Eine Moschee in Aachen

von Matthias Dohmen
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Es gilt, einen Geburtstag zu feiern. Für die "Aachnener Nachrichten" wa­ren es "frohe Weihnachten aus Krähwinkel", die der Rat der Kaiser­stadt ausgerufen hatte. Das Blatt kam am 27. November 1993 zu dem Schluss, die kommunalen Größen hätten sich bei ihrer Mehrheitsent­scheidung gegen das Islam-Zentrum von "diffusen Ängsten vor einem islamisch-arabischen Fundamentalismus" leiten lassen. Gemeint war die mit den Stimmen von CDU und FDP, aber auch Teilen der SPD gefasste Ent­scheidung, einen sieben Jahre zuvor einstimmig verabschiede­ten Be­schluß wieder rückgängig zu machen, der den Neubau der Bilal-Mo­schee zum Inhalt hatte.

Die Bilal-Moschee, weithin sichtbar, ist ein Wahrzeichen Aachens. Das Bethaus ist nicht das einzige moslemische Zen­trum, wohl aber das größte, und es platzt seit Jahren aus allen Nähten. Viele Muslime müssen beim Freitagsgebet draußen stehen, weil sie nicht mehr in das Gebäude hineinpassen. Was lag also näher als der Gedanke, sich räumlich zu erweitern?

Der Hauptvorwurf der Anti-Neubau-Koalition ging dahin, in der Moschee hätten sich Fundamentalisten ver­schanzt. Aiman Mazyek, Referent für Öffentlichkeitsarbeit, hat das immer wieder entschieden zurückgewiesen. Er führt die nun 30jährige Existenz der Bilal-Moschee als Beweis für das fried­liche und kooperative Zusammenleben von Kulturen und Religionen an. Den radikalen Sinneswandel der Stadtväter und -mütter sieht er in einem anderen Zusammenhang.

Sicherlich müsse gesagt werden, daß in der Zwischenzeit auch vieles geschehen sei: "Stichwort: Golfkrieg, Stichwort: `Islam als Feindbild`, Stichwort: Aus­länderproblematik und dergleichen. Die Situation der Muslime in Deutschland ist doch recht schwierig geworden, die Entwicklungen haben sich leider ver­schlechtert", unterstrich Mazyek im WDR-Hörfunkmagazin "Aus Religion und Kirche".

Obwohl die Betreiber von ihren ur­sprünglichen, wohl etwas überdimen­sionierten Plänen rund die Hälfte wieder abstrichen (die neue Moschee sollte ur­sprünglich von ihrem Fassungsvermö­gen her mehr Menschen aufnehmen als der Aachener Dom), stützten sich die Gegner des Moschee-Projekts auf Vor­gänge wie den Besuch von Gulbudin Hekmatyar, Vorsitzender der Islami­schen Partei Afghanistans und glühen­der, blutrünsti­ger Anhänger des Heili­gen Kriegs gegen alle Ungläubigen, der allerdings zu einer Zeit in Aachen auf­tauchte, als er sich auf Einladung des Bundestages in Deutschland aufhielt und von einem Bonner Empfang zum nächsten gereicht wurde. Auch sollen eher fortschrittlich gesonnene Muslime, darunter politische Flüchtlinge aus dem Iran, dem Vorstand der Bilal-Moschee gegenüber reserviert aufgetreten und sogar von einem Teil ihrer Besucher be­droht worden sein. Schließlich wird dem Leiter der Mo­schee, Issam El-Attar, zur Last gelegt, in den 60er und 70er Jahren Mitglied der Moslem-Bruderschaft ge­wesen zu sein, einer militanten Organi­sation, die in Sy­rien den Diktator Assad bekämpft.

Vor allem ein Teil der Rathaus-Grünen bediente sich bei den Rundschlägen ge­gen die Bilal-Moslems eines etwas zweifelhaften Zeitgenossen. Der Islam­wissenschaftler Dr. Khalid Duran, deut­scher Staatsbürger mit Wohnsitz in den USA, hatte in der "Frankfurter Allge­meinen" sowie vor Ort in Aachen eine Linie gezogen von den Terroristen des "World Trade Center" zum Vorstand der Aachener Moschee. Schwere Vorwürfe, die nicht unbeantwortet blieben. Die Bilal-Leute gingen vor den Kadi - und be­kamen recht. Das Landgericht Aachen verurteilte Khalid Duran, der es vorzog, zum Verfahren persönlich erst gar nicht zu erscheinen, zu einem Schmerzens­geld in Höhe von 30.000 Mark und ei­nem Widerruf in der FAZ.

In der solcherart belasteten Atomsphäre haben es die Propheten der Versöhnung schwer. Der evangelische Pastor Joachim Rosenberg könnte sich die Unterstützung seiner Kirche, aber auch der katholischen Institutionen für den Dialog der Religionen um einiges nach­haltiger vorstellen. Die Moslems sind ja gar nicht so wie sie in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen werden, meint der streitbare Christ: "Die Muslime in Aa­chen signalisieren große Dialogbereit­schaft. Wir müssen die Offenheit, die Freundlichkeit, die Gastfreundschaft der Muslime annehmen. Wir werden dann sehr viel an Vorurteilen und Ängsten abbauen können."

Diese Auffassung stützt auch die Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen. Der interreligiöse Dialog habe sich anfangs "vorsichtig zurückhaltend" entwickelt, betonte der für Islam-Fragen zuständige Gert Jungbluth: "Seit etwa drei Jahren ist jedoch eine deutliche In­tensivierung der Dialogbereitschaft von Seiten der Leitung des Islamzentrums zu beobachten. Teilnahme an unseren Ta­gungen, gegenseitige Einladungen zum Gespräch, gute Wünsche zu christlichen Festen und das Bemühen, Informationen über den Stand der Auseinandersetzung mit dem Stadtrat über die Erweiterung des Zentrums an uns weiterzugeben, zeigen deutlich den Wunsch, die Zu­sammenarbeit mit den christlichen Dia­logpartnern zu intensivieren und zu ge­stalten." Die katholische Bischöfliche Akademie jedenfalls beantwortet dieses Angebot ihrerseits "mit großer Bereit­schaft zum sachlichen Dialog in religiö­sen und gesellschaftlichen Fragen".

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Matthias Dohmen ist freier Journalist und lebt in Wuppertal.