Einleitung zum Schwerpunkt "Islamischer Staat"

von Martin Singe

„Krieg gegen den Terror ist Terror – Krieg darf nicht die Antwort sein!“ Diese Slogans wurden nach 9/11 von der Friedensbewegung und nachdenklichen BürgerInnen als politische Forderungen erhoben, intelligenter auf Terror zu antworten, als mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen und dadurch immer neuen Terror heranzuzüchten. „Der Westen ist der ganz wesentliche Verursacher der sozialen Bedingungen, denen Terror und terroristische Gruppen entspringen. … die Länder mit der höchsten Terrorintensität … Irak, Afghanistan und Syrien sind zerstörte Gesellschaften aufgrund der Kriege gegen den Terrorismus, die von den USA ausgerufen und angeführt wurden und werden. Von Afrika bis Pakistan wird der Islam vom Westen dabei als verachtenswerter und gefährlicher Gegner dargestellt, weil es islamisch bestimmte Gesellschaften sind, die dort auf den Öl- und Gasressourcen sitzen, die der globale Kapitalismus für sich reklamiert.“ So Conrad Schuhler, Diplom-Volkswirt und Vorsitzender des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) in München.

Der Gewaltkreislauf kann nur durch intelligente Einsprüche und eine prinzipielle Umorientierung der Politik des Westens unterbrochen werden. Eine solche Politik müsste auf die eigentlichen und tieferen Ursachen des Terrors eingehen. Der islamistische Terror der Gegenwart, der sich jetzt auch direkt gegen europäische Staaten richtet, ist entstanden aus einem vielfältigen Bedingungsgefüge aus zerstörten Gesellschaften und sich ausgegrenzt und gedemütigt fühlenden Menschen ohne Perspektiven. Die Strategen des IS und anderer Terrorgruppen missbrauchen dabei den Islam, um ideologisch zu fanatisieren und politisch zu radikalisieren. Hinzu kommt, dass der Westen neben der Heranzüchtung von Terror durch seine Kriegsstrategien und kriegerische Regime-Changes diesen auch noch direkt befördert: Er setzt bestimmte Terrorgruppen - früher die Taliban, heute syrische Rebellengruppen - für eigene Interessen ein und rüstet sie auf. Zudem wurde und wird der IS u.a. von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar direkt gefördert, Staaten, die mit dem Westen eng kooperieren und reichhaltig – auch von Deutschland - mit Waffen versorgt werden.

Unser Schwerpunkt in diesem Heft widmet sich verschiedenen Aspekten der Entstehung des IS, seinen Ausprägungen und Möglichkeiten politischen Widerstands und der Einleitung alternativer geopolitischer Entwicklungsstrategien. Dabei versuchen wir auch auf die - teils ablenkende und vordergründige - Debatte einzugehen, ob der Islam ein Gewaltproblem habe. Nicht dass es diese Frage nicht ernsthaft zu untersuchen gälte, aber doch unter der Rahmenperspektive, dass es sich um die gezielte Instrumentalisierung herausgefilterter religiöser Elemente und Überlieferungen (die sich auch in anderen monotheistischen Religionen finden) handelt, die nur auf der Grundlage tiefer sitzender Gründe und Motivationsbedingungen bei den Angesprochenen „zünden“ können.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren, die eigens für dieses FriedensForum Beiträge verfasst haben oder uns einen Nachdruck erlaubt haben.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".