FriedensForum 5/2019: Cover
5 / 2019

Postkolonialismus

Weitere Themen:

  • Ramstein & Büchel
  • Rüstungsexporte
  • Iran

Editorial

Redaktion FriedensForum, Christine Schweitzer

Editorial

FriedensForum 5/2019

Liebe Leserin, lieber Leser, bei den Managern der Rüstungsindustrie und ihren Aktionären dürften diesen Sommer die Sektkorken knallen: Die Aufrüstungspläne der NATO und der Europäischen Union und der mögliche Krieg gegen den Iran im Mittleren Osten bescheren ihnen volle Auftragsbücher. Milliarden Euro und Dollar werden in ihre Kassen fließen. Außer ihnen hat allerdings niemand Grund zu feiern. Nicht die BürgerInnen in den USA und in Europa, die dieses Geld dringend für andere Zwecke benötigten – von Kindergärten über die Bekämpfung von Altersarmut bis zu Investitionen in einen ökologisch verträglichen Umbau unserer Wirtschaft. Nicht die Menschen in den Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten, die einmal mehr zum Spielball ihrer Regierungen und der Weltmächte werden. Und nicht jene Unglücklichen, die bei dem Versuch, Europa zu erreichen, im Mittelmeer oder in – von der EU finanzierten – Lagern in Nordafrika sterben. Eine humanitäre Katastrophe, bei der nicht nur die oft gepriesene Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft nicht angewendet wird, sondern im Gegenteil, das Leiden von ihr aktiv verursacht wird.

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Im Blickpunkt

Özlem Demirel (MdEP Die Linke)

Neues Rüstungsprojekt

Abgehoben – Startschuss für das deutsch-französische Kampfflugzeug

Anfang Juni 2019 bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages erste Gelder für das „Future Combat Air System“ (FCAS). Dabei handelt es sich um ein Luftkampfsystem mit einem Kampfflugzeug im Zentrum, dessen Entwicklung Mitte desselben Monats auf der Luftfahrtschau in Le Bourget per Vertrag zwischen Deutschland, Frankreich und den später hinzugestoßenen Spaniern endgültig auf den Weg gebracht wurde.

mehr ... Thema: Abrüstung
Renate Wanie

„Wer Ramstein duldet, ist ein Komplize des Krieges.“(1)

Aktionswoche 2019 der Kampagne „Stopp US-Air Base Ramstein!“

„Kein Krieg von deutschem Boden!“ So lautete einer der Appelle der Proteste während der Aktionswoche an der US-Air Base Ramstein, dem zentralen Drehkreuz für die Vorbereitung und Durchführung von Militäreinsätzen der USA und der NATO, z.B. in den Nahen und Mittleren Osten. Zum fünften Mal organisierte die Kampagne „Stopp US-Air Base Ramstein!“ Ende Juni 2019 vielfältigen Protest und Widerstand gegen die Relaisstation für die weltweiten Drohneneinsätze der USA.

mehr ... Thema: Drohnen

Initiativen

Michael Schulze von Glaßer

15. Juni 2019

Protest gegen den „Tag der Bundeswehr“

An zwölf der vierzehn Standorten wurde den Bundeswehr-Feiern friedliche Proteste entgegengesetzt – dabei kam es allerdings auch zu Übergriffen von Militärfans.

mehr ... Thema: Friedensbewegung, Kein Tag der Bundeswehr
Stephan Brües

Ein Rückblick

Frieden auf dem Kirchentag

Sowohl nach dem persönlichen Eindruck wie nach der medialen Vermittlung waren Klimapolitik, Migration und soziale Gerechtigkeit (ge)wichtigere Themen auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund als Frieden im engeren Sinne. Das machen auch Aktive aus der christlich orientierten bzw. landeskirchlichen Friedensbewegung im Gespräch immer wieder deutlich.

