Atomwaffenstützpunkt Büchel

Eine 30stündige Blockade und einiges mehr

von Martin Otto

Nach der 24stündigen spektakulären "Musikblockade" des Bundeswehr-Militärflugplatzes bei Büchel vom 11. auf den 12. August vorigen Jahres (siehe FriedensForum 5/2013) hatte die "Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen" (GAAA) beschlossen, auch diesmal wieder rund um die Hiroshima- und Nagasaki-Gedenktage, vom 2. bis 11. August, ein Aktionscamp zu veranstalten. Wiederum fand es in unmittelbarer Nähe der Haupteinfahrt zu dem Fliegerhorst statt, in dem Atombomben der USA gelagert werden und deutsche Piloten mit ihren Tornado-Kampfjets im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" üben, die Massenvernichtungswaffen im Ernstfall zu ihren Einsatzorten zu fliegen.

Neben Angehörigen der GAAA nahmen diesmal auch Leute vom "Friedensritt", vom "Jugendnetzwerk für politische Aktionen" (JunepA), von der Konzertblockaden-Gruppe "Lebenslaute", von der französischen Initiative "Armes nucléaires STOP", von den "ÄrztInnen gegen Atomkrieg" (IPPNW), von "Störfaktor" (ein Projekt für das Versammlungsrecht) und von "Bikers Without Borders" teil. Und parallel dazu ging vom 5. bis 9. August im Camp der zweite Teil der diesjährigen Fastenaktion vonstatten, die zum fünften Mal in Folge vom "Inititiativkreis gegen Atomwaffen in der Eifel" (einer Regionalgruppe des Versöhnungsbunds) organisiert worden war. Das Fasten war am 1. August im Rahmen der Feiern zum 100-jährigen Bestehen des Internationalen Versöhnungsbunds in Konstanz begonnen worden. Kurzzeitige BesucherInnen des Camps waren unter anderen die rheinland-pfälzische stellvertretende Ministerpräsidentin von Bündnis 90/Die Grünen und zwei Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke; alle drei bekundeten ihre Solidarität mit unserem Protest.

Schon vor Monaten hatten wir "Atomwaffen abschaffen – Modernisierung verhindern" zum Motto des Camps gewählt. Allerdings halten wir die Wortwahl "Modernisierung" inzwischen für eine Verharmlosung. Tatsächlich handelt es sich bei dem geplanten Ersetzen der alten B-61-Bomben durch die neuen B-61-12 um eine Neuentwicklung. Wenn es dazu kommt, werden auf deutschem Boden die modernsten Nuklearwaffen der Welt gelagert und für ihren Einsatz bereit gehalten werden. Die Aussichten auf einen Abzug der letzten in Deutschland stationierten Atomwaffen sind mit dem Regierungswechsel im Herbst 2013 gesunken. Noch 2010 hatte sich der Bundestag – "auf dem Papier" – mit großer Mehrheit für den endgültigen Abzug ausgesprochen. Die neue Koalition aber hat bekundet, erst müssten Abrüstungsgespräche zwischen den USA und Russland erfolgreich enden, bevor Deutschland atomwaffenfrei werden könne. Sie versteckt sich also hinter den Großmächten und schiebt den Abzug auf die lange Bank. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche wären – auch ohne Ukraine-Krise – sehr unwahrscheinlich angesichts der US-Pläne zur "Modernisierung" aller ihrer in Europa stationierten Nuklearwaffen.

