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Einfluss nehmen auf die Einflussreichen
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Wie Umfragen beweisen, ist die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen die Nutzung der Atomkraft. Auch wenn immer noch einige mit dem Argument, ohne Atomkraft "gingen bei uns die Lichter aus", in Angst versetzt werden können, ist das Gefühl der Unsicherheit gegenüber einer lebensgefährlichen Technologie doch zu groß, um mit Beteuerungen über "größtmögliche Sicherheit" beruhigt zu werden. Bis heute hat uns schließlich noch keiner eine Antwort darauf geben können, wie man die riesigen atomverseuchten Flächen in Sibirien wieder nutzbar machen kann, und wer für die nächsten hunderttausend Jahre den strahlenden Müll bewachen wird.
Was aber wird auf politischer Ebene getan, um den Wunsch nach Ablösung der Atomkraft durch umweltfreundliche Energieerzeugung zu erfüllen? Ganz offenkundig ist hier die falsche Adresse für solche Anliegen. Die Ausstiegsforderungen treffen bei PolitikerInnen auf taube Ohren. Was also bleibt?
Die Gruppen und Bürgerinitiativen an speziellen Atomstandorten gehen einen anderen Weg. Ihre Arbeit besteht meist neben Aktionen, Demonstrationen und der ständigen Information der Öffentlichkeit darin, durch Einschalten der Justiz den Betrieb von Atomanlagen zu unterbinden. Abgesehen davon, daß damit meistens nur die Verzögerung, nicht aber die Aufgabe von solchen Vorhaben erreicht wird, geht dies natürlich auch nur deshalb oft so gut, weil Politik und Verwaltung mit den von ihnen selbst geschaffenen Verfahren stümperhaft umgehen.
Dagegen verdient der Erfolg der Bürgerproteste gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf eine genaue Betrachtung. Die Politiker, die mit großem Nachdruck die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Anlage propagierten, wurden von einem Tag auf den anderen in den Regen gestellt - und zwar von denjenigen, die eigentlich das größte Interesse an der Verwirklichung der Pläne haben mußten: von der Industrie. Nicht zuletzt durch die Proteste der Anwohner und Atomkraftgegner kam sie zu dem Schluss, daß außer Ärger hier nichts zu holen sei, und ließ die Pläne wie eine heiße Kartoffel fallen. Und die Politiker, die eben noch den Bundesgrenzschutz auf die Demonstranten jagten, drehten sich wie eine Wetterfahne und vergaßen die ganze Seifenblase.
Der Erfolg kam also indirekt über die Beeinflussung der Industrie zustande. Sie hat den wahren Einfluss darauf, welche Großtechnologien eingesetzt und gefördert werden. Einer der wichtigsten Vertreter der Atomindustrie in Deutschland ist die Siemens AG. Als einziger namhafter deutscher Hersteller von Atomkraftwerken besitzt sie zudem das deutsche Monopol in der Brennelementeherstellung, verkauft also zusätzlich zum Ofen auch noch die Kohlen. Zwar sind die Zeiten des Klassenwahlrechts vorbei, aber auch heute versteht die Großindustrie, ihre Interessen in der Politik zu wahren. Im konkreten Fall der Atomkraftwerke bedeutet dies für sie: Wenn wir schon soviel Geld und Kraft in die Entwicklung gesteckt haben, wollen wir auch eine gute Weile dran verdienen.
Also sollte man die Dinger einfach nicht mehr kaufen. Haben Sie schon mal auf den Kauf eines Atomkraftwerks der Firma Siemens verzichtet? Bitte nicht verzweifeln - es gibt einen anderen Weg. Die Siemens AG ist ein Konzern mit vielen Produktionsbereichen, und der Bereich Atomkraft macht im bilanzierten Umsatz nur knapp 3% aus. Weltweit gehört Siemens zu den größten Unternehmen der Elektrotechnik und Elektronik. Er gehört international zu den größten Herstellern von Haushaltsgeräten. Auch die Töchter OSRAM (Beleuchtungskörper), CONSTRUCTA (Haushaltsgeräte) und SIEMENS-NIXDORF-INFORMATlONSSYSTEME (EDV) sind bedeutende Geschäftsbereiche im Gesamtkonzern. Wenn nun auf diesen Gebieten ein Umsatzrückgang eintritt, und der Konzernleitung der Zusammenhang zwischen diesem Minus und den Atomgeschäften klargemacht wird, muß eine Reaktion erfolgen, sonst maulen die Aktionäre.
Kurz gesagt: Es ist eine Aktion zum Boykott von Siemens-Produkten angelaufen. Ziel ist wohlgemerkt nicht die wirtschaftliche Zerstörung der AG. Wir fordern von SIEMENS, das Atomgeschäft aufzugeben und alle seine Atombetriebe zu schließen: SIEMENS darf weder neue Atomkraftwerke planen, entwickeln oder bauen noch die Laufzeit bestehender Anlagen verlängern. Wir fordern, jede Verarbeitung von Uran und Plutonium zu beenden.
Dies soll dadurch erreicht werden, daß möglichst viele Menschen auf den Kauf von Siemens-Produkten verzichten, solange der Konzern Geschäfte mit Atomtechnik macht. Dies gilt übrigens nicht nur für Hausgeräte; die Organisation der "Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW)" hat ihre Mitglieder auch zum Boykott der medizinischen Technik aus dem Hause Siemens aufgerufen, ein Produktionsbereich, der wegen des Umfanges und der Öffentlichkeitswirkung besonders empfindlich reagieren dürfte.
Die Boykottkampagne ist so angelegt, daß viele Menschen sich daran beteiligen können. Durch die bewusste Entscheidung, keine Produkte der Firma Siemens mehr zu kaufen, kann man sich so täglich gegen die lebensbedrohende Atomtechnik zur Wehr setzen. Die Konzernleitung sollte von jeder einzelnen (Nicht-) Kaufentscheidung informiert werden. (SIEMENS AG, Wittelsbacherplatz 2, 80312 München; Fax: 089/234-4242).
Der Erfolg der Kampagne kann gefördert werden:
- durch eine offensive und breit angelegte Aufklärungsarbeit über die Atomgeschäfte von SIEMENS und deren Folgen für Menschen und Umwelt,
- durch die immer wieder an SIEMENS gerichtete Forderung, aus dem Atomgeschäft auszusteigen,
- durch öffentliche Aufrufe, so lange SIEMENS-Produkte zu boykottieren, bis der Konzern aus dem Atomgeschäft ausgestiegen ist.
Zu diesem Zweck haben sich mittlerweile mehr als 90 Initiativen und Gruppen aus der Anti-Atom- und Umweltbewegung, kirchliche und politische Organisationen, kritische Aktionärinnen und Aktionäre sowie Initiativen für intelligente Energienutzung im "Koordinationskreis SIEMENS-Kampagne" zusammengeschlossen. Der Koordinationskreis hat zahlreiche Materialien erarbeitet, mit denen Gruppen und Einzelpersonen die Boykottkampagne weitertragen und sich über die Hintergründe der Atomgeschäfte von Siemens informieren können.
Noch gibt sich Siemens gelassen. Aber in den USA gibt es bereits ein Vorbild für diesen Boykott: Der Konzern General Electric stellte seine Atomgeschäfte nach massiver Öffentlichkeitsarbeit und deutlichen Boykotterfolgen ein.