Die Geschichte eines Erfolgsprojekts

Eine Bertha-Bahn fährt durch Bonn

von Elise KopperHeide Schütz
Bertha Bahn Adenauer Platz
Bertha Bahn Adenauer Platz

Seit dem 21. September 2019, dem Internationalen Friedenstag der Vereinten Nationen, fährt die „Bertha-Bahn“ durch Bonn: eine Straßenbahn, geschmückt mit dem Konterfei der ersten weiblichen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner und einem ihrer berühmtesten Zitate „Die Waffen nieder!“. Das Projekt, umgesetzt vom Frauennetzwerk für Frieden e.V. und dem Netzwerk Friedenskooperative, hat über die Grenzen der Stadt hinaus für Aufsehen gesorgt. Ein Beispielprojekt auch für Friedensinitiativen in anderen Städten und Gemeinden? In diesem Artikel wollen wir darstellen, welche Komponenten für den Erfolg des Projekts entscheidend waren.

Als eine Gruppe von Frauen im Frauennetzwerk für Frieden e.V. (FNF) im Sommer 2018 die Idee hatte, eine Straßenbahn zu Ehren Bertha von Suttners zu gestalten, hätten wir nicht gedacht, dass das Projekt so hohe Wellen schlagen würde. Inspiriert von der „Friedens-Bim“ in Wien und durch die internationalen Feierlichkeiten rund um Bertha von Suttners 175. Geburtstag in Den Haag, machten sich die Frauen daran, eine Projektskizze für 2019 zu zeichnen. Denn in diesem Jahr stand in Bonn, dem Sitz des FNF, ein besonderes Jubiläum an: der 70. Jahrestag der Namensgebung des Bertha-von-Suttner-Platzes, einem der zentralen Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Im August 1949 hatte der Bonner Stadtrat – gegen einige Widerstände – entschieden, den neu geschaffenen Platz an der Bonner Rheinbrücke, nach dem Krieg ein Trümmerfeld, nach der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin zu benennen. Dieses der Öffentlichkeit völlig unbekannte Jubiläum wollten wir nicht ungenutzt verstreichen lassen! Und so wurden bereits im Herbst 2018 Gespräche mit dem Stadtarchiv und den Stadtwerken Bonn und später auch mit dem Presseamt der Stadt geführt. Mit erfreulichem Ergebnis: Alle Institutionen zeigten sich gerne bereit, das Projekt zu unterstützen. So konnten die Planungen weitergehen.

Starke KooperationspartnerInnen
Den Kern des Organisationsteams bildeten die FNF-Geschäftsstelle sowie die „Bertha-AG“, eine bereits seit mehreren Jahren aktive Arbeitsgruppe, die sich innerhalb des FNF um die Erinnerungsarbeit an Bertha von Suttner kümmert. Zentraler Bezugspunkt dieser Arbeit ist die Bertha-Stele, die das FNF 2013 am Bertha-von-Suttner-Platz errichtete und die sich einreiht in eine ganze Reihe von Unternehmungen, die das FNF seit 2005 zu Ehren Bertha von Suttners organisiert, darunter Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen oder das E-Learning-Projekt „Lernen mit Bertha“. Für das Großprojekt „Bertha-Bahn“ bekam das FNF nun zusätzlich einen starken Kooperationspartner: Das Netzwerk Friedenskooperative, ebenfalls mit Sitz in Bonn, schloss sich Anfang 2019 an und steuerte im Projektverlauf insbesondere in puncto Veranstaltungsorganisation, Öffentlichkeitsarbeit und Social Media wichtige Impulse und Ressourcen bei.

