Wie Frauen das Gesicht der Bundeswehr (nicht) verändert haben

Eine erfolgreiche Integration?

von Kathrin Vogler

Sollen auch Frauen als bewaffnete Soldatinnen in der Bundeswehr dienen? Diese Frage erregte jahrzehntelang auf allen politischen Seiten die Gemüter und war insbesondere zwischen Feministinnen und PazifistInnen heftigst umstritten. In einem Urteil im Januar 2000 kritisierte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg den Artikel 12a, Abs. 4, Satz 2 des Grundgesetzes, der Frauen den bewaffneten Dienst in den Streitkräften ausdrücklich verbot. Das Gerichtsurteil war die Grundlage, auf der das Grundgesetz geändert wurde, wonach Anfang 2001 die ersten freiwilligen Frauen in die Kampfeinheiten der Bundeswehr einrückten - zuvor waren sie lediglich im Sanitätsdienst (seit 1975) und in der Zivilverwaltung vertreten.

Seit 2004 existiert das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz, das unter anderem die Wahl von Gleichstellungsbeauftragten und einen jeweils vier Jahre umfassenden Gleichstellungsplan regelt. Das Gesetz sieht vor, dass Frauen bis zu einer Quote von 15% in den Kampf- und 50% in den Sanitätseinheiten bevorzugt eingestellt und befördert werden sollen. Derzeit gibt es ungefähr 11.380 Zeit- und Berufssoldatinnen, das entspricht einem Anteil von etwa 6%.

Wehrbeauftragter Wilfried Penner (SPD) geht davon aus, dass die Integration von Frauen in die Bundeswehr erfolgreich verlaufen ist. (Quelle: http://www.bundeswehr.de), die Bundeswehr schwärmt auf ihrer Website von den Vorzügen der Soldatinnen: "Die Erfahrungen aus der Truppe belegen eine problemlose Aufnahme und Akzeptanz der Frauen. (...) Frauen legen großen Wert darauf, wie ihre männlichen Kameraden behandelt zu werden." In Friedens- und Frauengruppen hat sich seit dem EU-GH-Urteil erstaunliches Schweigen um das Thema breit gemacht.

War die Öffnung der Kampfdienste für Frauen nun das, als was sie uns die BefürworterInnen zu verkaufen suchten, nämlich ein Schritt vorwärts zu mehr Gleichberechtigung und Berufsfreiheit für Frauen? Oder hatten die KritikerInnen Recht, die darin eine weitere Militarisierungsmaßnahme der Gesellschaft und einen ersten Schritt zu einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen sahen und argwöhnten, die Frauen seien die Lückenbüßerinnen für zunehmend militärunwillige Männer?

So schrieb z.B. der Bundesausschuss Friedensratschlag in einer Erklärung am 30.1.2003:

"Wir wollen nicht, dass in diesem Land noch mehr Menschen zum Töten ausgebildet werden. Es ist keine Gleichberechtigung und keine Gleichstellung, wenn Frauen auf Kommando von anderen töten müssen. Das Wort "Dienst" sagt aus, wie weit den Frauen eine verantwortliche Position zugebilligt wird. Außerdem fehlt uns das Verständnis dafür, dass es z.B. für Frauen in den USA ein "Fortschritt" gewesen sein soll, sich an den Kriegen in Korea, Vietnam, El Salvador, Grenada, auf den Philippinen und am Golf beteiligt zu haben."

Die PDS-Abgeordnete Christina Schenk kritisierte diese Haltung scharf: "Solange es Armeen gibt, gibt es keinerlei Rechtfertigung, Frauen den Zugang zu verwehren. Schließlich wird ja auch nicht gefordert, Frauen sollte es verboten werden, BILD-Journalistin, Managerin beim IWF oder Polizistin zu werden - allesamt potentiell im eigentlichen Wortsinn "mörderische" Tätigkeiten. Offenbar akzeptieren einige Linke (und auch einige Feministinnen) das Selbstbestimmungsrecht von Frauen nur, wenn es ihnen politisch in den Kram passt.

Wenn von Frauen generell erwartet wird, sie sollten sich andere Berufsfelder suchen als ausgerechnet die militärischen, werden sie als Subjekte mit eigenen Anschauungen, Willensbildungen und Entscheidungen nicht mehr wahrgenommen. Vielfach werden Frauen noch immer als Andere, von Männern durch Friedfertigkeit und Friedensliebe unterscheidbar, als Projektionsfläche für das Gute oder doch wenigstens das Bessere angesehen." (Christina Schenk "Der alte Zopf ist ab", in femina politica, Heft 1/2000)

