleitpersonen durch eine über Ramstein mitgesteuerte Drohne muss als extralegale Tötung bezeichnet werden. Eine extralegale Tötung ist eine willkürliche und vorsätzliche Tötung eines Menschen, die als politischer Mord zu verstehen ist und deshalb weltweit geächtet wird. Die Vereinten Nationen bezeichnen dieses Vorgehen als eine willkürliche Hinrichtung. Extralegale Tötungen widersprechen dem in Deutschland geltenden Rechtsstaatsprinzip fundamental. Nach deutschem Recht war die Tötung Soleimanis und seiner Begleitpersonen deshalb ein Verstoß gegen das Völkerrecht und das Strafrecht. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält den Drohnenmord für völkerrechtswidrig.

 

Ramstein und die Strafanzeige

Dem in Deutschland geltenden Legalitätsprinzip zufolge sind Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten zu ermitteln, sofern ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vorliegen. Bislang weigern sich die deutschen Anklagebehörden aber beharrlich, diesem zentralen Grundsatz staatsanwaltlichen Handelns Folge zu leisten und strafrechtliche Ermittlungen zur Rolle Ramsteins im weltweiten US-Drohnenkrieg aufzunehmen. Deshalb wurde vom Autor dieses Textes bei der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken eine Strafanzeige erstattet, in der es heißt: „Wegen Mitwirkung -auch durch strafbares Unterlassen- oder sonstige Beteiligung an der Steuerung des Einsatzes einer US-Kampfdrohne bei der Tötung des Iraners Qassim Solameinis (und weiterer Personen) über den US-Stützpunkt in Ramstein erstatte ich Strafanzeige wegen aller in Betracht kommenden Delikte und gegen alle in Frage kommenden Tatverdächtigen aus den USA und Deutschland“ (Strafanzeige v. 04.01.2020). Mit der Strafanzeige soll die rheinland-pfälzische Justiz dazu gebracht werden, den vorgenannten Sachverhalt juristisch aufzuklären und nötigenfalls eine weitere Nutzung der Ramsteiner Relaisstation für den US-Drohnenkrieg zu untersagen. Zudem wurde wegen einer zwangsläufig zu erwartenden militärischen Eskalation im Falle einer weiteren Nutzung der Ramsteiner Relaisstation für US-Drohneneinsätze eine Verletzung von Art. 2 Grundgesetz geltend gemacht. Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und inzwischen die Staatsanwaltschaft Zweibrücken mit den weiteren Ermittlungen beauftragt. Mit Schreiben vom 5. Januar 2020 erklärt Staatsanwalt Papenheim (Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken) hierzu: „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Mordes u.a.“ (…) „…in dem vorgezeichneten Ermittlungsverfahren teile ich mit, dass ich das Verfahren mit der Bitte um Übernahme an die Staatsanwaltschaft Zweibrücken abgeben habe. Im Falle der Übernahme werden die weiteren Ermittlungen dort geführt“ (2 UJs 1/20). Der Terminus „Mord“ stammt von der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken. Es bleibt nun abzuwarten, welchen Verlauf die weiteren Ermittlungen nehmen werden. Sollte die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren einstellen, so wird vom Autor ein Klageerzwingungsverfahren geprüft werden und ggf. eine Verfassungsbeschwerde vor dem Rheinland-Pfälzischen Verfassungsgerichtshof eingelegt werden.

 

Ramstein und die Menschenrechte

Die Menschenrechte sind universell, unveräußerlich, unteilbar und bedingen sich gegenseitig. Ihr besonderer Charakter leitet sich aus der Würde des Menschen ab, die niemals einem Menschen abgesprochen werden kann. Sie hätten deshalb auch für Soleimani und seine Begleiter gelten müssen - und zwar völlig unabhängig davon, welcher Verbrechen sie selbst schuldig geworden sind. Fast auf den Tag vor 75 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit, das zur Chiffre für den Holocaust geworden ist. Mit der Kapitulation des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 endete die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus. Wenn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 beklagt, dass die Missachtung der Menschenrechte zu „Akten der Barbarei“ führte, die das „Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen“, so geschah dies im Bewusstsein der nationalsozialistischen Verbrechen, die als totalitäre Katastrophe in unsere Geschichtsbücher eingegangen sind.

Auch deshalb gelten die Menschenrechte noch immer als universell, unveräußerlich, unteilbar und bedingen sich gegenseitig. Und deshalb hätten sie auch Soleimani und seine Begleiter nicht verweigert werden dürfen. Sollten sie für Kriegsverbrechen verantwortlich sein, so hätten sie vor einem internationalen Strafgericht angeklagt werden müssen. Ihre extralegale Tötung ist selbst ein Akt der Barbarei und unserem Rechtsstaatsprinzip folgend unentschuldbar. Auf diesem Hintergrund ist es alternativlos, dass die deutsche Justiz diesen Sachverhalt lückenlos aufklärt und die Bundesregierung endlich extralegale Tötungen, die das US-Militär und die CIA unter Nutzung des US-Stützpunktes Ramstein weltweit durchführen, endgültig verbietet. Was hätten wir in 75 Jahren auch sonst aus jener totalitären Katastrophe lernen sollen, wenn nicht ein mutiges und beherztes Ringen um die Einhaltung unseres Rechtsstaatsprinzips?

 

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Krisen und Kriege