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Ende einer Reise
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Hintergrund
Mit dem Jahreswechsel 1991/92 vollzieht sich für die in Nordrhein-Westfalen lebenden Angehörigen der Nation der Roma, soweit sie aus Makedonien stammen bzw. dort ihren letzten Wohnsitz vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik hatten, eine weitere Zäsur. "Durften" sie sich bis zum 31.12.91 noch "freiwillig" für die Teilnahme an dem 'Re-Integrationsprogramm' der Landesregierung entscheiden, so droht ihnen nun nach dem 1.1.92 unterschiedslos die Zwangsabschiebung.
Abzuwarten bleibt, wie rigoros die Landesregierung tatsächlich vorgeht - und erste Anzeichen sprechen für eine 'harte' Gangart - und wie und mit welcher Stärke sich Widerstand aufbieten läßt.
Des Weiteren ungeklärt ist auch das Schicksal des 'Re-Integrationsprogramms' der Landesregierung mit diesem Stichtag.
Ein kurzer Blick zurück: Vor drei Jahren sagte Minister Schnoor den in NRW lebenden Roma (damals zwischen 4.200 und 4.500 Menschen) das Bleiberecht zu. Von dieser Zusage blieb am Ende nur das 'Re-Integrationsprogramm', das nur die aus Makedonien angereisten Roma erfaßt. Mehr als vage wurde seitens der Landesregierung angedeutet, daß mit den übrigen 'Herkunftsländern' ähnliche Projekte in Angriff genommen werden sollten. Geschehen ist bisher nichts in dieser Richtung.
Das Makedonien-Projekt wurde unter dem Etikettenschwindel "neue Flüchtlingspolitik" eingestelt und ungeachtet massiver und qualifizierter Kritik durchgepeitscht. Unter dem Begriff "neue Flüchtlingspolitik" wird gemeinhin verstanden, daß die Ursachen von Wanderungsbewegungen am Ort des Entstehens zu beheben sind. Dieser grundsätzlich richtige Ansatz kommt in der Bundesrepublik aus mehreren Gründen nicht zum Erfolg: den bösesten vorweg, mit ihr lassen sich keine 'Punkte' machen, weder parteien- noch behördenintern, und vor dem 'Wahlvolk' schon gar nicht; entsprechend groß ist das Engagement derjenigen, die sie politisch durchsetzen müßten. Zum zweiten scheitern alle Ansätze an den Zuständigkeitsgerangel. Auf Bundesebene sind damit vier Ministerien befaßt, das setzt sich nach unten in der Länderebene fächerförmig fort. Und zum dritten gibt es bis heute kein durchdachtes Konzept, was denn "neue Flüchtlingspolitik" eigentlich sein soll. Vorläuferkonzepte, wie das Rückwanderungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei 1972, vergleichbare Abkommen mit anderen Staaten, so Chile und Afghanistan, scheiterten, zum erheblichen Teil aus den obengenannten Gründen, zum Teil auch aufgrund mangelnder Sach-und Menschenkenntnis, alle.
Scheitern wird auch dieses Makedonien-Projekt aus einer Vielzahl von Gründen, egal ob es jetzt weitergeführt wird oder nicht. Angelegt für rund 1.400 Menschen, haben sich 90 Prozent der Angesprochenen dagegen ausgesprochen und nur 5 Prozent stimmten ihm zu. Nach den Erklärungen der Landesregierung sollen die Geld- und Sachleistungen aber nur diesen Familien zukommen, die "freiwillig" daran teilnehmen. Die übrigen sollen ohne diese Leistungen zwangsabgeschoben werden.
Diese Leistungen umfassen folgendes Paket: Eine komplett eingerichtete Wohnung im Wert von DM 50.000;-, ein für Makedonien, wo selbst Minister in normalen Wohnblocks leben, ungeheurer Luxus, und das in den eigenen vier Wänden mit Bad, Küche und drei Zimmern in einer eigens für sie gebauten Siedlung; dieses Haus steht im ersten Jahr miet- und nebenkostenfrei zur Verfügung; Reisebeihilfen in Höhe von DM 300,- je Erwachsenem und DM 150,- je Kind; zwei Jahre die Kinder-gartenkosten je Kind und Monat in Höhe von DM 80,-; des weiteren Hilfe bei der Arbeitssuche und Förderung von Arbeitsplätzen bis zu DM 400,- monatlich für die Dauer eines halben Jahres.