Warum hat sich die Linke in diesem Land damals so schwer damit getan, eine gemeinsame und schlüssige Position zur Frage des Bundeswehrdienstes von Frauen zu finden? Wenn man sich aus der Distanz der vergangenen Jahre die damaligen Argumente neu ansieht, wird klarer denn je, dass unterschiedliche Dinge miteinander vermischt wurden: die Frage nach dem Sinn der Bundeswehr mit der Frage nach den Rollen, die Frauen in dieser Gesellschaft spielen. Heute, fünf Jahre später, können wir ein differenzierteres Bild zeichnen. Wenn wir die Bundeswehr im Jahr 2005 kritisch betrachten, stellen wir fest, dass sich keine der damaligen Prämissen bewahrheitet hat. Weder gab und gibt es einen Run junger Frauen auf die Bundeswehr, der die Rückgänge in den Jahrgangsstärken der Männer hätte ausgleichen können, wie noch in den 1980er Jahren von der Langzeit-Kommission zur Bundeswehrplanung erwartet, noch kam es nachweisbar zu massivem Auftreten sexualisierter Gewalt in der Männerinstitution Bundeswehr. Diese kommt in signifikanten Zahlen vor, wie die Jahresberichte des Wehrbeauftragten belegen. Leider wird dort nicht nach Männern und Frauen spezifiziert, aber in den Beispielen des Jahres 2004 findet sich nur ein Hinweis auf eine Frau als "Täterin", deren Verfehlung darin bestand, einen Untergebenen "Schatzi" zu nennen. Die aufgeführten Beispiele von Übergriffen männlicher auf weibliche oder andere männliche Soldaten sind jeweils deutlich drastischer.

Möglicherweise bilden die Frauen einen Gegenpol zu den häufig beklagten intellektuellen und qualifikatorischen Defiziten mancher männlicher Bewerber: "Der größte Teil der Frauen ist sehr gut qualifiziert und hat realistische Vorstellungen von dem soldatischen Beruf. Sie zeichnen sich aus durch hohe Motivation, großen Ehrgeiz und ausgeprägte Leistungsbereitschaft." (http://www.bundeswehr.de). Sie stellen damit für künftige Bundeswehreinsätze das zuverlässige und hoch qualifizierte Personal einer Politik, die deutsche Interessen weltweit militärisch durchsetzen will. Allerdings unterscheidet sich dies nicht von der Rolle, die ihre männlichen Kollegen spielen. Wenn wir realistisch die politische Entwicklung der letzten Jahre betrachten, wird deutlich, dass die Bundeswehr auf alle Fälle zur Interventionsarmee mit der Lizenz zum Töten umgebaut worden wäre - ob mit 100% männlichen Soldaten oder mit 94%.

In der Öffentlichkeit herrscht, bis auf die korrekte Anrede der "Soldatinnen und Soldaten" bei Festreden und Pressekonferenzen, noch immer das Bild des männlichen Kämpfers in Uniform vor. Frauen tauchen in den Medien eher in der Rolle des Opfers und der Unterstützerin männlicher Soldaten auf - sogar wenn sie selbst den Streitkräften angehören. Das Image der schutzbedürftigen Frau ist Kernelement von Kriegspropaganda und militärischen (Des-)Informationsstrategien, wie Elvira Claßen am Beispiel der Gefreiten Jessica Lynch beschreibt, die von einer Kommandoeinheit am 2. April 2003 medienwirksam aus einem irakischen Krankenhaus "befreit" wurde, in dem sich keine irakischen Einheiten aufhielten (E. Claßen, Informationsmacht oder -ohnmacht, die Instrumentalisierung von Genderstrukturen im Krieg, Minden 2004, S. 16). Dies ist es, was uns auch in Deutschland in künftigen Kriegen unter Beteiligung der Bundeswehr ins Haus steht - die medienwirksame Inszenierung von "modernen" Frauen in traditionellen Frauenrollen zur Erzeugung und Verfestigung von Feindbildern und Hassreflexen.

Der Einzug von Frauen in die Kampfeinheiten hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Frage nach der Wehrpflicht, ihrer Abschaffung oder der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für beide Geschlechter. Die Debatte darum ist vielmehr in den letzten fünf Jahren nicht einen Schritt vorangekommen.

Ebenso wenig hat die Öffnung der Bundeswehr einen deutlichen Beitrag zur rechtlichen, ökonomischen und sozialen Gleichstellung der Geschlechter geleistet. Nach wie vor sind Frauen vor allem in Berufen mit niedrigen Einkommenschancen deutlich überrepräsentiert, besetzen sie unterdurchschnittlich oft Führungspositionen und sind auf den obersten Ebenen etwa von Unternehmen und Hochschulen noch weniger präsent als in den Kampfverbänden der Bundeswehr.

In Wirklichkeit haben die Soldatinnen die Bundeswehr nicht messbar verändert. Viel deutlicher verändert wurde die Bundeswehr durch jene Politikerinnen, die ihrem Umbau zur Interventionsarmee und ihren Einsätzen von Somalia bis Afghanistan zugestimmt haben. Auch dies ein Beispiel dafür, dass Frauen nicht per se die friedlichere Hälfte des Menschengeschlechts sind.

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