„Wer Ramstein duldet, ist ein Komplize des Krieges.“(1)

Aktionswoche 2019 der Kampagne „Stopp US-Air Base Ramstein!“

von Renate Wanie
Initiativen
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„Kein Krieg von deutschem Boden!“ So lautete einer der Appelle der Proteste während der Aktionswoche an der US-Air Base Ramstein, dem zentralen Drehkreuz für die Vorbereitung und Durchführung von Militäreinsätzen der USA und der NATO, z.B. in den Nahen und Mittleren Osten. Zum fünften Mal organisierte die Kampagne „Stopp US-Air Base Ramstein!“ Ende Juni 2019 vielfältigen Protest und Widerstand gegen die Relaisstation für die weltweiten Drohneneinsätze der USA. Nach den alljährlichen Demonstrationen und Menschenketten stellte sie in diesem Jahr zum zweiten Mal eine ganze Aktionswoche auf die Beine.

Fast das gesamte Programm fand auf der grünen Wiese eines Bauern in der Region Steinwenden statt. Integriert waren diesmal auch die „Friedenswerkstatt“, die sich mit einem vielfältigen und anspruchsvollen Programm über vier Tage im Friedenscamp erstreckte wie auch der eintägige Internationale Anti-Militärbasen-Kongress. In die Apostelkirche von Kaiserslautern gelegt wurde der mit etwa 650 TeilnehmerInnen überfüllte Vortrag von Professor Rainer Mausfeld aus Kiel, mit dem Titel „Staatsräson contra Völkerrecht – sind wir auf dem Weg in den ewigen Krieg?“ Bei der Abschlusskundgebung demonstrierten etwa 5000 TeilnehmerInnen bei großer Hitze gegen den völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg und die US-Kriegsführung, mit Kultur- und Redebeiträgen aus verschiedenen Spektren. (2)

Hauptredner war der Linken-Politiker Oskar Lafontaine. Er forderte die Schließung der Air Base, da von ihr aktuelle und zukünftige US-amerikanische Kriege geführt werden. Andreas Hartenfels, Landtagsabgeordneter der Grünen in Rheinland-Pfalz, wies auf die unerträglich werdenden Umweltauswirkungen der Air Base hin, z.B. durch Emissionen und Lärm. Im politischen Forderungskatalog der Kampagne ist die sozial-ökologische Transformation hinzugekommen, d.h. weiter angestoßen werden soll eine Debatte über Konversionskonzepte in der militärisch belasteten Region Kaiserslautern. (http://umwelt-militär.info)

Ziel der „Ramstein-Kampagne“ ist, über die zentrale Rolle von Ramstein bei der NATO-Kriegsführung aufzuklären. Die Air Base ist u.a. die Einsatzzentrale des sogenannten Raketenabwehrsystems der NATO im Osten Europas und das Epizentrum aller Informationsflüsse für Übersee-Operationen der USA. Satellitendaten der Kampfdrohnen werden in Ramstein empfangen und über eine eigene Glasfaserleitung an die steuernden Drohnenpiloten in den USA übertragen. Von dort werden durch Lenkraketen der Drohnen gezielte Tötungen, z.B. im Jemen, per Joystick ausgelöst. Zentrale Forderung ist die Schließung der Air Base durch die Kündigung des Truppenstationierungsabkommen mit den USA.

