Ein Rückblick

Frieden auf dem Kirchentag

von Stephan Brües
Initiativen
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Sowohl nach dem persönlichen Eindruck wie nach der medialen Vermittlung waren Klimapolitik, Migration und soziale Gerechtigkeit (ge)wichtigere Themen auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund als Frieden im engeren Sinne. Das machen auch Aktive aus der christlich orientierten bzw. landeskirchlichen Friedensbewegung im Gespräch immer wieder deutlich.

So ist zu hören, dass eine transparente Information über Friedensveranstaltungen auf dem Kirchentag zu wenig stattgefunden habe. Eine Koordination mit den Friedensgruppen habe es ebenso wenig gegeben. Aus den Reihen des Versöhnungsbundes gab es im Vorfeld einen Vorstoß für ein Friedenszentrum während des Kirchentages wie in den vergangenen Jahren. Die Aktiven schrieben alle Dortmunder Kirchengemeinden an, doch keine sah sich in der Lage, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, da sie für den offiziellen Kirchentag eingespannt waren. Immerhin war die Lutherkirche in Hörde offen für die politischen Nachtgebete der EAK und AGDF, die nicht im offiziellen Kirchentagsprogramm verzeichnet waren.

Veranstaltungen
Wer den Begriff „Frieden“ in die Kirchentags-App eingab, fand einige Veranstaltungen, wo für den Frieden gesungen oder gebetet wurde, und vor allem  verschiedene Veranstaltungen des sogenannten „International Peace Center“ im Kongressgebäude neben den Messehallen. Im Foyer waren Ausstellungen vom ForumZFD und von Brot für die Welt aufgestellt. In einem Café trafen sich Menschen aus aller Welt, und mit hoher Expertise wurden in Panels verschiedene Aspekte internationaler Friedenspolitik diskutiert.
So konnte am Donnerstag in dem Panel „Nonviolence Works“ Christine Schweitzer Zivile Konfliktbearbeitung und die Methode des unbewaffneten zivilen Peacekeepings (oder Schutzes) vorstellen. Olivia Caymax vom Quaker House in Brüssel berichtete über die Militarisierung der Europäischen Union. Obwohl in der EU durchaus friedenspolitische Expertise vorhanden sei, bzw. unterstützt werde, komme in den vierzig Reden der Außenbeauftragten Federica Mogherini, die Caymax analysierte, der Begriff Gewaltfreiheit nur einmal vor, und zwar NICHT in Bezug auf die EU.

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Renke Brahms, hat in seinem Statement zunächst die offizielle EKD-Linie vorgestellt (Krieg als ultima ratio bei Menschenrechtsverletzungen, Völkermord etc.) und später in der Fragerunde klar gemacht, dass ein sehr Viel Mehr an Geldmitteln in die Zivile Konfliktbearbeitung und Präventionsarbeit gehen müsse – statt in Rüstung und Militär.

In einer weiteren Veranstaltung wurde auf den Zusammenhang zwischen Rüstungsexporte und Migration hingewiesen: „Waffen produzieren MigrantInnen. Waffen bekämpfen MigrantInnen“, so Ottfried Nassauer vom BITS. Auch wurde über die Situation auf der griechischen Insel Lesbos und das  von unermüdlichen AktivistInnen betriebene Projekt MOSAIK berichtet, das Geflüchtete empowert.

Weiterhin gab es interreligiöse Dialoge, eine Diskussion mit der Initiative „Refuse to be an enemy“ aus Israel sowie das Panel „Frieden in Mittelamerika“ mit Aktivistinnen aus Mexiko und Guatemala. Kerstin Deibert von Ohne Rüstung Leben verdeutlichte, dass Rüstungsexporte einen eskalierenden Beitrag zur Gewalt in der Region leisten und verwies auf die positiven Anknüpfungspunkte, die die UN-Agenda 2030 biete.

