Friedensdemokratie und Sozialbewegung

von Thomas Schmidt

Die SPD und die Friedensbewegung hatten schon immer ein sehr enges Verhältnis. Die SPD sorgte als Regierungspartei für den Aufrüstungsbeschluß der Nato und trug damit·entscheidend zur Entstehung der Neuen Friedensbewegung als Massenbewegung bei. Ohne eine Vertretung in der damaligen Parteienlandschaft wurde von vielen die Notwendigkeit einer außerparlamentarischen Arbeit eingesehen, eine bewegte Opposition, in der von Anfang an Sozialdeinokraten ein entscheidendes. Wörtchen mitredeten, übernahm in der Friedensfrage die Meinungsführerschaft. In die Opposition verstoßen kroch die Sozialdemokratie zu Kreuze oder zeigte "Lernbereitschaft" - je nach Coleur -, vollzog in der Raketenfrage einen Stellungswechsel und lief mit zerknirschtem Lächeln mit den Friedensdemonstranten - in der ersten Reihe.

Die Friedensbewegung erreichte ihr Ziel weiß Gott nicht im ersten Anlauf - 83 setzte es eine herbe Niederlage. Kontinuität war gefragt, Bewußtseinsveränderung, der lange Marsch ...

Der kreativste Teil der Friedensbewegung, die Unabhängigen, die Unorthodoxen gerieten in Schwierigkeiten. Die oft spontanen Zusammenschlüsse, von ehrenamtlicher Arbeit und Spenden. getragen, konnten in der ersten Enttäuschung ihre Strukturen nicht halten. Die Stunde der Berufsfunktionäre und der großen Apparate war erneut angebrochen.

Immerhin soviel war gelernt, bei den kommenden Aktionen mußte um den Konsens gerungen werden, reiner Parteienklüngel allein war zum Scheitern verurteilt - und mit den Grünen schien sich ein gewisses Gegengewicht etabliert zu haben.

In den mühsamer gewordenen, aber kontinuierlichen Aktivitäten kam frischer Wind durch Hilfe aus dem Osten. Gorbatschow durchbrach mit Abrüstungvorschlägen das gewohnte Aufrüstungskarussell. Die Nato erwischte es auf dem falschen Fuß. Mit rein rhetorisch gemeinten Zugeständnissen gegenüber der Friedensbewegung stand sie plötzlich im Wort - ein erster Abrüstungvertrag wurde unterzeichnet - die ersten Raketen sind verschrottet.
    
Der SPD fiel es in dieser Zeit leicht am Kristallisationspunkt der Friedensbewegung - Pershing II und Cruise Missiles - Einigkeit mit der Bewegung zu zeigen. Die Sowjetunion machte so weitgehende Zugeständnisse - erinnert sei nur an · die Ausklammerung der britischen und französischen Waffen - daß nur die Hardliner in der CDU ernsthaften Widerstand leisten konnten. Der Forderung "Weg mit dem Stolperstein Pershing 1a !" schloß sich der neue SPD-Chef Vogel auf den von der Friedensbewegung erstellten Rednertribüne auf dem Bonner Hofgarten in Sommer 87 gerne an.

Die große Nähe war allerdings. nur oberflächlich. Denn die Friedensbewegung hat sich in ihrem Kern weiterentwickelt. Sie hat gelernt, daß das Anrennen gegen einzelne Waffensysteme nicht ausreicht, daß die NatoStategien als solche, daß die Abschreckungspolitik als Ganzes abgelöst werden muß. Sie hat auch längst Aktionsformen entwickelt, mit der sie ernsthaften Widerstand verdeutlichte, ihre gewaltfreie Alternative der Konfliktbewältigung symbolisch vorwegnahm. 

Die SPD - inzwischen wieder mehrheitlich nach Regierungkompetenz schielend - kommt da natürlich nicht mehr mit. Für die Wähler in der Mitte meint sie vor allem Festigkeit im Bündnis und gute - und das heißt für sie immer noch militärische - Zusammenarbeit im westlichen Europa. Doch die SPD hat dazu gelernt. Der offene Affront mit der Friedensbewegung hat ihr schon einmal empfindlichen Schaden zugefügt. Also ist der subtile Weg angesagt. Während eine rege Dialog- und Gesprächsbereitschaft signalisiert wird, geht man in der Substanz längst wieder alte Pfade. Gespräche des Koordinierungsausschusses mit der SPD-Spitze lassen das Fazit zu: Die Friedensbewegung soll für den Herbst auf die Modernisierungsdiskussion beschränkt werden, sozialdemokratische Vorfeldarbeit kann auf massive strukturelle und finanzielle Hilfe bauen.

Das unabhängige Spektrum in der Friedensbewegung befindet sich in einer unbequemen Lage. Man/frau ist von der Notwendigkeit der eigenständigen Entwicklung überzeugt, wenn man/frau gleichwohl weiß, daß die Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung noch des langen und kontinuierli-chen Atems bedarf. Strukturell und finanziell ist der übliche Notstand oft schon existentiell geworden - sprich ganz ohne die Hilfe der Parteien geht es nicht. Die SPD verlangt einen saftigen - unannehmbaren - Preis. Die DKP steht wie üblich bei Fuß und die GRÜNE Bundesspitze hat das Täema "Frieden" einstweilen den inneren Querelen geopfert.

Ein gradliniger, einfacher Weg steht nicht zur Verfügung. Der Kampf um friedensbewegten Freiraum wird schwieriger. Helfen kann nur die konsequente Einsicht derjenigen, die gelernt haben, daß sich grundsätzliche Perspektiven für diese Gesellschaft nicht · durch das kurzatmige Krisenmangement der Parteien, sondern nur durch das aktive Mittun in den Sozialen Bewegungen eröffnen lassen.
 

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