Afghanistan Friedensaktionskonferenz

Frieden in Afghanistan?

von Christine Schweitzer

Nachdem eine ursprünglich geplante internationale Konferenz von VertreterInnen der afghanischen Diaspora und der europäischen Friedensbewegungen zum zweiten Male verschoben werden musste, fand am 26. April zumindest auf deutscher Ebene ein „Friedensaktionskonferenz“ genanntes Treffen in Hannover statt. Eingeladen hatten Reiner Braun (IALANA), Rechtsanwalt Karim Popal, der die Opfer von Kunduz vor den deutschen Gerichten vertritt, und die Orientalistin Wahida Kabir. Ungefähr 30 Menschen, einige mehr aus Afghanistan als aus Deutschland, und auch zwei Vertreter einer Menschenrechtsorganisation aus dem Iran, nahmen teil.

Die Konferenz wurde durch einen Input des Marburger Politologen Matin Baraki eingeleitet; ergänzende Beiträge gab es von mehreren weiteren Gruppen und Organisationen unterschiedlicher politischer Orientierungen und einer Organisation von Studierenden aus Hamburg, die „Afghan Peacemakers“, die sich vor allem für ein Wahlrecht der im Ausland lebenden AfghanInnen einsetzen.

Durch die Inputs und die Diskussion wurde bei durchaus gravierenden Unterschieden in anderen Fragen eine recht große Gemeinsamkeit der AfghanInnen in zwei Punkten deutlich. Der erste war, dass man ohne Vorbedingungen zu stellen miteinander in den Dialog kommen müsse, wobei dies sowohl für Afghanistan selbst wie auch für die Gruppen in der Diaspora gefordert wurde. Dies ist eine politisch brisante Aussage, denn von verschiedenen Seiten werden, auch in Afghanistan selbst, nicht nur von Seite der internationalen Interventen, Vorbedingungen gestellt oder bestimmte Gruppen vom Dialog ausgeschlossen. Ein solcher Dialog in Afghanistan wurde auch als der einzige Weg gesehen, zu einer Regierung „von, für und mit Afghanen“ zu kommen.

Der  zweite Punkt betraf die Einschätzung des Angriffs und der Besatzung Afghanistans durch die USA und die NATO, sowie die Kritik an den derzeit noch laufenden Präsidentschaftswahlen und dem, was nach dem angeblichen Abzug der Kampftruppen der NATO zu erwarten ist. Es waren sich alle einig, dass die Wahlen manipuliert seien – bis hin zu der Annahme, dass letztlich hinter verschlossenen Türen von den USA und ihren Marionetten schon festgelegt worden sei, wer das Land zukünftig führe. Auch würde der Stationierungsvertrag, dessen Unterzeichnung Karzai verweigert, von allen aussichtsreichen Kandidaten unterstützt. Und außerdem würde der Begriff „Abzug“ eigentlich ein falsches Bild vermitteln, denn die internationale Präsenz würde fortgesetzt werden. Der einzige Unterschied, so Baraki, sei, dass in Zukunft ‚Afghanen mit Afghanen kämpfen werden‘. (Siehe auch die Beiträge im Schwerpunkt des Friedensforums 2/2014.)

Recht wenig konkret blieben die Frage von Perspektiven für Afghanistan. Die Kritik an dem, was geschehen ist und an den derzeitigen Verhältnissen, die als von den USA / der NATO gelenkt gesehen werden, war viel konkreter und deutlicher als Ideen, wie es weitergehen könne, oder wie man z.B. einen solchen nationalen Dialog erreichen könnte. Auch die Antworten auf Frage nach konkreten Forderungen an die deutsche Politik blieb, abgesehen von: ‚Abzug der Truppen und Gelder zivil einsetzen‘ vage. Besorgniserregend war ein Bericht von Reiner Braun, der die Behandlung von afghanischen Flüchtlingen in Deutschland betrifft. Zumindest der bayrische Innenminister hat offenbar beschlossen, dass es in Afghanistan „sichere Regionen“ gebe, und will Menschen dorthin abschieben. Es steht zu fürchten, dass andere Bundesländer sich anschließen werden.

Reiner Braun fasste am Schluss vier Ergebnisse der Konferenz zusammen:

1. Es soll eine weitere eigenständig organisierte innerafghanische Verständigung stattfinden, mit einem eigenen Treffen in den nächsten Monaten.

2. Anlässlich des Jahrestages des Massakers von Kunduz soll eine Demonstration in Bonn stattfinden – entweder am Tag selbst, dem 4. September, oder am darauffolgenden Samstag.

3. Es soll einen nationalen und internationalen Vorbereitungsprozess für eine erfolgreiche internationale Konferenz geben – Zeitpunkt und Ort blieben offen.

4. Im Herbst soll es ein neues Treffen mit ähnlichem Format wie das in Hannover geben, nur dieses Mal im Süden der Republik.

Außerdem wurde auch auf den bevorstehenden NATO-Gipfel in Wales im September 2014 hingewiesen, wo Afghanistan bei den Gegenveranstaltungen auch eine Rolle spielen wird.

Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass Afghanistan nicht aus den Köpfen verschwinden darf. Trotz Ukraine und trotz der Arbeitsüberlastung in den ehren- und hauptamtlichen Strukturen der Friedensbewegung. Die Probleme in Afghanistan bleiben auch nach dem Teil-Abzug der deutschen Truppen, und Deutschland trägt viel Verantwortung für die gegenwärtige Misere in dem Land. Grund genug, weiter zu Afghanistan tätig zu sein.

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Rubrik

Krisen und Kriege
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.