Schutz im Atomkrieg: Jetzt vorbereiten?

Empfehlungen für den Fall von Nuklearschlägen

von Martin Singe
Hintergrund
Hintergrund

Beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucher-schutz (BMUV) ist die Strahlenschutzkommission (SSK) angesiedelt. Das BMUV hat die SSK anlässlich des Beginns des Ukraine-Krieges im März 2022 beauftragt, zu prüfen, „inwiefern die verschiedenen für radiologische Notfälle vorgeplanten Schutzmaßnahmen auch im Falle eines Nuklearschlags grundsätzlich effektiv und aus radiologischer Sicht angemessen sein können“ (https://www.ssk.de).

Die SSK schreibt zu ihren am 10.10.2024 vorgelegten Empfehlungen (137 Seiten): „Die empfohlenen Maßnahmen haben zum Ziel, im Falle einer Kernwaffenexplosion möglichst vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Schutz zum bestmöglichen Erhalt der Gesundheit zu ermöglichen.“ – Im Folgenden haben wir einige Auszüge aus den Empfehlungen zusammengestellt. Der gesamte Text kann auf der Seite der SSK unter „Empfehlungen“ nachgelesen werden. Eine Kommentierung erübrigt sich.

Evakuieren oder vor Ort verbleiben?
Das im Rahmen der Beauftragung betrachtete Szenario ist eine oder wenige nicht strategische Kernwaffenexplosionen in Deutschland oder im benachbarten Ausland mit unmittelbaren radiologischen Folgen für die Zivilbevölkerung.

Initiale Evakuierungen werden nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchführbar sein und können bei fehlerhafter Durchführung zu vermeidbaren lebensgefährlichen Gesundheitsschädigungen von zehntausenden Evakuierten durch Fallout führen. Daher kann es erforderlich sein, auf eine initiale Evakuierung Betroffener – trotz Überschreitung der Richtwerte … zu verzichten.

Bei der Planung der medizinischen Versorgung ist zu berücksichtigen, dass bei Kernwaffenexplosionen in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte initial mit zehntausenden Toten und Verletzten zu rechnen ist, die häufig Kombinationsverletzungen durch mechanische Traumata, Verbrennungen und Strahlung aufweisen. Nach Exposition durch Fallout kann die Zahl der zu Versorgenden um ein Vielfaches höher liegen.

Direkt nach der Explosion sollte großräumig ein vorläufiges Ernteverbot ausgesprochen werden und die Bevölkerung vor dem Verzehr von selbst angebautem Gemüse und Obst gewarnt werden.

Auch wenn große Unsicherheiten bestehen, muss eine automatisierte, frühzeitige Kommunikation an die betroffenen Personen ebenso sichergestellt werden wie angepasste und optimierte Strahlenschutzempfehlungen zu Evakuierungen oder Verbleiben in „schützenden Räumen“ innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden nach Einsatz einer Kernwaffe.

Empfohlene Maßnahmen, wenn der Notfall eintritt
III-1) Während der Explosion kann man sich vor herumfliegenden Trümmern und der Hitzestrahlung durch geeignete Deckung wirkungsvoll schützen. Deshalb sind das Ducken (am besten hinter Wänden oder Erdhügeln etc. als Schutzbarrieren) und das Bedecken unbedeckter Körperteile die anfänglich wichtigsten Schutzmaßnahmen.

III-2) In den ersten 24 h bis 48 h danach bietet im Nahbereich der Explosion und in potenziell von Fallout betroffenen Gebieten der Aufenthalt in schützenden Räumen (wie z.B. Keller, Tiefgarage) den besten Schutz. Dort wird das vorsorgliche Anlegen eines Vorrats von Trinkwasser und ggf. Nahrung empfohlen. Möglichkeiten zur Dekontamination (Wasser, Wischtücher) und Ersatzkleidung sollten vorgehalten werden.

III-3) Von Selbstevakuierungen ist dringend abzuraten; diese können mit vermeidbaren, lebensgefährlichen Strahlendosen durch Fallout verbunden sein. Fahrzeuge bieten keinen ausreichenden Strahlenschutz.

III-4) Im Fall eines Nuklearangriffs ist von der Einnahme von stabilem Kaliumiodid abzuraten (sogenannte Iodblockade(-tabletten).

