Viehzucht und Klimawandel

Fleisch essen im 21. Jahrhundert

von Katja Görgen
Schwerpunkt
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Jeder und jede in den Industrieländern kennt das billige Fleischprodukt: Ob bei Aldi, Lidl, Edeka oder anderen Supermarktketten. Leicht lässt sich ein Stück Hähnchenbrustfilet für beispielsweise 2,99 Euro finden. Auch  wenn es nicht immer benannt wird: nur durch Massentierhaltung sind diese Preise überhaupt denkbar.

Warum ist es relevant in Zeiten von humanitären Krisen notwendig, über das Thema „Tiere essen“ zu schreiben? Die Antwort: weil das System der Massentierhaltung maßgeblich zu klimatisch bedingten Fluchtursachen wie langanhaltende Dürreperioden und/oder Überschwemmungen beiträgt. Auch wenn Massentierhaltung in der langen Liste der politischen Strategien gegen den Klimawandel selten genannt wird, beschleunigt das System zu einem nicht  geringen Teil die Erderwärmung. Andere Themen wie den Einsatz von Antibiotika und die dadurch mit verursachte Entstehung von multiresistenten Keimen und Verschwendung von Trinkwasser, die ebenfalls direkte Folgen von Massentierhaltung sind, können hier nicht näher angesprochen werden.

Von Waldrodungen und gentechnisch veränderten Monokulturen
Der Bedarf an eiweißreichem, zur Mast geeignetem Kraftfutter kann durch den deutschen Futtermittelanbau nicht gedeckt werden. Daher werden rund 35 Millionen Tonnen Sojabohnen aus Nord- und Südamerika pro Jahr importiert. Für den Anbau der riesigen Sojaplantagen werden Regenwälder im Akkord gerodet. Viele Menschen verlieren dadurch das Land, auf dem sie einst gelebt und sich als Kleinbauern und Kleinbäuerinnen ernährt haben. Sie werden zu Landlosen, zu Opfern des sogenannten „Landgrabbing“.

Abgesehen von den sozialökonomischen Folgen, die daraus entstehen, ist es mittlerweile gesellschaftlicher Konsens, da durch zahlreiche Studien belegt,), dass Waldrodungen durch die entstehenden CO2-Emissionen maßgeblich zum Klimawandel beitragen.

Problematisch ist auch das, was angebaut wird. Abgesehen von allen kritischen Diskussionspunkten, die der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) mit sich bringt (beispielsweise der damit verbundene Einsatz von Pestiziden) ist die direkte Folge, die sich aus den Waldrodungen ergibt, dass riesige Monokulturen entstehen.

Einerseits geht mit dem Anbau von Monokulturen die Fruchtbarkeit von Ackerböden verloren, was bereits eine knappe Ressource der Erde ist. Andererseits tragen Monokulturen zum Klimawandel bei, weil sie eine geringere Photosynthese-Leistung haben und daher weniger CO2 umwandeln können als Mischkulturen.

98% des Sojaanbaus wird als Futtermittel für Tiere verwendet. Der Teil, der von Menschen durch den Verzehr von Tofu und jegliche Art von Sojaprodukten konsumiert wird, ist verschwindend gering.
Waldschutz wäre eine wichtige Maßnahme, um den Klimawandel aufzuhalten. Aber ein Stopp der Waldrodungen würde unmittelbar die Massentierhaltung betreffen, schließlich müssen die Masttiere mit entsprechendem Futter gemästet werden, um ertragreich geschlachtet zu werden. Berücksichtigt man hier auch noch die Tatsache, dass die Futtermittel einen enormen Transportweg hinter sich haben, um an Masttiere in Europa verfüttert zu werden, rechnet sich all das auf dem Konto des Klimawandels.

Die Zuchtunternehmen
Der nächste Schritt in der Wertschöpfungskette der Fleischproduktion wird durch die Zuchtunternehmen bedient. Ebenso wie im Saatgut- und Futtermittelsektor Mittel zur Steigerung der Erträge gefunden wurden, entwickelten sich in der Zuchtbranche Tierzuchtunternehmen, die sich der Zucht von ertragssteigernden Tieren widmen.

Mittels der Hybridzucht stehen heute Tiere zur Verfügung, die entweder auf Grund ihrer Anlagen schneller Gewichtszunahme als Masthähnchen, oder durch eine schnelle Eierproduktion als Legehennen dienen. Die Zuchtunternehmen liefern heutzutage Tiere an die Mastunternehmen, die es zu vorindustriellen Zeiten noch überhaupt nicht gab: Tiere, die wie Maschinen ein bestimmtes Gut mit dem Augenmerk auf Quantität produzieren.

