Nordhorn-Range:

Eine lange Geschichte

von Ursula Revermann

Die militärische Geschichte des jetzigen Luft-Boden-Schießplatzes Nordhorn-Range, im Volksmund der Bombenabwurfplatz Klausheide genannt, begann im Jahr 1933. In jenem Jahr überließ Krupp von Bohlen und Halbach das 2200 ha große Heidegelände der Deutschen Wehrmacht.

1945 beschlagnahmte die Royal Air Force (RAF) das Gelände und benutzte es bis 2001 als Bombenabwurfplatz. Sie gab diesem Gelände den Namen Nordhorn-Range.

Zwar wurde das Besatzungsstatut 1952 aufgehoben, doch der Platz blieb als Altinanspruchnahme unter britischer Verwaltung. Seit 1952 besteht ein völkerrechtliches Überlassungsverhältnis (aufgrund des Zusatzabkommens zum NATO-Statut), wonach den britischen Streitkräften der Platz für die Dauer der militärischen Notwendigkeit zu überlassen ist. Diese Nutzung läuft bis heute unter dem Spruch: ‚Landesverteidigung muss gesichert sein’. Hausherren dieses Platzes waren die britischen Streitkräfte, doch auch andere NATO-Verbündete und die Bundeswehr waren die Nutzer.

Im Laufe der Zeit verstärkten sich der Flugbetrieb und die Gefahren. Fehlwürfe, Abstürze und Lärmbelästigung nahmen gefährliche Ausmaße an, so dass die Bevölkerung sich zu wehren begann.

Der Widerstand begann
In den sechziger Jahren versuchten die Landkreise Grafschaft Bentheim, Lingen, Meppen, vor allem die Stadt Nordhorn zum ersten Mal eine Verlegung des Kriegsübungsplatzes zu erreichen. Erfolglos!

1971 begannen die großen Proteste und die Forderung nach Aufhebung des Platzes. Später wurden Prozesse gegen einige Platzbesetzer und Demonstranten geführt. Sie verliefen zumeist im Sande. Doch sie hatten einen Einschüchterungseffekt. Politik und Bevölkerung waren und sind gespalten. Die „Notgemeinschaft-Nordhorn-Range-muss-weg“ wurde gebildet und fordert bis heute nur eine Verlegung, keine ersatzlose Streichung von Nordhorn-Range, militärische Belange werden nicht infrage gestellt. Die Friedensfrage oder Verlagerung spaltet und schwächt den Widerstand bis heute.

Doch in einer Frage ist man sich einig: Nordhorn-Range muss weg!

1973 wurde eine Verlagerung in das Ramsloher Moor durch den Widerstand der dortigen Bevölkerung verhindert.

1985 wurden die Bewohner der Erdbrandsiedlung, die der 2. Weltkrieg nach Lohne verschlagen hatte, wegen des Lärmterrors und der Fehlwürfe umgesiedelt. Kosten: mehrere Millionen DM.

1988 erfolgte die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Lingen. Damit liegt der Bombenabwurfplatz mittlerweile inmitten von acht kerntechnischen Anlagen und wird von weiteren acht störanfälligen Anlagen eingekreist, befindet sich also in einem atomaren Dreieck von Lingen – Gronau - Almelo.

Der Platz muss weg
1988 wurde die Notgemeinschaft auf Initiative des Arbeitskreises Frieden, Nordhorn, wiederbelebt. Man ist sich einig: Der Platz muss weg. 1990 führten Bürgeranträge in Schüttorf und Nordhorn zu gemeinschaftlichen Klagen gegen die Nutzung des Bombenabwurfplatzes. Kommunen und das Land Niedersachsen schlossen sich an. Diese Klage wird viele Jahre liegengelassen, bis sie im Jahr 1998 schließlich abgelehnt wird.

Dann fassen Bundesrat und Bundestag den Beschluss zur Aufhebung von Nordhorn-Range. Das Militär ist dagegen. Der Platz bleibt. In jedem Aufruf zum Internationalen Frauentag fordert das Nordhorner Frauenbündnis: Hier nicht und auch nicht anderswo. Kleine Erfolge, wie Lärmschutzfenster, Mittagsruhe und Flugpausen in den Ferien werden zugebilligt, und als Erfolge der Notgemeinschaft verbucht.

1992 war ein Sommer der Platzbesetzungen. Die Bevölkerung will den Platz endlich weg haben. Doch die Demonstranten werden von einem Düsenjet beschossen. Damit ist diese Art des Widerstandes erstmal gebrochen. Zufälligerweise waren auch Medien bei dieser Platzbesetzung, und die Fotos gingen durch die Presse. Prozesse gegen einige Platzbesetzer wegen Hausfriedensbruch und Nötigung wurden später eingestellt mit der Androhung, bei Wiederholung wäre nicht mit einer Einstellung zu rechnen.

Die Friedensbewegung vernetzt sich
Inzwischen wird die Möglichkeit einer Platzverlegung in die Kyritz-Ruppiner-Heide bei Wittstock entdeckt. Der Streit um Verlegung oder ersatzlose Streichung geht erneut los, sprengt die Einigkeit und vergeudet die Kräfte. Die Satzung des Vereins der Notgemeinschaft wird hervorgeholt und es fehlt das Wörtchen „ersatzlos“. Der Arbeitskreis Frieden, Nordhorn, der sich 1981 gebildet hat, sucht und findet Kontakt zu der BI “Freie Heide“ über einen Artikel im Friedensforum. Man lernt sich kennen im Kreishaus in Nordhorn und lässt sich seitdem nicht mehr gegeneinander ausspielen.