mehr ... Thema: Friedensbewegung
Heinz Kappei

Kundgebung

Rheinmetall entrüsten

Anlässlich seiner diesjährigen Hauptversammlung am 28. Mai in Berlin musste sich Deutschlands grösster Rüstungskonzern wieder vehementer Proteste stellen. Um die Beteiligung des Konzerns am Jemen-Krieg und seiner Strategie der Internationalisierung zu begegnen, hatte die Kundgebung vor dem Hotel Maritim auch einen internationalen Charakter.

mehr ... Thema: Friedensbewegung, Rüstungsexporte
Jürgen Grässlin

Brisante neue Fälle, Nutzung neuer Medien

Das GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE erweitert seinen Aktionsradius

Vor gut einem Jahr starteten AktivistInnen des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), der DFG-VK und der IPPNW das Projekt des GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE (GN-STAT). Mit diesem weltweit einmaligen Netzwerk wollen die GN-Aktiven internationale Fälle des Waffenhandels auf allen Kontinenten aufdecken, das globale Geflecht der Kriegsprofiteure entlarven, den TäterInnen Namen und Gesicht und den Opfern eine Stimme geben. Und sie wollen gewaltfreie Aktionen sowie Klageverfahren gegen RüstungsmanagerInnen, PolitikerInnen und LobbyistInnen in aller Welt initiieren oder unterstützen.

mehr ... Thema: Friedensbewegung, Rüstungsexporte
Dana A.

Seebrücken-Demos bundesweit

Notstand der Menschlichkeit ausgerufen!

Tausende Menschen demonstrierten bundesweit in verschiedenen Städten am 6. Juli gegen das EU-verantwortete Sterben im Mittelmeer, für sichere Fluchtwege und sichere Städte, für eine humane Migrations- und Asylpolitik. Wir dokumentieren hier die Rede von Dana von der Seebrücke Bonn. Herzlich Willkommen!

mehr ... Thema: Flucht und Migration, Friedensbewegung

Krisen und Kriege

Karl Grobe

Eskalation im Golf

Die USA vor dem Iran-Krieg

Zug um Zug haben sich die üblichen Verdächtigen in die Anklagefront gegen Iran einsortíert, nachdem im Juni im Golf von Oman zwei Tanker in Brand geraten waren. Zuerst verwies US-Außenminister Michael R. Pompeo auf geheimdienstliche Informationen, Dann wusste sein Präsident es genauer, aber eben nicht genau genug: Iran war schuld. Es folgte unvermeidlich dessen Berater, John Bolton, sodann der Außenminister des Noch-EU-Mitglieds Großbritannien, darauf der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

mehr ... Thema: Iran
Jehan Perera

Sri Lanka

Misstrauen gegenüber der muslimischen Gemeinde wird von der Politik angeheizt

Der Süßwarenhändler sagte, dass er nur wenig verkaufe. Die Leute, die früher seine Süßigkeiten kauften, behandeln ihn heute anders, weil er ein Muslim sei. Er ist ein armer Mann, der versucht, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, indem er als Straßenhändler in Colombo arbeitet. Meine Frau nahm ihm drei Pakete ab, bat ihn, das Wechselgeld zu behalten und sagte unseren Kindern, dass auch er eine Familie haben würde, die zu Hause auf seine Rückkehr wartete.

mehr ... Thema: Zivile Konfliktbearbeitung

Friedensbewegung international

Tom Power

Lateinamerika

Aktionen in ganz Lateinamerika gegen die berüchtigte School of the Americas

Zum ersten Mal organisierte die „School of the Americas Watch“ Aktionen in ganz Lateinamerika, um die Ausbildung von Militärs in der Region zu stoppen.

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Hintergrund

Christoph Bongard

Europäische Union nach der Wahl

Welchen Kurs nimmt das neue Parlament in der Friedenspolitik?

