Eine Kultur des Friedens schaffen

von Simone Hilgers-Bach

Journalisten und Konfliktforscher suchen gemeinsam Vorbilder für den Frieden und machen erfolgreiche Friedensarbeit bekannt. "Peace Counts" heißt das einzigartige Projekt eines Netzwerks von Autoren, Fotografen, Friedensforschern und Pädagogen.

Wenn in Jerusalem wieder eine Bombe explodiert, erfährt alle Welt davon. Die Fernsehsender zeigen zerfetzte Autos und Häuser, Blutspuren am Boden, weinende Menschen, mit Tüchern abgedeckte Tragen. "Ein palästinensischer Selbstmordattentäter hat heute sieben Menschen in den Tod gerissen", heißt es dann etwa, und weiter geht es mit der nächsten Meldung.

Ähnlich ist es mit Krisengebieten in aller Welt: Über das Leben jenseits von Krieg und Terror, über den Wiederaufbau und die Friedensarbeit wird kaum berichtet. Ob in Israel, Nordirland, Kolumbien, Mali oder Sri Lanka: Überall gibt es Menschen, die sich für den Frieden einsetzen in ihrem zerrissenen Land. Und zwar mit Erfolg. Sie sind es, die im Fokus eines einzigartigen Projekts stehen, das weltweit Vorbilder für den Frieden sucht. "Peace Counts", "Frieden zählt", heißt das globale und interdisziplinäre Projekt, bei dem Fotografen, Autoren und Konfliktforscher gemeinsam die Arbeit erfolgreicher Friedensstifter bekannt machen.

Die Idee dieser Friedensberichterstattung ist zunächst einfach, auf den zweiten Blick sehr komplex: Wenn engagierte Multiplikatoren weltweit Erfolgsgeschichten des Friedens sammeln, dann erwächst daraus ein Kreis erfolgreicher Friedensarbeiter, der untereinander vernetzt wird, aus dem neue Projekte erwachsen, bei dem einer vom anderen erfolgreiche Strategien übernehmen kann. "Es lohnt sich, eine Kultur des Friedens weiter zu entwickeln!", ist die tiefe Überzeugung von "Peace Counts"-Koordinator Michael Gleich. Der deutsche Journalist und Publizist hat das Projekt angestoßen und gemeinsam mit der Reportage-Agentur Zeitenspiegel zu dem gemacht, was es heute ist: die umfassendste und ergreifendste Sammlung von Antworten auf die Frage: Wie macht man eigentlich Frieden?

Beeindruckende Bilder und einfühlsame Texte erzählen da etwa die Geschichte des Benediktinerabts Benedikt Lindemann, der auf der Demarkationslinie zwischen Ost- und Westjerusalem lebt, betet und arbeitet: Er und seine Brüder bilden die kleinste und ungewöhnlichste Friedensbewegung des Nahen Ostens. Oder die Geschichten aus Rio de Janeiro, wo direkt hinter den Traumstränden der Krieg beginnt - und es dennoch Menschen gibt, die den Traum vom Frieden nicht aufgeben.

"Die Kernfrage von Peace Counts ist: Was muss getan werden, um langfristig Gewaltkonflikten und Terroranschlägen vorzubeugen?", erklärt Michael Gleich. Für die Antworten reisen er, die Zeitenspiegel-Kollegen und viele andere Journalisten um die Welt. In Magazinen, Büchern, Hörfunk, Fernsehen und Internet werden die von ihnen gesammelten Beispiele erfolgreicher Friedensstifter bekannt gemacht. Auch Lehrmaterialien für Schulen hat "Peace Counts" mittlerweile mitproduziert. Hinzu kamen Foren, bei denen Friedensstifter von ihrer Arbeit berichten und mit Multiplikatoren aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Kultur diskutieren. Eine Ausstellung ausgewählter Reportage-Bildern reist zurzeit durch Deutschland und bald um die ganze Welt - auch zurück an jene Orte, wo die Friedensstifter ihre Arbeit tun - als Dank und Feedback.

Finanziell unterstützt wird "Peace Counts" vom Auswärtigen Amt, Partner sind das Bonn International Center für Conversion (BICC), die UNESCO, die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit und das Institut für Friedenspädagogik in Tübingen.

"Frieden zahlt sich aus!" ist die gemeinsame Erkenntnis der "Peace Counts"-Engagierten aus vielen Recherchereisen und Gesprächen - durchaus auch wirtschaftlich: Denn in den modernen Bürgerkriegen spart jeder friedliche Tag Frieden (im Vergleich zu den Kriegskosten) 25 Millionen Dollar. Und noch eine Überzeugung haben sie im Laufe der Zeit gewonnen: "Frieden ist die eigentliche Sensation, über die es zu berichten lohnt - nicht der Krieg!"

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Simone Hilgers-Bach ist freie Journalistin in Stuttgart und engagiert sich im Peace-Counts-Projekt.