Der Projektrahmen
Höhepunkt des Projektes sollte die Erstfahrt der Bertha-Bahn am 21.09. werden, als Beitrag zu den Bonner Friedenstagen, die jährlich koordiniert von der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung rund um den Internationalen Friedenstag der Vereinten Nationen stattfinden. Darüber hinaus wurden weitere Programmpunkte geplant, um die Erinnerung an Bertha von Suttner den ganzen Sommer über an verschiedenen Orten in der Stadt zu platzieren: eine Auftaktveranstaltung im Juni an der Bertha-Stele mit Enthüllung einer durch die Projektgruppe gestalteten Schautafel auf der Verkehrsinsel am Bertha-von-Suttner-Platz, begleitend eine Schaufensteraktion in anliegenden Geschäften mit historischen Ruinen-Fotos des Platzes, im August die Eröffnung der Ausstellung „Bertha von Suttner – ein Leben für den Frieden“ im Stadthaus Bonn mit einem Quiz zur Ausstellung, ebenfalls im August die Vorführung des Bertha-von-Suttner-Films „Herz der Welt“ im Rahmen einer friedenspolitischen Filmreihe der Bonner DFG-VK-Gruppe sowie im Oktober der Vortrag „130 Jahre Die Waffen nieder“ der Historikerin Alma Hannig in der Volkshochschule Bonn. So waren Bertha von Suttner und das Jubiläum des Bertha-Platzes schon vor der ersten Fahrt der Bertha-Bahn vielfach präsent in der Stadt.

Finanzierung und Fundraising
Die Projektkosten beliefen sich auf insgesamt ca. 12.000 Euro, davon wurden ca. 10.000 Euro für die Herstellung der Folie, die Bedruckung der Bahn sowie die spätere Entfernung der Folie benötigt. Eine Summe, die wir aus unseren Vereinsbudgets keinesfalls bestreiten konnten. Zur Finanzierung setzten wir auf zwei Wege: Sponsoring und Spenden. Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen, die mindestens 1.000 Euro beisteuerten, wurden als SponsorInnen genannt und mit Logo oder Namen auf der Bahn platziert. So gelang es uns, einen Großteil der benötigten Summe innerhalb weniger Monate aufzutreiben. Und auch nach Projektende ging das Fundraising erfolgreich weiter: Mittlerweile ist das Projekt für 2019 vollständig gegenfinanziert. Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich den vielen großzügigen SpenderInnen und SponsorInnen: der Bertha-von-Suttner-Stiftung, der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, dem Konsortium Ziviler Friedensdienst, UN Women Nationales Komitee Deutschland, Sibylle Böhler Familiengesundheitspflege, Brunhilde Hoffmann und Familie Schütz. Ein besonderer Dank geht an die Stadtwerke Bonn (SWB), die das Projekt nicht nur ideell unterstützten, sondern auch auf die sonst üblichen Werbeeinnahmen verzichteten. Darüber hinaus bekamen wir tolle Unterstützung durch den Heimstatt e. V. – Jugendzentrum St. Cassius und Jugendmigrationsdienst, in dessen Räumlichkeiten wir den Empfang zur Erstfahrt unentgeltlich ausrichten durften.

Design und Öffentlichkeitsarbeit
Ein Grundstein dieses (Fundraising-)Erfolgs war sicher das Design der Bahn, für das wir viel Lob bekamen und das bei vielen Menschen, auch außerhalb Bonns, immer noch für Begeisterung sorgt. Verantwortlich dafür zeichnet der Layouter Frans Valenta, der das Design gemeinschaftlich mit der Projektgruppe entwickelte. Begleitend dazu wurden ein Projektflyer entworfen und die URL www.bertha-bahn.de eingerichtet. Auf den Websites und Social-Media-Kanälen der Friedenskooperative und des FNF hielten wir die Öffentlichkeit über die Fortschritte des Projekts auf dem Laufenden. Dort sind auch Soundfiles mit gesprochenen Texten Bertha von Suttners abrufbar, die das Netzwerk Friedenskooperative entwickelte. Darüber hinaus berichteten mehrere lokale Medien, darunter der Bonner Generalanzeiger und die Medienwerkstatt Bonn, über das Projekt. Zur Eröffnung der Bertha-Ausstellung im Bonner Stadthaus war sogar die WDR Lokalzeit vor Ort. Das Publik Forum veröffentlichte einen Beitrag in seiner Oktober-Ausgabe. Und auch internationale Netzwerke, so z.B. das International Network of Museums for Peace (INMP) und die International Alliance of Women (IAW), griffen das Projekt in ihren Medien auf. Ein „Lockvogel“ für das Medieninteresse war nicht zuletzt Margie Kinsky, eine bekannte Kabarettistin aus Bonn und Nachfahrin Bertha von Suttners, die sich gerne bereit erklärte, am 21.09.2019 die Bertha-Bahn mit uns zu taufen.