Von einer Schicksalswahl für Europa war monatelang vor dem EU-weiten Urnengang Ende Mai die Rede. Vor allem von Seiten der großen Parteien wurde die Wahl auf eine Entscheidung zwischen proeuropäischen IntegrationsbefürworterInnen und nationalistischen AntieuropäerInnen zugespitzt. Der politische Streit darüber, welche Vorstellungen europäischer Integration die Parteien haben und welche Positionen sie in wichtigen Fragen der Innen- und Außenpolitik der EU vertreten, drohte in den Hintergrund zu rücken.

mehr ... Thema: Zivile Konfliktbearbeitung
Martin Singe

Grundrechte-Report 2019

Flüchtende und Demonstrierende im staatlichen Abseits

Lesenswert wie immer: der Grundrechte-Report auch von diesem Jahr. „Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ ist das Fischer-Taschenbuch untertitelt, das vom Komitee für Grundrechte und Demokratie und weiteren Menschenrechtsorganisationen herausgegeben wird. Es geht u.a. um den Ausbau des Überwachungsstaates, Eingriffe in die Demonstrationsfreiheit, die natürlich auch friedensmotivierte Menschen betreffen, und um den Umgang des „Rechts“staates mit Flüchtlingen.

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Dr. Shir Hever, Wolfgang Landgraeber

Hightech für Potentaten und Gewaltherrscher

Wie mit israelischen Waffen Menschenrechte verletzt werden

Israel ist nach den Worten des britischen Rüstungsexport-Spezialisten Andrew Feinstein „Amerikas Schaufenster“, denn Israel erhält regelmäßig US-amerikanische Großwaffensysteme (Panzer, Schiffe, Kampfflugzeuge), die es nicht selbst herstellen kann und aus Kostengründen auch nicht will, zu Vorzugspreisen. Vieles davon kommt in den Regionalkonflikten rund um Israel zum Einsatz, und potentielle Kunden für amerikanische Waffen können sich von ihrer „Qualität“ vorab überzeugen.

mehr ... Thema: Israel / Palästina, Rüstungsexporte
Ariane Dettloff

Büchel-Prozesse

Skandalöses Urteil gegen Versammlungsleiter in Büchel

Wenn dieses Urteil Bestand hätte, wäre das Versammlungsrecht schwer beschädigt. 70 Tagessätze Strafe verhängte Amtsrichterin Neuerburg am Amtsgericht Cochem (Mosel) gegen Ernst Ludwig Iskenius von der IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs) am 26. Juni 2019, weil er als Versammlungsleiter einer angemeldeten Mahnwache vor dem Atomwaffenstützpunkt Büchel am 18. Juni 2018 „nicht verhindert“ hatte, dass andere dort ein Tor zum Atomwaffenstützpunkt Büchel blockierten.

mehr ... Thema: Atomwaffen, Militärstützpunkte

Schwerpunkt

Prof. Dr. Aram Ziai

Entwicklungspolitik

Postkolonialismus und Post-Development-Ansätze

Postkoloniale und dekoloniale Ansätze untersuchen die Nachwirkungen des Kolonialismus auch nach der formalen Unabhängigkeit fast aller Kolonien. Sie argumentieren, dass koloniale Stereotype und Argumentationsmuster auch heute noch vorhanden sind und oft der Legitimierung von Herrschaftsverhältnissen und der Verweigerung gleicher Rechte dienen.

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Werner Rätz

Ein Blick aus der Friedensforschung

Postkolonialismus und Frieden

Wenn ich sagen würde, Friede sei mehr als die Abwesenheit von Krieg, würden mir wahrscheinlich die meisten LeserInnen des Friedensforums zustimmen. Aber wenn ich dann fragen würde, was denn „Krieg“ sei, würde eine Menge von ihnen mit dem Kopf schütteln und denken, das sei doch klar. Und schon säße man in der postkolonialen Falle. Denn „Krieg“ ist, wie so vieles andere, ein Begriff, der im „Abendland“ entstanden ist und seine Bedeutung von hierher bezieht.

