Friedensfilmpreis 2009 für "The Messenger"

Ein Anti-Kriegs-Film zur rechten Zeit

von Ulla Gorges
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der US-amerikanische Spielfilm "The Messenger"  von Oren Moverman, vorgestellt im Wettbewerb der Berlinale, ist der Friedensfilmpreisträger 2009. In Vertretung des Regisseurs nahmen der Hauptdarsteller Ben Foster sowie Produzent Lawrence Inglee und Executive Producer Steffen Aumüller die Friedensfilmpreis-Bronzeplastik, die Urkunde sowie das Preisgeld entgegen. 

In der Begründung der Jury heißt es: "Traumatisiert kehren Soldaten von den Schlachtfeldern dieser Tage, die sich hinter Begriffen wie „Enduring Freedom" verstecken, zurück: Der Krieg kommt näher und auch die Todesnachrichten mehren sich. Den "schlimmsten Job der Army" muss Will nach seiner Rückkehr aus dem Irak übernehmen. Er wird zum "Messenger", der diese Todesnachrichten überbringt: soldatisch, korrekt, präzise und distanziert. Höflichkeit statt Mitleid - so bricht diese Nachricht vom Tod an den Fronten des Krieges in die patriotische Alltagswelt voller grüner Wiesen und gewaschener Wäsche ein. Will's Geschichte, die Welt der Armeen und die Wahrheit, dass Krieg deformiert und Menschen hilflos und auf immer verletzt zurücklässt - dies erzählt der Film von Oren Moverman mit großer subversiver und erzählerischer Kraft: ein Anti-Kriegs-Film zur rechten Zeit." 

Der Regisseur Oren Moverman wies in der Berlinale -Pressekonferenz darauf hin, dass es in allen kontrovers diskutierten Kriegen einen Zeitpunkt gäbe, an dem Filmemacher und andere Künstlern das Augenmerk darauf richten, was sich an der "Heimatfront" tut. "In den USA", so Moverman, „haben wir uns noch nicht wirklich der Frage gestellt, was mit den jetzigen Kriegs-Veteranen geschieht, die mit ihren Verletzungen (...) noch 50 bis 60 Jahre leben werden, in denen sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind."

"The Messenger" ist ein Film, dessen Handlung in vielen Elementen dem klassischen Mainstream-Kino folgt: Es gibt eine Männerfreundschaft, etwas Sex, und auch eine Liebesgeschichte, wenn auch ohne Happy End. Er zeigt Folgen des Krieges, ohne dabei eine Botschaft gegen den Krieg so klar und eindeutig herauszurufen, wie es vielleicht so manche/r Friedensfilmpreis-FreundIn erwarten würde. Es bleibt zum Beispiel offen, ob Sergeant Will nach Ablauf seiner Dienstzeit der Armee den Rücken kehren wird. Aber dennoch ist "The Messenger" anders als andere US-amerikanische Filme, die den Krieg zum Thema haben.

