Zur Zustimmung zum Afghanistaneinsatz

Ein Ja und kein Ende

von Ute Finckh-Krämer
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Von 2001 bis 2009 stimmte der Bundestag jeweils im letzten Quartal eines Jahres in namentlicher Abstimmung über die Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz in Afghanistan ab. Da Deutschland im Zusammenhang mit der Londoner Afghanistankonferenz Ende Januar 2010 eine nochmalige Truppenerhöhung zugesagt hatte, fand am 26. Februar 2010 eine weitere Abstimmung statt, mit der das Mandat um ein weiteres Jahr verlängert wurde – vorbehaltlich der für den Oktober 2010 anstehenden weiteren Mandatierung durch den UN-Sicherheitsrat, die dann am 13.10. auch erfolgte. Als Termin für die nächste Mandatsverlängerung im Bundestag ist der 28.1.2011 festgelegt, also knapp vor Erscheinen dieser Ausgabe des Friedensforums. Der folgende Beitrag wurde vor der Abstimmung verfasst.

Seit Jahren versucht die Friedensbewegung, durch geeignete Aktivitäten im Vorfeld dieser Abstimmungen die Zustimmungsrate zu vermindern. Mit sehr begrenztem Erfolg – selbst bei den Grünen, die seit Herbst 2005 in der Opposition sind, stimmen immer noch eine ganze Reihe von Abgeordneten für Mandatsverlängerungen.

Dabei steigt in Umfragen die Anzahl der BundesbürgerInnen, die sich gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan aussprechen, kontinuierlich an. Nicht nur bei den Grünen, die seit Ende 2005 keine Regierungspartei mehr sind, auch bei der SPD gibt es an der „Basis“ deutlichen Protest gegen die Mandatsverlängerungen. Auf welche Weise gelingt es insbesondere der SPD-Führung, Jahr für Jahr wieder die große Mehrheit der SPD-Fraktion dazu zu bewegen, mit Ja zu stimmen? Auch nachdem die SPD nicht mehr an der Regierung, sondern Oppositionspartei ist?

In den ersten Jahren wurde der Wiederaufbau Afghanistans als Erfolg der ISAF verkauft und der auch damals schon sichtbare Schaden, der durch die US-Strategie des „Krieg gegen Drogen“ und „Krieg gegen Terror“ angerichtet wurde, klein geredet. Als immer deutlicher wurde, dass die Erfolge allesamt der zivilen Aufbauhilfe zuzurechnen waren, wurde die Legende vom „sicheren Umfeld“ in Umlauf gebracht, mit dem die ISAF-Truppen angeblich die Arbeit von zivilen HelferInnen erst möglich machten. Als VENRO immer deutlicher darauf hinwies, dass viele Hilfsorganisationen lange vor irgendwelchen ISAF-Truppen in Afghanistan waren und die „Sicherheitslage“ trotz wachsender Truppenstärken immer schlechter wurde, die Erfolge also nicht wegen, sondern trotz der militärischen Präsenz erreicht worden waren, hieß es plötzlich, ausländisches Militär könne keinen Frieden schaffen, nur Zeit gewinnen, deswegen müsse mehr Geld in den Aufbau staatlicher Strukturen fließen, vor allem in den Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte. Als sich abzeichnete, dass zumindest Teile des vom Ausland gestützten afghanischen Staates eher Teil des Problems als Teil der Lösung sind, wurde eine lange Liste von Forderungen an den afghanischen Präsidenten Karsai formuliert und gleichzeitig die Horrorvision eines „gescheiterten Staates“ oder einer erneuten Talibanregierung präsentiert mit besonderem Verweis darauf, dass damit Afghanistan erneut zum „Rückzugsort für Terroristen“ würde. Gleichzeitig wurde versichert, die US-Strategie der Aufstandsbekämpfung sei notwendig, um diese Horrorvision zu verhindern. Seit sich abzeichnet, dass damit nur eine weitere Gewalteskalation bewirkt wurde, wird auf Verhandlungen gesetzt. Und behauptet, die Aufständischen seien nur bereit, zu verhandeln, solange die ausländischen Truppen nicht reduziert werden …

Was aus friedenspolitischer Sicht zunehmend absurd klingt, erscheint aus Sicht von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern offensichtlich plausibel. Kai Eide, ehemaliger UN-Gesandter in Afghanistan, hat das in einem kürzlich veröffentlichten Beitrag folgendermaßen formuliert: „Ein Friedensprozess würde eine fortgesetzte internationale militärische Präsenz im Lande notwendig machen, um den Prozess selbst zu beobachten und dazu beizutragen, das Ergebnis zu konsolidieren. Ein frühzeitiger Abzug könnte neue Spannungen bewirken und das Land zurück in eine bürgerkriegsähnliche Situation führen, und nicht zu einer friedlichen Lösung des Konflikts.“ (1) Solchen Argumenten folgen Abgeordnete der etablierten Parteien nur zu gerne. Eide hat allerdings im gleichen Beitrag ausgeführt, dass Verhandlungen nur nach einer militärischen Deeskalation Sinn machen: „Es ist daher an der Zeit zu prüfen, wie die militärischen Aktionen zurückgefahren werden können, anstatt zu überlegen, wie sie verstärkt werden können. Alle Seiten sollten ihre Bereitschaft zeigen, vertrauensvoll in einen politischen Dialog zu treten. Um festzustellen, ob solche Bereitschaft existiert, sollten begrenzte Einstellungen von Kampfhandlungen ausgelotet werden; sie könnten zeitlich und regional begrenzt werden und entsprechend ausgedehnt werden, falls sie sich als erfolgreich erweisen.“ Die spannende Frage wird am 28.1. daher sein, wie viele Abgeordnete bereit sind, diesmal mit „nein“ zu stimmen, wenn – wie es sich derzeit abzeichnet – die USA weiter auf militärische Eskalation setzen.

 

Anmerkung
1: Tagesspiegel vom 29.12.2010 bzw. http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/wir-brauchen-eine-kamp...

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