Gemeinsame Veranstaltungen werden durchgeführt. Schöne Freundschaften entstehen mit den Mitgliedern der „Freien Heide“ und der „Pro Heide“. Der Widerstand gegen das geplante Bombodrom bei Wittstock wächst, und rundherum in den Orten werden Zeichen davon gesetzt. So kommt die Idee auf, auch in Nordhorn ein Zeichen des gemeinsamen Widerstandes zu setzen.

1997 schenkt die BI „Freie Heide“ der Stadt Nordhorn, aber vor allem den Menschen, die eine Verlagerung nicht wollen, aus Gründen der Solidarität eine Mahnsäule. Hier nicht und auch nicht anderswo, ist und bleibt die Devise. Die Mahnsäule ist eine beeindruckende Holzskulptur mit der Aufschrift „Rüstung tötet auch ohne Krieg“. Dieser Ausspruch von Dorothee Sölle erregt einige Stadtratsmitglieder. Die zuvor gegebene Zusage wird zurückgezogen, und die Mahnsäule bekommt ein so genanntes „Kirchenasyl“ mitten in der Stadt Nordhorn. Nach18 Monaten mit vielen Diskussionen und Unterstützung vieler darf die Mahnsäule ihren zugesagten Platz beziehen. Ein Baumstamm versinnbildlicht die drei Bombenabwurfplätze Wittstock, Nordhorn und Siegenburg, im unteren Teil des Stammes hält eine Frau schützend ihr Kind an sich gepresst, auf der hinteren Seite reißt ein Mensch hilflos die Arme hoch.

2001: Der Vorstand der Notgemeinschaft sagt angekündigte Demonstrationen ab.

Lange Zeit setzen Politiker, Kommunen und Notgemeinschaft auf Verlagerung in die Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock. Die Forderung nach Gleichbehandlung wird erhoben. Schluss mit Lärm und Bomben. Der Lärm steht im Vordergrund.

Die Briten übertragen den Bombenabwurfplatz an die Bundeswehr und die RAF zieht ab, auch das Wohnquartier wird geräumt. Ein Baum wird von den Briten bei der Verabschiedung auf den Büchereiplatz, Nordhorn, gepflanzt, ohne Öffentlichkeit, zur Erinnerung an die Freundschaft mit der RAF.

Die Situation heute
2010 wird von den Kreisen und Kommunen eine Klage auf Gleichbehandlung mit den inzwischen verhinderten Luft-Boden-Schießplatz Wittstock (das so genannte Bombodrom) eingereicht; die Klage wird aber abgewiesen. Die Begründung des Gerichts ist, dass die Kläger gleich zum Zeitpunkt der Übernahme des Platzes durch die Bundeswehr ihre Einwände hätten vorbringen müssen.

Die geschenkte Mahnsäule hat sich trotz guter Pflege auch von Seiten der Stadt Nordhorn nicht gut gehalten und musste 2010 ersetzt werden. Wieder hat der Holzbildhauer Wolfgang Dicks, ohne irgendeine finanzielle Vergütung, eine Mahnsäule gearbeitet, und dank der Unterstützung vieler seiner MitstreiterInnen steht diese nun in Nordhorn. Namentlich möchten wir Wolfgang Dicks für seine hervorragenden, künstlerischen Arbeiten und Rainer Kühn sowie Kirsten und Uwe Tackmann danken, ohne deren Hilfe es uns nicht gelungen wäre, hier in Nordhorn eine zweite Mahnsäule gegen diesen Kriegsvorbereitungsplatz aufzustellen. Diesmal trägt die Säule nur zwei Äste, nämlich Siegenburg und Nordhorn, denn der  Kriegsübungsplatz Wittstock ist endgültig verhindert worden. Wir freuen uns über diesen Erfolg. Ihre Strategie war die Richtige: „Hier nicht  und auch nicht anderswo“. Was man selber nicht haben will, kann man niemandem zumuten.

Jüngst ist der Widerstand in Nordhorn wieder stärker aufgeflammt durch die Ereignisse in Japan, und zusätzlich aufgrund des Ausbaus des ehemaligen Flughafens Twente im Nachbarland Niederlande. Militärischer Gebrauch und verstärkter Lärm werden befürchtet. Die Infrastruktur des Luft-Boden-Schießplatzes Nordhorn-Range wird bis jetzt immer noch weiter ausgebaut, ein Neubau der Feuerwache wurde in Betrieb genommen, und ein neues Wachgebäude ist geplant. Also erneut drei Millionen Euro vergeudet. Eurofighter und der neue Flugzeugtyp Typ „ Typhoon“ erproben ihre Zielanflugverfahren. Der Lärm und die Gefährdung haben wieder zugenommen. Eine neue Klage wird erwogen. Der Arbeitskreis Frieden, Nordhorn, braucht Unterstützung und sieht die Zunahme der Flugübungen in Zusammenhang mit der aktuellen Politik, und nicht verursacht durch die Nichtinbetriebnahme des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock in der Kyritz-Ruppiner-Heide, wie manche behaupten. Doch eines haben wir von den Wittstockern gelernt: Widerstand muss Spaß machen.

Wir müssen weiterhin global denken und lokal handeln.  Leben braucht Frieden.

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Ursula Revermann ist Mitglied im „Arbeitskreis, Frieden, Nordhorn“, 48531 Nordhorn, Zedernstr. 3. Tel.:05921/37585, und im Beirat der „Notgemeinschaft-Nordhorn-Range-muss-weg!“ www.nordhorn-range-muss-weg.de