„Ungehorsame Aktionen“
Im Camp gab es neben verschiedenen Workshops, Pressearbeit etc. auch Vorbereitungen auf demonstrative Aktionen und auf Zivilen Ungehorsam vor dem Militärgelände. Die erste "ungehorsame Aktion" begann am Dienstag, 5. August, um 6 Uhr früh, als zum Dienstbeginn zahlreicher SoldatInnen und Zivilangestellter des Stützpunkts die drei wichtigsten Einfahrtstore durch Sitzblockaden versperrt wurden. Auch zwei Tripods (dreibeinige Blockadetürme) kamen dabei zum Einsatz – ein Novum für Büchel. Die Aktion wurde zunächst von Militär und Polizei geduldet. Daraufhin beschlossen die AktivistInnen eine Verlängerung der Blockade bis mindestens zum nächsten Morgen. Sie blieben am Tag und in der Nacht unbehelligt, aber als zum Dienstbeginn am Mittwoch, dem Hiroshima-Gedenktag, die drei Tore immer noch blockiert waren, schritt die Polizei zur Räumung, erteilte Platzverweise und nahm drei Aktive fest, darunter einen, der sich mit einem Fahrrad-Bügelschloss an ein Tor festgekettet hatte. Die drei wurden zur 13 km entfernten Polizeistation in Cochem gebracht und nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Währenddessen wurde die Blockade fortgesetzt, nun aber "nur noch" vor dem Haupttor. Als sie am Mittag von denen, die noch keine Platzverweise erhalten hatten, nach 30 Stunden aus freien Stücken aufgelöst wurde, fand die längste von der GAAA organisierte Büchel-Blockade ihr Ende. (Die erste hatte es 1996 gegeben – und danach zahlreiche weitere Aktionen des Zivilen Ungehorsams am und auch im Fliegerhorst.)

Am Nachmittag teilte uns die Polizei mit, im Internet sei ein Terroranschlag von Salafisten auf den Militärflugplatz Büchel angekündigt worden. Bundeswehr und Polizei hätten daher ihre Sicherungsmaßnahmen verstärkt, und wir sollten uns bloß nicht einfallen lassen, uns am Militärzaun zu schaffen zu machen (wie früher schon mehrfach bei Go-In-Aktionen). Am nächsten Tag wurde "Entwarnung" gegeben: Die Terrordrohung hatte sich als Fake eines Journalisten herausgestellt, der offenbar Unruhe im Fliegerhorst (oder auch in unserem Camp?) erzeugen wollte.

Am Freitag, 8. August, kam es schon ab 5.30 Uhr früh zu einer erneuten Blockade, diesmal vor dem Haupt- und dem wichtigsten Nebentor. Eine halbe Stunde später räumte die Polizei eine der beiden Fahrbahnen zum Haupttor frei, ohne dass es weitere Festnahmen gab. Um 8.30 Uhr beendeten die AktivistInnen das Blockieren der anderen Fahrbahn und des Nebentores. Ein weiteres Mal hatten sie gezeigt, dass sie mehr gegen das skandalöse Unrecht der Stationierung von Massenvernichtungswaffen tun wollen als "nur" zu demonstrieren und zu appellieren.

Deutschland hat bekanntlich durch den Atomwaffensperrvertrag auf jegliche Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet. Somit ist das Festhalten der Bundesregierung an der "nuklearen Teilhabe" ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Aber "unsere" Regierung und Justiz scheren sich in diesem Fall nicht um das Recht. Unsere Hoffnung ist, dass "Druck von unten" dies irgendwann ändern kann; deshalb leisten wir gewaltfreien Widerstand.

Am nächsten Tag um 11.02 Uhr, als der Abwurf der Plutoniumbombe auf Nagasaki sich zum 69. Mal jährte, wurde die Fastenaktion mit einer Andacht vor dem Haupttor beendet. Die Fastenden und ihre UnterstützerInnen hatten an den drei vorherigen Tagen jeweils nachmittags für eine Stunde ein aus acht Bettlaken gefertigtes, 20 Meter langes Transparent mit der Aufschrift "FERIENLAND COCHEM ATOMWAFFENFREI" über das Geländer einer Cochemer Brücke gehalten – gut sichtbar für die zahlreichen TouristInnen, die an der Mosel entlang liefen und einen Brief an den Landrat mitunterzeichnen durften. Zur ersten Mahlzeit nach dem Fasten im großen Zelt des Camps spielte die "Lebenslaute" auf, die dann am 10. August mit einem Konzert auf beiden Fahrbahnen des Haupttores den Schlusspunkt der Aktionen setzte. Es gab hierbei freilich nichts mehr zu blockieren, denn niemand wollte an diesem Sonntagvormittag das Haupttor mit einem Fahrzeug passieren.

Ausblick
Am letzten Tag des Camps richteten wir den Blick schon auf das nächste Jahr. Im April und Mai wird bei den Vereinten Nationen in New York – wie alle fünf Jahre – wieder eine Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag abgehalten. Die GAAA plant aus diesem Anlass, von März bis Mai wieder in Büchel präsent zu sein.

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