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Martin Arnold

Postkolonialismus, Gewalt und Gewaltfreiheit

Zwischen Frantz Fanon und Mohandas K. Gandhi

Ereignisse in Afrika in unseren Medien war kürzlich das Thema einer Gruppe, die sich in Essen bei Pro Asyl traf. Ein Mann aus Guinea sagte: „Die Europäer machen uns kaputt. Nicht nur damals zur Kolonialzeit, sondern bis heute. 400 Milliarden Euro werden von Afrika nach Europa transferiert. Sie saugen uns aus, nach wie vor. Und wenn wir nicht tun, was sie wollen, töten sie Menschen – wie in Mali.“ Ist die Kolonialzeit beendet?

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Franziska Heinze

Gender und Postkolonialismus

Postkoloniale Theorie

Postkoloniale Theorie bezeichnet ein breites Spektrum theoretischer Zugänge zu und kritischer Auseinandersetzungen mit historischen und gegenwärtigen Machtverhältnissen, die im Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus und seinen bis heute währenden Fortschreibungen stehen.

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Dr. Sara Salem

Postkolonialismus, Entwicklung und Gender

Über Gender und Hierarchien

Vorbemerkung der Redaktion: Die Autorin hat, als sie diesen Beitrag schrieb, in den Niederlanden gelebt. Deshalb spricht sie den Rassismus dort an. „Niederlande“ könnte aber genauso gedanklich durch „Deutschland“ oder andere europäische Länder ersetzt werden.

mehr ... Thema: Gender und Frieden
Patricia Purtschert

Widerstand gegen Kolonialismus

Postkolonialismus und intellektuelle Dekolonisation

Widerstand gegen den Kolonialismus war auch ein intellektuelles Projekt: Zum einen mussten Analysen des Kolonialismus entwickelt werden, welche dessen Gewalt und Ungerechtigkeit sichtbar machten. Intellektuelle und politische Dekolonisation waren darum eng verwoben. Zum anderen umfasste Kolonisation ebenfalls die Produktion und Verbreitung von Wissen.

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Shashi Rao

Eine postkoloniale Perspektive

Spenden im Kontext von Abhängigkeit und Interdependenz

In den meisten Artikeln und internationalen Studien der 1980er-Jahre zum Thema Entwicklung bezog sich das Wort „Norden“ auf Länder, die mit Begriffen wie „entwickelt“, „Erste Welt“, „reich“ und „fortschrittlich“ in Verbindung gebracht wurden. Das Wort „Süden“ dagegen bezog sich auf die Länder, die als „unterentwickelt“, „Dritte Welt“, „arm“ und „rückständig“ bezeichnet wurden.

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Carolin Philipp

Geschichte dekolonisieren

Gegen-Geschichten für die Zukunft

Unsere Interpretationen der Vergangenheit bestimmen, wie wir uns in unserer globalen Gesellschaft gegenwärtig verhalten und was für uns als „denkbare Zukünfte“ (1) vorstellbar ist. Paulo Freire schrieb, dass die Vergangenheit für den „Menschen als Wesen“ ein Mittel ist, um „noch klarer zu verstehen, was und wer es ist, so dass es die Zukunft noch weiser aufbauen kann“ (2). 

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Christine Schweitzer

Buchbesprechung

Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung

Es gibt in deutscher Sprache nur wenige wissenschaftliche Werke zum Thema Postkolonialismus. Die 2015 in zweiter, wesentlich erweiterter Auflage erschienene „Kritische Einführung“ von zwei in Berlin bzw. Frankfurt lehrenden Politikwissenschaftlerinnen ist eines der wenigen davon.

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Norbert Arntz

Befreiungstheologie

Katholische Weltkirche im konfliktreichen Prozess der Entkolonialisierung

Die das römische Imperium kolonisierende und beerbende Christenheit verwandelt seit dem 3./4. Jahrhundert das Narrativ des ursprünglich messianisch-befreienden Christentums in einen Mythos der Macht. Nur die Imperialisierung der christlichen Botschaft hat die Christianisierung des Imperiums möglich gemacht und durch sie im 16. Jahrhundert die mörderische Conquista, einschließlich der verschiedenen Formen von Inquisition und Verfolgung.

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