Was so verlockend aussieht auf den ersten Blick, das hält längerer Prüfung nicht allzulange stand. Die Häuser gehören nicht den 'Rückgeführten', sondern der Republik Makedonien, die nach einem Jahr nach ihrem Ermessen die Mieten festlegen kann. Irgendwelche Schutzbestimmungen für die Roma fehlen in dem Abkommen zwischen NRW und Makedonien. Die Siedlung wurde mitten in Sutka, einem Vorort von Skopje, errichtet, in dem vorsichtig geschätzt 45.000 Roma unter erbärmlichsten Verhältnissen leben. Genaue Zahlen vermag auch die Regierung Makedoniens nicht zu nennen. Die Arbeitslosigkeit wird von ihr für Makedonien insgesamt zwischen 20 und 25 %, in Sutka und vergleichbaren Gebieten mit annähernd 100 % angegeben. Eigens für die Siedlung der 'Deutsch-Roma' erhielt Sutka die ersten einigen hundert Meter Kanalisation und erstmals Anschluß an die Stromversorgung Makedoniens. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind auf den offiziellen Stadtplänen mit der Anmerkung versehen "Bus verkehrt nur bei trockenem Wetter", weil bei größeren Regenfällen selbst die Hauptstraßen Sutkas unpassierbar sind.
Die ersten 'Erfolge' der Rückwanderung liegen auswertbar vor. Selbst gutverdienende Makedonen verdienen umgerechnet kaum mehr als einhundert Mark im Monat. Natürlich haben einige rückgeführte Roma einen der wenigen Arbeitsplätze bekommen. Das Angebot aus Düsseldorf war für manchen Arbeitgeber doch verlockend, so im Vorbeigehen DM 300,- monatlich dafür einzustreichen, daß man ein halbes Jahr lang einen 'Deutsch-Roma' beschäftigte und dafür einen hiesigen halt auf die Straße warf.
Das, die Häuser und die luxuriösen Wohnungen, haben in der Sutka bereits erheblich zur Entsolidarisierung beigetragen. Die 'Deutsch-Roma' sind etwas Besseres. Und auch wenn sie sich selber keineswegs als Besseres fühlen, sie sind anders. Die Jahre im westlichen Ausland sind in ihnen hängengeblieben. Sie haben die Vorteile eines geordneten Bildungswesens für sich erkannt. Die Forderung nach Kindergarten- und Schulgeld kam in den Verhandlungen von ihnen. Nur, es gibt weder Kindergärten noch Schulen; und wenn es sie mal geben wird, dann gehören sie nicht mehr zu den Leistungsempfängern des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie sind jetzt Fremde nicht nur in einem Land, das ihnen nie gehörte; sie sind jetzt auch Fremde unter denen ihrer eigenen Nation.
Für die Bundesarmee Jugoslawiens sind sie bereits jetzt Freiwild, das aus den Wohnungen, von den Arbeitsplätzen weggegriffen und zum Waffendienst gezwungen wird. Die makedonische Regierung erklärt, daß sie dies nicht zu verhindern wüßte, da sie keine eigenen Truppen unterhält.
Makedonien hat diesem Programm aus durchsichtigen Gründen zugestimmt. Der ärmste und schwächste Teilstaat des auseinanderbrechenden Jugoslawiens, der immer auf Gunst und Gnade Belgrads angewiesen war, hat nichts Devisenträchtiges zu bieten. Die Finanzspritze aus Düsseldorf in Höhe von rund 25 Millionen DM war deshalb sehr willkommen. An den Problemen der Republik, in der neben den Roma noch gut 120.000 Albaner unter vergleichbaren Bedingungen leben, ändert sich nichts.
Nordrhein-Westfalen hat vorrangig auf Betreiben der SPD an der Ruhr ein 'Problem' ausgelagert und damit in Makedonien statt Probleme zu lösen neue geschaffen. Faik Abdi, der Vorsitzende der Partei der Roma in Makedonien, erklärte in einem Gespräch mit Staatsminister Clement, daß es in Makedonien noch genug Busse und Benzin gäbe, um nach Düsseldorf zu fahren.
Während die Landesregierung mit ihrer 'Lösung' medienwirksam hausieren ging, bat der aus Skopje geflohene Generalsekretär der Roma-Welt-Union in Berlin um politisches Asyl und erhielt es.
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