Gemästet werden in den Mastbetrieben in der Regel Geflügel (Hühner und Puten), Schweine und Kälber.

In Bezug auf den Klimawandel sind wohl die Kälber am wichtigsten, da sie durch ihren hohen Methanausstoß zur Beschleunigung des Klimawandels beitragen.

Der Fehler liegt im System
Rückblickend lässt sich zweifelsfrei die Schlussfolgerung ziehen, dass in der gesamten Wertschöpfungskette der Fleischproduktion nicht nur knappe Ressourcen wie Trinkwasser und Ackerböden verbraucht werden, sondern auch enorm viel fossile Energie:
Landwirtschaft, Transport, Haltung, Kühlung, Schlachtung, Verpackung, all das sind Stationen mit hohen Energiekosten, die fast ausschließlich mit fossilen Energien gedeckt werden. Abgesehen davon, dass fossile Energie eine knappe Ressource ist, trägt der Abbau fossiler Energien wie Kohle ihren Teil zum Klimawandel bei.

Die Überproduktion, herbeigeführt durch die Massentierhaltung, hat ihr ursprüngliches Ziel, Fleisch für jeden/jede zugänglich zu machen, im internationalen Kontext weit verfehlt: Laut den Vereinten Nationen hungern weltweit rund 795 Millionen Menschen. Der Heinrich-Böll-Stiftung zu folge werden jährlich in Deutschland 45 Millionen Masthühner für den Abfall produziert (. Dennoch ist diese Art des Massenwirtschaftens im Sinne der Kapitallogik rentabel.

Wenn es der Anspruch der internationalen Politik wäre, den Hungertod weltweit zu reduzieren, scheint das Argument, dies sei nicht möglich, kaum haltbar. Die Frage ist, ob es eine Lösung innerhalb des Systems der Massentierhaltung geben kann.

Nachhaltig ist es nach diesem Fazit vielleicht auch, sich den Zahnrädern des gesamten Systems anzunehmen, um zu verstehen, an welchen dieser Zahnräder sich etwas drehen lässt, damit sich die Richtung, in die sich das System unaufhaltsam bewegt, ändern kann.

Abgesehen davon, dass die Massentierhaltung durch die Arbeitsteilung in weniger Zeit mehr produzieren kann, ist es vor allem das Gerüst, was die Massentierhaltung als ein moralisch fragwürdiges System bestehen lässt. Denn die arbeitsteiligen Prozesse (von der Futtermittelbeschaffung, über Zucht – und Mastunternehmen zum Schlachtungsprozess) führen dazu, dass ProduzentInnen wie KonsumentInnen jeglichen Bezug zu dem Produkt, das sie herstellen oder konsumieren, also dem Stück Fleisch, das für 2,99 Euro im Kühlfach zu finden ist, verlieren. Sie (die ProduzentInnen und KonsumentInnen) sind gleichermaßen Teil des Systems der kapitalistischen Wirtschaftsweise.

Der Anteil der Menschen, die sich im Jahr 2016 in Deutschland vegetarisch ernähren, liegt laut dem Robert-Koch-Institut bei 4,3%. Doch nicht nur der fleischlose Konsum ist eine Möglichkeit zur Systemirritation. Ebenso nachhaltig ist es, statt einer rein vegetarischen oder rein veganen Ernährung bewusster und weniger Fleisch zu konsumieren. Laut Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist der Fleischkonsum in Deutschland im Vergleich zu 1990 um 12% von 68 kg auf 60 kg pro Kopf gesunken.

Auch wer überhaupt nicht auf Fleisch und/oder tierische Produkte verzichten möchte, hat die Wahl (sofern das Haushaltsbudget ein wenig Raum für eine solche Wahl lässt) zwischen dem Erwerb von billigen Konsumgütern aus der Massentierhaltung und regionalen oder Bioprodukten, die im Sinne der Nachhaltigkeit produziert werden. Laut einer Statistik von Statista im Jahr 2017 zu der Frage „Wie häufig kaufen Sie Fleisch in Bio-Qualität?“ kaufen insgesamt fast 7% aller Menschen in Deutschland immer Fleisch in Bio-Qualität, knapp 21% oft und 33,1% gelegentlich. Für eine Systemirritation ist da insgesamt noch Platz nach oben …

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Katja Görgen ist Masterstudentin der Friedens- und Konfliktforschung in Marburg und ehemalige Praktikantin beim Netzwerk Friedenskooperative.