Es sind Szenen, die wir Zuschauer aus vielen US-amerikanischen Armee- und Kriegsfilmen kennen: Operettenhafte Uniformen, zackige Gesten und abgehackte Sätze - bis ins Kleinste ausgefeilte Kulissen und Rituale, die eine Kriegsmaschinerie braucht, damit ihr Lauf nicht durch Menschliches wie Trauer, Mitleid und Angst ins Stocken gerät. Und solche Filme und all die andere Propaganda sind wirksam: Noch symbolisieren die Toten in den USA nicht nur Leid, sondern auch den Stolz auf das eigene Land und die Opferbereitschaft ihrer jungen Soldatinnen und Soldaten und deren Familien. So ist es auch nicht unbedingt ein Zeichen für eine Wende, sondern wohl nur für einen anderen Stil, dass Präsident Obama fünf Wochen nach Amtsantritt sein Wahlkampfversprechen einlöste und das Verbot aufheben ließ, die Särge gefallener Soldaten bei Ankunft in den USA zu fotografieren oder zu filmen. Präsident Bush senior hatte dieses Verbot zu Beginn des 2. Golfkrieges im Februar 1991 erlassen, wissend darum, welch große politische Wirkung Bilder von Gefallenen haben können. Wie zum Beispiel im Vietnamkrieg, als die Särge wie am Fließband aus den Transportmaschinen entladen wurden und solche Bilder die Kriegsmüdigkeit beschleunigt und die Anti-Kriegs-Bewegung gestärkt hatten.  Anders ist es - noch - heute: Der Soldatentod wird in den USA nicht tabuisiert, die großen Tageszeitungen veröffentlichen alle paar Tage die aktuellen Zahlen und präsentieren monatlich die Toten mit Fotos und Angaben zur Person auf einer Doppelseite. Der Krieg im Irak hat bislang 4.251 (bestätigt) bzw. 4.255 (gemeldet) Gefallene auf US-amerikanischer Seite gefordert. (www.icasualties.org).  Aber es tut der Popularität Obamas offenbar keinen Abbruch, dass er mit einem Abzug der US-Truppen aus dem Irak nicht den Krieg im Mittleren Osten beenden will, sondern nur den Kriegsschauplatz verlagern und die Truppen in Afghanistan aufstocken lässt.

Noch gibt es in den USA keine breite Anti-Kriegs-Bewegung wie zu Zeiten des Vietnam-Krieges. Die patriotische Stimmung nach den Attentaten vom 11. September 2001 wirkt fort und motiviert junge Menschen, sich für den Dienst in der Armee zu melden - ohne zu prüfen, ob Kriegsgründe und Kriegsziele glaubhaft sind. Auch ist ja für viele die Armee die einzige Chance auf eine Berufsausbildung oder ein anschließendes Studium - wenn sie den Einsatz überleben. Vielleicht hilft dieser Film, dass sie andere Überlegungen in ihre Entscheidung einbeziehen.

Auch für das Publikum in Deutschland, dessen Bevölkerung mehrheitlich gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan und anderswo votiert hat, ohne dass dies bei den Regierenden und bei der Mehrzahl der ParlamentarierInnen im Bundestag zu entsprechenden Entscheidungen geführt hätte, ist dieser Film wichtig. Gerade erst ist eine Kriegsfolge, die Traumatisierung von heimkehrenden Soldaten, in die öffentliche Wahrnehmung und in die politische Diskussion gerückt - wichtiger Auslöser dafür war ein Fernsehfilm. Und jetzt hat die Bundeswehr zum ersten Mal relativ detailliert Auskunft über die Zahl ihrer Toten und Verletzten gegeben.  Die veröffentlichte Statistik, so "Der Tagesspiegel" vom 14.3.2009, enthält keine Kategorie "Kampfhandlungen" und unterscheidet bei den im Einsatz durch Waffen Verletzten nicht nach Kampf, Hinterhalt oder Unfall. Ebenso sei die Zahl der Verletzten nur bedingt aussagekräftig. Aber klar ist die Aussage, dass seit 1994 bei den Auslandseinsätzen  76 Soldaten ums Leben kamen: 14 als Opfer von Anschlägen, 26 bei Unfällen, 5 "bei Unfällen mit Schusswaffen" (?), 13 starben eines "natürlichen Todes" (?) oder beim "Umgang mit Fundmunition" (?). 18 Soldaten starben durch Selbstmord.

Der Friedensfilmpreisträger 2009, "The Messenger", ist ein Anti-Kriegs-Film zur rechten Zeit.

Oren Movermans „The Messenger“ hat in Deutschland bislang noch keinen Verleih gefunden. Sobald er in die Kinos kommt,  informieren wir Sie. Weitere Informationen unter www.friedensfilm.de

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Ulla Gorges ist Mitarbeiterin der IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. Die IPPNW ist seit 1991 Schirmherrin des Friedensfilmpreises.