Kongress der IALANA

Frieden durch Recht?

von Reiner Braun
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die Menschheit war in ihrer Geschichte – bis heute – nicht besonders produktiv bei der Beantwortung der Frage: Wie bringt man die vielfältigen und vielfach gegenläufigen Interessen sowie die auseinanderstrebenden Willen der Individuen, Gemeinschaften, Völker und Staaten in einen das friedliche Zusammenleben ermöglichenden Rahmen? Das Verhalten der Staaten und anderer Völkerrechtssubjekte zueinander berechenbarer zu machen, gehört zu den wichtigsten friedenssichernden Funktionen des Völkerrechts. Völkerrecht schafft zudem institutionelle Rahmenbedingungen für den Verzicht oder jedenfalls die Begrenzung von Gewalt. Es stellt Regeln und Verfahren für die Austragung, Regelung und Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung. Hier haben vor allem auch internationale Organisationen und Institutionen, die ihrerseits auf völkerrechtlichen Verträgen und Abmachungen beruhen, ihre wichtige Funktion. Dazu gehört die UNO Charta, die eine der bedeutendsten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte ist.

Wir müssen dennoch immer wieder die bestürzende Erfahrung machen: Gerade die Normen des Völkerrechts, aber auch die Gewaltverbote und Friedensgebote des nationalen Rechts werden immer wieder missachtet, gerade auch von denen, die einen Amtseid auf die Verfassung und damit zugleich auch auf das geltende Völkerrecht geleistet haben. Die jüngere und jüngste Vergangenheit bietet dafür zahlreiche illustrative Beispiele, auch für Deutschland:

  • die aktive politische und militärische Beteiligung am Krieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien,
  • die direkte und indirekte Unterstützung für die US-geführte „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen Irak,
  • die Hinnahme von oder gar Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen den Terror“ (z.B. Duldung von Flügen im deutschen Luftraum und Nutzung des deutschen Territoriums im Rahmen von Renditions-Aktionen u.a. der CIA; Übernahme und Verwertung von „Folter-Geständnissen“; menschenrechtswidrige Schutzverweigerung für Guantanamo-Häftlinge z.B. im Falle Kurnaz; Behinderung der Strafverfolgung von Folter- Verantwortlichen),
  • die Weigerung, (auch) für Militäreinsätze der Bundeswehr und für die militärische Nutzung von ausländischen Militärbasen in Deutschland die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag anzuerkennen.

Entgegen dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 hält die Bundesregierung weiterhin an der NATO-Nuklearstrategie fest, die die Androhung und den Einsatz von Atomwaffen vorsieht.

Es ist deshalb dringend an der Zeit, die konkreten Inhalte und Funktion(en) der Friedensgebote des Grundgesetzes und des geltenden Völkerrechts neu zu vermessen. In welcher Weise können Juristinnen und Juristen bei deren Anwendung und praktischer Umsetzung wirkungsvoller mitwirken? Dazu gehört auch die kritische Frage, ob das geltende Völkerrecht in seinem heutigen Zuschnitt in der Lage ist, diese Friedensgebote implementieren zu helfen? Ist eine stärkere Verrechtlichung der internationalen Beziehungen sinnvoll und wünschenswert? Welche Rolle kann dabei innerstaatlichen und internationalen Gerichten zukommen? Empfiehlt es sich, z.B. bei Verletzungen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes oder anderer völkerrechtlicher Delikte stärker auf strafrechtliche Verfahren gegen Entscheidungsträger zu setzen, in welcher Weise? Können zivilgerichtliche Schadensersatzklagen (Amtshaftung) dazu beitragen, den Krieg als Mittel der Politik unattraktiver zu machen? Zu diskutieren ist auch, ob sich die Herausbildung und Schaffung eines neuen Rechtsgebiets.

Zur Diskussion dieser Fragen lädt die IALANA Fachleute, Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, StrafrechtlerInnen, SozialwissenschaftlerInnen, PolitikerInnen, Studentinnen und Studenten, VerwaltungsjuristInnen und interessierte Bürgerinnen und Bürger ein, um Antworten zu finden und auch den Versuch zu unternehmen, ein Netzwerk für die weitere Kooperation von friedensrechtlich Interessierten zu schaffen. 

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Reiner Braun war Geschäftsführer der IALANA Deutschland und ist ehem. Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).