Die Mehrzahl der übrigen friedenspolitischen Aktivitäten auf dem Kirchentag fand in Halle 4 im sog. „Friedensdorf“ statt: Neben dem Treffpunkt des Cafés der AGDF stellten verschiedene Friedensgruppen ihre Arbeit vor: Subjektiv herausgehoben sei die Arbeitsstelle Frieden der Badischen ev. Landeskirche, die ihr Konzept „Sicherheit neu denken“ spielerisch und multimedial veranschaulichte. Der Bund für Soziale Verteidigung stellte „Love Storm“ (gegen Hass im Netz) und ihr Bildungsprojekt „Think Peace“ vor und präsentierte in einem Workshop und einem (viel zu hellen) Zelt Methoden der Zivilen Konfliktbearbeitung.

Höhepunkt der Friedensgruppen war die Menschenkette für den Frieden, die auf durchaus gute Resonanz bei den KirchentagsteilnehmerInnen stieß und an der am Samstag 5.000 Menschen teilnahmen. Eine vergleichsweise größere Resonanz in den Medien wurde durch die Teilnahme zweier Bischöfe (Heinrich Bedford-Strohm, Ev. Kirche in Bayern, und Joachim Cornelius-Bundschuh, Badische ev. Landeskirche) gefördert.

Leider vermittelten die Bilder in der 20-Uhr-Tagesschau keinen Hinweis auf die friedenspolitischen Forderungen der Aktion (keine Erhöhung der Rüstungsausgaben, keine Rüstungsexporte in Kriegsgebiete, Beitritt zum UN-Atomwaffen-Verbotsabkommen etc.), sondern im Gegenteil mussten ZuschauerInnen davon ausgehen, dass es bei der Menschenkette um ein solidarisches Miteinander gegen Rechts ginge (sicher auch ein wichtiges Thema).

Auf dem Weg zur Kirche des gerechten Friedens?
Die Kirchen wie die Kirchentage sind weiterhin noch einige Meilensteine entfernt davon, Kirchen des gerechten Friedens zu werden. Das ist einerseits angesichts der Komplexität der globalen Zusammenhänge verständlich, zum anderen aber fehlt offenbar der Mut in den Kirchen, anzuecken und gegenüber den VertreterInnen der bestehenden Außen- und Sicherheitspolitik Klartext zu reden. Das war in Fragen der Migration ganz anders, wie die große Unterstützung für Seawatch und ähnliche Initiativen von Seiten des Kirchentages bewies.

Insgesamt gesehen könnte man sagen, dass auf dem Kirchentag viele Themen angesprochen wurden, die mit der Friedensthematik und den Kriegsursachen zu tun haben. Eine Sensibilität ist vorhanden. Die christlich orientierte Friedensbewegung muss sich überlegen, wie sie in Zukunft mit Kirchentagen umgehen soll: Offensiv mit den Kirchentags-Verantwortlichen streiten, um ins Kirchentagsprogramm zu kommen und dabei ggf. an inhaltlicher Schärfe einzubüßen. Oder aber konsequent und unabhängig außerhalb des Kirchentagsprogramms ihre Inhalte und Positionen einzuführen, aber dann weitgehend unter sich zu bleiben,  wie bei den Friedenszentren auf den vergangenen Kirchentagen in Stuttgart und Berlin.

In vielerlei Hinsicht wird Frieden Thema vieler kirchenpolitischer Veranstaltungen sein, so in der nächsten Herbst-Synode der EKD. Auch die katholische Kirche hat – in offensichtlicher Weiterführung des Friedens-Katholikentages in Münster im vergangenen Jahr – Frieden als Leitmotiv des folgenden Jahres ausgerufen. Der nächste Kirchentag in Frankfurt/Main ist 2021 ein Ökumenischer Kirchentag. Und im November 2021 findet das Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe statt. Der ÖRK hat kirchenintern bereits einige friedenspolitische Beiträge geleistet und insofern wäre es eine natürliche Plattform für die Friedensbewegung, sich hier einzubringen.
All dies zeigt, dass die Friedensthematik in all ihrer Komplexität eigentlich an der Reihe ist. Das müssen wir nutzen.

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Stephan Brües ist freier Journalist/Texter und Co-Vorsitzender des Bunds für Soziale Verteidigung.