Europäisches Friedensprojekt für die Insel Vis

von Klaus Vack
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Während der Europäischen Friedenskarawane durch Jugoslawien Ende September 1991 hatte ich ein längeres Gespräch mit Viasta Jalusic, einer Journalistin in Ljubljana, in dem sie mich mit den ersten Ideen einer Initiative zur Entmilitarisierung der Insel Vis konfrontierte (ihr Mann Tonci Kuzmanic, der ebenfalls in Ljubljana lebt, ist auf der Insel Vis geboren). Ich erwärmte mich schnell für diese Initiative und sagte meine und - ohne daß ich Bedenken hatte - die Unterstützung weiterer Friedensfreundinnen und Friedensfreunde aus der BRD zu diesem symbolischen, politisch sympathischen und auch nicht unrealistischen Projekt zu. Was hat es mit der Insel Vis auf sich? Wie hat sich die Idee für eine Entmilitarisierung der Insel weiter entwickelt?

Die Insel Vis liegt im adriatischen Meer ca. 50 km südlich von Split und ist den beliebten Urlaubsinseln Hvar und Korcula westlich vorgelagert. Ist Vis von der dalmatinischen Küste aus erreicht, so hat man schon ein Viertel der Strecke bis zur italienischen Küste zurückgelegt. Die Insel Vis (381 v. Chr. erstmals als griechische Kolonie erwähnt) hat eine traditionsreiche, oft kriegerische Geschichte. Besonders zu Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden große militärische Befestigungsanlagen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Vis von der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) zusätzlich stark befestigt, um das jugoslawische Territorium gegen die (italienischen) NATO-Streitkräfte "zu verteidigen". Vis wurde militärisches Sperrgebiet; ausländische Touristen und Bürger hatten bis 1989 keinen Zutritt zu der Insel. Im gegenwärtigen Konflikt sind die auf der Insel stationierten Waffen und Kräfte der JVA gegen die kroatische Adriaküste gerichtet und gefährden damit auch die noch verbliebene kleine kroatische Bevölkerungsgruppe (gegen 1970 etwa 10.000, heute gerade noch 2000 zivile Einwohner mit einem Durchschnittsalter knapp unter 60 Jahren).

Inzwischen wurde von einer Forschungsgruppe des Friedensinstitus in Ljubljana ein Aktionskonzept "Europäisches Friedensprojekt für die Insel Vis" ausgearbeitet. Ziel des Projekts ist die völlige Entmilitarisierung der Insel Vis und ein Status wie der der Alandinseln zwischen Schweden und Finnland (übrigens ist da meines Wissens die einzige völlig entmilitarisierte Zone in ganz Europa; seit 1921 durch Entscheidung des Völkerbundes; die Alandinseln gehören zu Finnland, und der entmilitarisierte Status wurde auch während des Zweiten Weltkriegs, an dem Finnland beteiligt war, respektiert).

Eines der Hauptprobleme des Projektes besteht darin, Wege für einen Abzug "ohne Gesichtsverlust" der JVA zu finden und die Stationierung neuer Streitkräfte auf der Insel zu verhindern. "Deshalb sind wir", so schreibt die Projekt- und Forschungsgruppe, "auch sehr beunruhigt über die Möglichkeit, daß kroatische Streitkräfte versuchen, die Insel zu befreien, denn dies würde wahrscheinlich zu ihrer totalen Zerstörung führen. Daher darf das Ziel nicht nur die Entmilitarisierung der Insel durch den Abzug der JVA, sondern muß zugleich die Verhinderung jedweder erneuter Militarisierung sein."

Die Projektgruppe strebt die Internationalisierung - "Vis, eine europäische Insel!" - an, und zwar durch eine selbständige, unabhängige Aktion der Bürger auf der Insel, und parallel dazu durch die Unterstützung friedlicher Bürger und Institutionen Kroatiens, der übrigen Republiken des ehemaligen Jugoslawien und der Staaten Europas.

Inzwischen hat sich auch auf Vis eine Bürgerinitiative gebildet. Das Konzept für eine Entmilitarisierung der Insel wird von einem überwiegenden Teil der Inselbevölkerung unterstützt; ebenso von vielen Menschen, die aus Vis stammen und heute verstreut über die Republiken des ehemaligen Jugoslawien leben. Es gibt erste positive Reaktionen aus Italien, Österreich und den USA. Ich habe VertreterInnen der Projektgruppe und der Viser Bürgerinitiative die Mitwirkung bei der Bildung eines Unterstützungskomitees in der BRD "Europäisches Friedensprojekt für die Insel Vis" angeboten. Chancen dürfte das Projekt nur haben bei ausreichender Beteiligung von Bürgerinitiativen, Friedensgruppen und Friedensforschung, unter Einbeziehung der Menschen, die auf Vis leben und mit der Perspektive einer gewaltfreien Regelung des Konfliktes. In diesem Sinne ist auch die Popularisierung des Projektes bei uns sehr wichtig.

Als nächster Schritt ist ein internationales Treffen auf der Insel Vis (möglichst Frühsommer 1992) geplant; eventuell auch ein mit dem Treffen verbundenes oder daran anschließendes Friedens-camp. Dabei muß berücksichtigt werden, Einfluß auf Instanzen "höchster politischer Ebene" (u. a. die Vereinten Nationen) zu gewinnen. Das Projekt ist mit großer Ernsthaftigkeit zu betreiben und darf nicht als "friedenspolitische Spielwiese" mißverstanden werden.

Sicher ist vieles noch Wunsch und Plan, aber dem Militär und dem Krieg mit einem Zeichen des Friedens zu begegnen, lohnt die Anstrengungen der Hoffnungsbereiten und Mutigen.

 

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