Freiwilligeneinsatz in Kroatien

von Beate Ronnefeld
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Am Sonntag, dem 20. Oktober trafen wir mit einem mit Hilfsgütern vol beladenen VW-Bus samt Anhänger in Zagreb ein, einer Stadt, die uns mit ihrer "Normalität" überraschte.

In einer Schule versammelten sich zu zwei Einführungstagen 25 Freiwillige aus sieben Ländern (S,F,NL, DK, I,D, HR). Aus Deutschland waren wir zu viert. Fünf kroatische Freiwillige sollten die dringend notwendige Übersetzungs­arbeit übernehmen und zwei von ihnen die Gruppe nach außen vertreten.

Durch Wam Kat, einen holländischen Mitarbeiter der Anti-Kriegs-Kampagne, erfuhren wir, daß aufgrund der jetzigen Situation (ca. 700.000 Flüchtlinge in Kroatien) die Gründung einer Organisa­tion eigens für die Betreuung von Flüchtlingen notwendig wurde. So ent­stand "Suncukret" (übers. Sonnen­blume).

Suncukret organisiert die Freiwilligen­einsätze in den Flüchtlingslagern, wel­che ihr ermöglichen, einen Überblick darüber zu erhalten, was wo am drin­gensten benötigt wird. Durch die Ver­netzung (Comuter-Kommunikation weltweit) mit anderen Friedensorgani­sationen und inzwischen auch humanitä­ren Hilfsorganisationen können Aktio­nen sinnvoll koordiniert werden, so daß Hilfsgüter eher dorthin gelangen, wo sie wirklich benötigt werden. Z.Zt. betreut Suncukret 6-8 Flchtlingslager, wobei geplant ist, jeden Sonntag mit der Ein­führung einer neuen Freiwilligengruppe zu beginnen. Jede Gruppe soll 2 1/2 Wochen in einem Lager bleiben, nach zehn Tagen Pause folgt die nächste.

Aufgabe der Freiwilligen ist vor allem, die Beschäftigung mit den Kindern im Lager, die etwa die Hälfte aller Flücht­linge ausmachen und z.T. entsetzliche Traumata erlitten haben. Viele von ih­nen haben ein oder beide Elternteile verloren und diejenigen Erwachsenen, die für sie zuständig sind, sind oft über­fordert, weil sie selber traumatisiert sind. Suncukret versteht die Arbeit mit den Kindern als Friedensarbeit an der Basis. Es ist Freiwilligen aber auch frei­gestellt, sich anderweitig zu engagieren, z.B. in der Betreuung alter Menschen, im medizinischen Bereich, sofern Kom­petenz vorhanden sind oder handwerk­lich.

Vorherige Freiwillige, aber auch eine Schulpsychologin versuchten uns mit der Situation der Menschen in "unse­rem" Lager Gasinci vertraut zu machen. Wir wurden aber auch darauf hingewie­sen, daß es notwendig sei, uns selber freie Zeiten und Raum zur Verar­beitung unserer schweren Eindrücke zu geben. Das, was dort auf uns einstürmen würde, sei z.T. nicht leicht zu ver­kraften. (Unsere eigenen Erfahrungen zeigten, daß es einzelne Freiwillige gab, die sich, wie wir es interpretierten, vor der schwierigen Situation schützten, in­dem sie die Zeit im Lager eher wie eine Ferienzeit verbrachten, für die eigentli­chen Aufgaben mehr oder weniger aus­fielen und es an Einfühlungsvermögen für die Situation der Flüchtlinge man­geln ließen.)

Am 23.10. brachen wir über Umwege zum Flüchtlingslager Lasinci auf, wel­ches etwa 50 km südwestlich von Osijek liegt. Umwege waren aufgrund des Frontverlaufs nötig.

Unsere Ankunft im Lager ließ schnell eine Menschentraube um unsere Fahr­zeuge herum entstehen: wir wurden be­reits erwartet. Zum Zeitpunkt unserer Ankunft war das Lager mit etwa 1500 Menschen belegt, alle BosnierInnen, 90% von ihnen Moslems. (Inzwischen hat sich die Zahl wieder auf 3000 er­höht, nachdem Bosanski Brod überrannt wurde und wieder Tausende vertrieben wurden.) Untergebracht sind die Flücht­linge hauptsächlich in Zelten, in weni­gen beheizbaren Baracken und in einem Altenhaus mit 35 Betten. Wasser, Toi­letten, und Duschen liegen ein wenig ausgelagert, einfach überdacht oder in Häusern. Drei große Hallen wurden als Eßräume errichtet, in denen sich dreimal am Tag zu den Essenszeiten lange Schlangen bilden. Die Kost ist einseitig, ohne jedes frische Obst oder Gemüse. Zu Trinken gibt es über den ganzen Tag nur einen Becher Kaffee oder Tee. An­sonsten bedienen sich die Kinder an den Wasserhähnen, aus denen stark gechlortes Wasser fließt.

Wir waren in Zelten untergebracht und nahmen am Lageralltag teil, wie jede/r andere auch. Morgens und nachmittags machten wir den Kindern folgende An­gebote: Malen, Basteln, Spielen, Sport, Pantomime, aber auch Englisch- und Deutschunterricht.

Pia, eine Medizinstudentin aus München und ich (gelernte Krankenschwester) kümmerten uns hauptsächlich um die alten Menschen. Mit Bargeld, das wir als Spende mitgenommen ahtten, konn­ten wir im nahegelegenen Djakovo die Dinge besorgen, die offensichtlich fehl­ten: Bettpfannen, Gummis, Windeln für Erwachsene, Unterwäsche aber auch Schuhe für Kinder, die zum Teil nur in zerfallenden Sandalen herumliefen. Diese Hilfe war natürlich bei weitem nicht ausreichend und konnte nur punktuell vorgenommen werden.

Als großes Hindernis erlebte ich die Sprachbarriere. Trotzdem entstand zum Teil tiefe Begegnung bis hin zu echter Freundschaft. Unser Dasein und unser Engagement wurden sehr dankbar auf­genommen und wir selber wurden reich beschenkt von diesen freundlichen, tap­feren und zum großen Teil in sich ru­henden Menschen, die immer wieder mit Angst, Wut, Verzweifelung und Trauer kämpfen müssen und inzwischen wohl auch mit dem unerbittlichen Win­ter.

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Beate Ronnefeld ist Friedensarbeiterin und lebt im Hunsrück.