Projektfortsetzung in 2020
Die Bertha-Bahn fährt nun seit September auf den Straßenbahnlinien 61 und 62 durch Bonn. Das tut sie für genau ein Jahr – voraussichtlich bis Sonntag, den 20.09.2020. An diesem Tag wollen wir, wieder im Rahmen der Bonner Friedenstage, die Letztfahrt der Bahn mit einer Sonderfahrt und einem kulturell-politischen Friedensprogramm in der Bahn feiern. Im Laufe des Jahres 2020 soll die Bahn außerdem zu besonderen Anlässen in Aktionen einbezogen werden, so z.B. im Juni zum Geburtstag Bertha von Suttners.

Die Bertha-Bahn – Inspiration auch für andere Städte?
Wir waren manchmal selbst überrascht, wie positiv das Projekt aufgenommen wurde – trotz oder gerade wegen seiner pazifistischen Botschaft. Angefangen von den städtischen PartnerInnen über die SpenderInnen und SponsorInnen und die lokalen Medien bis hin zu Menschen und Organisationen außerhalb Bonns, die sich so etwas auch für ihre Städte wünschten. Als Erfolgsfaktoren konnten wir identifizieren:

  • eine engagierte Projektgruppe, die durch das positive Feedback von außen immer weiter motiviert und zu neuen Ideen inspiriert wurde
  • ein optisch ansprechendes Design und eine kreative Idee, die SpenderInnen und SponsorInnen davon überzeugten, das Projekt zu unterstützen
  • kooperative UnterstützerInnen, allen voran die Stadtwerke Bonn, die sich von Anfang an aufgeschlossen für unsere Ideen zeigten
  • die Nachhaltigkeit des Projekts, das nicht nur auf eine einmalige Aktion, sondern auf ein vielfältiges, informatives Rahmenprogramm setzte
  • die lokale Anbindung an den Bertha-von-Suttner-Platz, dessen Hintergründe in der Stadt kaum bekannt waren und die in der Bevölkerung Neugier auslöste
  • eine historische Person im Mittelpunkt des Ganzen, die bis heute mit ihrem Werk und ihrem Leben Faszination auslöst
  • und schließlich die Bereitschaft zweier Organisationen, sich diesem Projekt mehrere Monate lang zu widmen.

Mit diesem Projektbericht möchten wir dazu anregen, ähnliche Projekte auch in anderen Städten auszuprobieren. Ihr habt eine Friedenspersönlichkeit, nach der in eurer Stadt ein Platz, eine Straße, eine Schule benannt ist? Es steht gerade ein passendes Jubiläum oder ein Jahrestag vor der Tür? Ihr habt eine Gruppe von engagierten Menschen, die Lust auf ein solches Projekt haben? Dann nur zu – es ist machbar, auch für kleinere Vereine! Wir würden uns sehr freuen, wenn auch in anderen Städten bald Rosa (Luxemburg)-Bahnen, Sophie (Scholl)-Busse oder Nelson (Mandela)-Trams fahren würden. Gerne teilen wir unsere Erfahrungen mit euch und freuen uns auch über Berichte über ähnliche bereits existierende oder geplante Projekte weltweit.
Mehr Informationen zum Projekt und unsere Kontaktdaten unter www.bertha-bahn.de.

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Mitglied des Vorstands im Bund für Soziale Verteidigung e.V., Geschäftsführerin beim Frauennetzwerk für Frieden e.V. und Referentin für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung e.V.