Die Aktionswoche
„Fußball für den Frieden-Kicken gegen den Krieg“ lautete das Motto eines international besetzten  Fußballturniers zum Auftakt der Aktionswoche, organisiert von Mitgliedern der Pfälzer Initiative „Entrüstet Euch!“. Einen Platz zu bekommen, war nicht leicht, die Proteste gegen die Air Base sind nicht beliebt. (3) Selbstorganisiert, stets diskussionsbereit und in einem freundlichen Umgang miteinander, wurde mit etwa fünfzig HelferInnen ein einwöchiges Friedenscamp errichtet, das am Ende der Woche etwa 750 ZeltbewohnerInnen zählte. Eine beeindruckend funktionierende Infrastruktur, hervorragend koordiniert von einem Camp-Team und mit der wechselnden Unterstützung von vielen HelferInnen aus dem Camp. Alle packten mit an und unterstützten beispielsweise die niederländischen Köche bei der Vorbereitung der vegetarischen Mahlzeiten. Die Getränkeausgabe organisierte der Motorrad Club Kuhle Wampe, der sich im letzten Jahr entschlossen hatte, aktiv in die Kampagne einzusteigen.

Auffallend waren die vielen jungen und neuen Teilnehmenden aus allen Himmelsrichtungen der Republik, auch aus Ostdeutschland und sogar aus Wien. In Mittagstischgesprächen war zu erfahren, dass sie, ermutigt von ihren gerade gemachten Erfahrungen in der fridays for future-Bewegung, aus dem Widerstand im Hambacher Forst oder auch durch den Video-Auftritt des YouTubers Rezo, sich den Protesten an der Air Base angeschlossen haben. Das bunte Ambiente erinnerte an die Friedenscamps der 80er Jahre.

Politisches Wissen und Handwerkszeug für das friedenspolitische Engagement zu vermitteln, ist das Ziel der jährlichen Friedenswerkstatt, koordiniert von einem Mitarbeiter der Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt/M. Die Werkstatt fand erstmals nicht in Kaiserslautern statt, sondern  im Friedenscamp: An vier Tagen, parallel in Zweistunden-Blöcken, standen etwa 30 stets gut besuchte Seminare und Diskussionsrunden auf dem Programm. Die Themen waren vielfältig: z.B. Umgang mit Online-Medien, Konzepte für Ökonomie und Systemwechsel, Geschlechtergerechtigkeit und Frauenquote in der Friedensbewegung, Klimagerechtigkeit, junge Menschen und Militarismus, Verantwortung der Wissenschaft in Zeiten zunehmender Militarisierung, NATO- und US-Truppenpräsenz delegitimieren - aber wie? Und einmalig auch „Vierzig Jahre Kochen für den Frieden“. Zudem unternahm eine 60-köpfige Gruppe eine eintägige Busfahrt vom Camp zum Atomwaffenlager Büchel, um die dortige Dauerpräsenz zu unterstützen.

An zwei Vormittagen wurde von der Autorin ein „Blockadetraining“ angeboten. 38 Menschen nahmen an den beiden Trainings teil, begleitet von Video-Aufnahmen der Medieninitiative „Freundeskreis Videoclips“. Die Sitzblockade ist eine politisch motivierte Aktion Zivilen Ungehorsams, um den Handlungsraum zu erweitern - in den Eskalationsstufen gewaltfreier Aktion eine bewusste Übertretung rechtlicher Normen. Trainings bieten die Möglichkeit, über entsprechende Verhaltensweisen zu verfügen (in Bezugsgruppen, Dialogbereitschaft, Konsensentscheidung) und sie in der zu erwartenden Situation anzuwenden. Ziel der Blockade an der Air Base Ramstein war es, den politischen Konflikt zu dramatisieren und sich mit der öffentlichen Aktion dem Unrecht zu widersetzen.

Ein internationaler Austausch von vierzig AktivistInnen gegen Militärbasen weltweit schloss sich am fünften Tag im Friedenscamp an, angereist aus Großbritannien, der Schweiz, Irland, Australien, den USA und Frankreich sowie aus Deutschland der Politikwissenschaftler Professor Werner Ruf und erstmalig auch Hubert Weiger vom BUND. Im Rahmen der Kampagne Ramstein ist dies angesichts der wahnwitzigen Aufrüstung der dritte Kongress, um internationale Solidarität und gegenseitige Zusammenarbeit gegen die gigantische Militärmaschinerie (weltweit ca. 800 US-Basen in 70 Ländern) zu stärken. In einem Resolutionsentwurf unterstützten die Teilnehmenden die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags der USA und die Mitgliedschaft in der NATO zu beenden.