III-5) FFP 2-/FFP 3-Atemschutzmasken sollten vorgehalten und getragen werden, wenn schützende Räume verlassen werden müssen (z. B. bei der Besorgung lebensnotwendiger Medikamente oder bei anstehender Evakuierung).

III-6) Jede Bürgerin bzw. jeder Bürger soll sich über die Gefahr durch Kernwaffenexplosionen und insbesondere über Schutzmaßnahmen/Verhaltensregeln zu Hause und am Arbeitsplatz informieren und sich darüber mit Kolleginnen und Kollegen, Familienangehörigen und Nachbarinnen und Nachbarn austauschen.

III-7) Der Fallout, der sich innerhalb kurzer Zeit nach einer Kernwaffenexplosion ablagert, kann zu einer hohen Strahlenexposition führen, die zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Daher ist es wichtig, sich vor dem Fallout zu schützen oder schnellstmöglich zu reinigen. Eine einfache Eigendekontamination durch Ablegen der Kleidung, Waschen der unbedeckten Körperflächen und Haare und anschließendem Duschen wird daher der Bevölkerung in den vom Fallout betroffenen Gebieten dringend empfohlen.

In der Phase unmittelbar nach einer nuklearen Explosion und dem damit verbundenen Inferno mit Tausenden von Toten und Opfern mit konventionellen Verletzungen und/oder potenziell tödlichen akuten Strahlenfolgen steht die medizinische Erste Hilfe ganz im Vordergrund – sofern sie angesichts des Chaos mit massiver Zerstörung von Infrastrukturen überhaupt geleistet werden kann.

Vorbereitungen der Bürger und Bürgerinnen
Um auf den Fall einer Kernwaffenexplosion und ihrer Auswirkungen vorbereitet zu sein, sollten an den üblichen Aufenthaltsorten (zu Hause, am Arbeitsplatz, etc.) Räume mit hoher Stabilität und Abschirmwirkung identifiziert und ausgewiesen werden, die im Ernstfall geeigneten Schutz bieten. Zur Vorbereitung auf ein solches Ereignis sollten dort folgende Dinge verfügbar sein:

  • Ein Notvorrat mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser gemäß den gültigen Empfehlungen des Bevölkerungsschutzes (Essen und Trinken bevorraten – BBK (bbk.bund.de)).
  • Zusätzliches Wasser zur Dekontamination (auch für Haustiere), möglichst in einem Raum mit Abfluss/Auffangmöglichkeit außerhalb des gewählten schützenden Raumes.
  • Plastiksäcke für eventuell kontaminierte Kleidung und als Behelfstoilette.
  • Kleidung und Schuhe zum Wechseln.
  • Materialien und Medikamente (zur ersten Hilfe und für den täglichen Bedarf).
  • Werkzeuge und technische Hilfsmittel wie z. B. Taschenlampe, Ersatzbatterien, batteriebetriebenes Radio und Smartphone.
  • Kleiner Vorrat an FFP 2- bzw. FFP 3-Masken.

Innerhalb der Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft ist es sinnvoll, sich über die Vorbereitungen für eine Nuklearexplosion auszutauschen. … Es ist sinnvoll, Namensschilder an der Kleidung insbesondere kleiner Kinder anzubringen, um die Zuordnung/Identifizierung nach einer Trennung zu erleichtern.

Sobald ein enorm heller Lichtblitz, der heller als das Sonnenlicht ist, wahrgenommen wird, gilt im Freien die Maßgabe „Ducken und Bedecken“, also das unmittelbare Einnehmen einer möglichst stabilen geschützten Position und der Verbleib in dieser für etwa 1 Minute. Liegt ein Alarm bzw. Information zu einer unmittelbar bevorstehenden Kernwaffenexplosion vor, so, sollten vor der Explosion schützende Räume wie Keller, Tiefgaragen, U-Bahnstationen o.ä. oder innenliegende Räume im Haus aufgesucht werden. Diese bieten auch guten Schutz vor sich etwas später ausbreitendem radioaktivem Fallout.

Personen, die im Freien direkt dem Fallout ausgesetzt waren und somit kontaminiert sind, sollten sich selbst sofort durch Abklopfen/Abbürsten dekontaminieren und anschließend noch vor Eintreten in einen schützenden Raum die Oberbekleidung ablegen und diese z.B. in einem Plastiksack verstauen, um eine Verschleppung der Kontamination möglichst zu vermeiden.

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Hintergrund
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".