Hightech für Potentaten und Gewaltherrscher

Wie mit israelischen Waffen Menschenrechte verletzt werden

von Dr. Shir HeverWolfgang Landgraeber
Hintergrund
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Israel ist nach den Worten des britischen Rüstungsexport-Spezialisten Andrew Feinstein „Amerikas Schaufenster“, denn Israel erhält regelmäßig US-amerikanische Großwaffensysteme (Panzer, Schiffe, Kampfflugzeuge), die es nicht selbst herstellen kann und aus Kostengründen auch nicht will, zu Vorzugspreisen. Vieles davon kommt in den Regionalkonflikten rund um Israel zum Einsatz, und potentielle Kunden für amerikanische Waffen können sich von ihrer „Qualität“ vorab überzeugen.

Israel ist Amerikas Agent im Nahen Osten, vor allem dort, wo die USA nicht selbst militärisch eingreifen können oder wollen, z.B. in der Auseinandersetzung mit dem Iran. Israel liefert Aufklärungstechnologie und Waffen für taktische Einsätze (z.B. Kampfdrohnen) gegen islamistische Kampfverbände oder es setzt sie in strategischer Partnerschaft mit den USA selbst ein.

Da sich die Entwicklung teurer High-Tech-Waffen allein für diese Aufgaben nicht rechnet, treten israelische Waffenfirmen weltweit selbst auf den Plan. Waffensysteme wie Drohnen für die Aufklärung oder die Bekämpfung von Aufstandsbewegungen verkaufen diese Firmen in Absprache mit den USA in alle Welt. Bei der Auswahl ihrer Kunden sind die Hersteller und die israelischen Genehmigungsbehörden wenig zimperlich. Bedient wird, wer bereit ist zu zahlen: ob NATO-Länder wie die Bundesrepublik Deutschland oder autokratische Staaten wie Aserbaidschan oder China. Auch in Länder, in denen Bürgerkriege, Grenzkonflikte oder Genozide im Gange sind (z.B. Ruanda, Indien/Pakistan und Indien/China sowie Südsudan) wurde und wird fleißig geliefert.

Dabei hat Israel aufklärungs- und waffentechnologisch eine Nische besetzt, in der es praktisch noch konkurrenzlos ist und als „Weltmarktführer“ auftreten kann: zum Beispiel auf dem Gebiet der elektronischen Sicherheits- und Grenzsicherungstechnologie durch hochempfindliche Sensoren und Aufklärungsdrohnen. Sie bedeutet die Absicherung und Abschottung von Grenzen in Territorien,  in denen islamistische Terrorgruppen ihren Machtbereich zu erweitern versuchen, ethnisch unterdrückte FreiheitskämpferInnen um ihre Unabhängigkeit kämpfen oder demokratisch gesinnte Widerstandsgruppen gegen diktatorische Regierungen aufstehen.

MenschenrechtsaktivistInnen und die kritische Öffentlichkeit in Israel kritisieren, dass sich die Aufklärungstechnologie und Waffen zur Aufstandsbekämpfung in der Mehrzahl der Länder, in die geliefert wurde und wird, gegen Zivilpersonen und nicht gegen das Militär oder die Polizei richtet. So wie auch im Westjordanland und im Gaza-Streifen, wo die Waffen gegen lebende Menschen „getestet“ werden, nämlich gegen PalästinenserInnen.

Mit elektronischen Grenzsicherungssystemen, Aufklärungs- und Kampfdrohnen, Systemen zur Überwachung von Küsten sowie mit dem Verkauf des dazugehörigen Know-How samt Schulungsprogrammen verdienen israelische Firmen Milliarden. Zudem hat die Regierung des Landes Geheimdienst- und Militärpersonal in Länder entsandt, die darum gebeten und dafür bezahlt haben, wie Kenia nach dem Al-Schabab-Überfall auf ein Einkaufszentrum in Nairobi mit hunderten Toten 2013.

Allerdings wird Israel Mühe haben, seine Marktführerschaft auf dem Gebiet der Überwachungs- und Grenzsicherungstechnik zu verteidigen. Andere Anbieter sind bereits auf dem Markt, darunter große europäische Rüstungsfirmen wie das deutsch-französische Airbus-Konsortium (früher EADS), der französische Thales-Konzern, die italienisch-britische Leonardo-Finmeccanica, die britische BAE Systems und die deutsche Firma Rheinmetall Defence. Für alle von ihnen sind Grenzsicherungssysteme ein Zukunftsmarkt von etlichen Milliarden Euro.

Aber noch haben israelische Elektronikfirmen die Nase vorn: Die Tatsache, dass sie viele ihrer Waffensysteme im eigenen Land oder jenseits seiner Grenzen vor den Augen der Weltöffentlichkeit „testen“ können, hat ihnen zu einem nicht zu unterschätzenden marktpolitischen Vorteil verholfen. Was im Gazastreifen und im Westjordanland fast wöchentlich geschieht, dürfte von Staaten aufmerksam beobachtet werden, die sich von Rebellen- oder Terrorgruppen bedroht sehen oder deren autokratische Herrscher von Aufstandsbewegungen in Frage gestellt werden. So ist es kein Wunder, dass auf internationalen Waffenmessen an den Ständen israelischer Firmen die meistgehörte Frage lautet: „Habt Ihr, was Ihr da anbietet, schon selber unter Kriegsbedingungen getestet?“ Die Antwort lautet dann oft: „Ja, sicher!“, und der Beweis ist durch entsprechende Videobilder leicht zu erbringen.

Der Beitrag wurde dem Friedensforum vom GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE (GN-STAT) zur Verfügung gestellt.

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Dr. Shir Hever ist politischer Ökonom und Journalist. Er lebt in Heidelberg und arbeitet für „The Real News Network” in den USA. Hever hat an der Freien Universität Berlin in Politikwissenschaften promoviert. Publikationen: Die Politische Ökonomie der israelischen Besatzung (2010 auf Englisch, 2014 auf Deutsch erschienen) und The Privatization of Israeli Security (2017).
Wolfgang Landgraeber gehört zu den Kritischen AktionärInnen von H&K.