Kampagne politisch wirksam?
Die Kampagne „Stopp US-Air Base Ramstein!“ zeigt politisch Wirkung. Doch in die falsche Richtung. Erstmals erlebte die Kampagne Reglementierungen, restriktive Auflagen bis hin zur Schikane. Entgegen den mündlichen Vereinbarungen mit der Stadtverwaltung Ramstein-Miesenbach erhielten die Verantwortlichen der Kampagne zu Beginn der Aktionswoche die Nachricht, nicht auf dem angemeldeten Fahrbahnstreifen der Zufahrt zur Air Base demonstrieren zu dürfen. Vorgeschrieben wurde der linke Randstreifen der Zufahrtsstraße, zu schmal für die Zahl der erwarteten Demonstrierenden. Den juristischen Widerspruch der Kampagne lehnte das Verwaltungsgericht Neustadt einen Tag vor der Demonstration ab. Eine weitere Einschränkung erfolgte bei der Anmeldung der Friedenswiese. Bisher ohne Auflage, wurde während der Aktionswoche laute Musik auf 22 Uhr begrenzt. Die Wiese liegt weit außerhalb des nächsten Ortes.

Welchen Einfluss die Verantwortlichen der US-Air Base bei diesen Entwicklungen haben, konnte man  bei der Bestellung der Toilettenhäuschen für das Camp beobachten. Offen benannte die Verleihfirma den Druck, der ihr widerfuhr: Bei Verleih der Häuschen an das Friedenscamp würde die Air Base zukünftig keine Bestellung mehr bei der Firma aufgeben. Nach einigen Mühen fand der Camp-Koordinator eine andere regionale Firma.

Befördern die seit fünf Jahren anhaltenden öffentlichen Aktionen in der Region eine gewisse Störung des Militärbetriebs? Sind die Veröffentlichungen der Kampagne mit dem Hinweis auf den ständigen Verstoß gegen Artikel 26 GG, namentlich das Verbot eines Angriffskrieges, politisch nicht gewollt? Keine der Übereinkünfte, weder das NATO-Truppenstatut (1951), noch das Zusatzabkommen (1959), sehen bei der Durchführung von Militäroperationen (Relaisstation für US-Drohnenkrieg) eine Verpflichtung Deutschlands vor, sie von der Beachtung deutschen Rechts freizusprechen. Oder ist ein möglicher Hintergrund für die Reglementierungen die Anmerkung des Bürgermeisters von Ramstein-Miesenbach, Ralf Hechler, eine Blockade wie im Jahr 2018 solle auf keinen Fall mehr stattfinden? In Folge „begleitete“ ein massiver Polizei-Einsatz einen parallel angemeldeten Demozug zur Abschlusskundgebung und verhinderte die Sitzblockade von mehreren Bezugsgruppen auf der Zufahrtsstraße zur US-Air Base. Eine sorgfältige Auswertung wird folgen.

Anmerkungen
1 Zitat Vortrag Rainer Mausfeld.
2 Alle Redebeiträge: www.ramstein-kampagne.eu
3 Die „Military Community“ spiegelt sich in der Region unübersehbar wider und ist ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor in der Pfalz. Ein Beispiel ist das Stadtbild, z.B. von Ramstein Miesenbach: englischsprachige Namensschilder für Geschäfte und Kneipen, englisch-sprachige Hinweise. Zehntausende von Army-Angehörigen sind auf mehreren Luftwaffenstützpunkten und Unterstützungseinrichtungen stationiert. Die Militärangehörigen und deren Familienangehörige stellen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor in der Region dar. In den Standortregionen sind Ramstein und Spangdahlem die größten und bedeutendsten Arbeitgeber für die heimische Bevölkerung.

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