Buchbesprechung

„Friedenslogik verstehen“

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

Friedenslogik ist ein von der Politologin Hanne-Margret Birckenbach wesentlich mit-entwickeltes Konzept, wie Frieden „gemacht“ werden kann, denn Frieden hat man nicht einfach. So der programmatische Untertitel eines neuen Werks von Birckenbach, in dem sie versucht, Friedenslogik umfassend zu beschreiben, ohne auf deren negatives Gegenstück, die herrschende Sicherheitslogik, zu rekurrieren.

Friedenslogisches Handeln umfasst eine Abfolge von aufeinander abgestimmten Schritten. „Das Problem und das Ziel werden benannt, ein Lösungsweg wird gesucht, Hilfsmittel werden bereitgelegt, Hindernisse überwunden und im Fall eines Misserfolgs wird überlegt, was bei jedem Schritt verbessert werden kann, während ein neuer Anlauf geplant wird.“ (S. 6)

Das Buch besteht aus drei Teilen. Im Teil I geht es um den „Schlüsselbegriff Frieden“. Hier beschreibt Birckenbach sowohl Prozesse bei den Vereinten Nationen, Frieden zu definieren wie Arbeit der Friedens- und Konfliktforschung hierzu. Sie beschäftigt sich mit engen und weiteren Begriffen des Friedens. Seine drei Parameter seien Beziehungen, der Konfliktaustrag und die gesellschaftspolitischen Strukturen. Frieden bezeichnet ihr zufolge „…eine Form sozialer Beziehungen, in denen gesellschaftspolitische Strukturen darauf hinwirken, dass Konflikte zunehmend ohne vermeidbare Schädigungen von Menschen und ihrer Lebensumstände ausgetragen werden und problemlösende, bedürfnisorientierte Zusammenarbeit gelingt.“ (S. 36)

Der Teil II beschreibt die fünf „friedenslogischen Handlungsprinzipien“: Gewaltprävention, Konflikttransformation (Bearbeitung der Ursachen), Dialogverträglichkeit (Erweiterung von Denk- und Kooperationsräumen), normorientierte Interessenentwicklung (Verknüpfung von Friedensethik mit den realen Anwendungsbedingungen) und Fehlerfreundlichkeit.

Bei der Gewaltprävention geht es nicht nur um die direkte, physische Gewalt, sondern um alle Formen der Gewalt, wie Johan Galtung sie beschrieben hat – direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt. Prävention ist heute weitgehend als Aufgabe anerkannt und in vielen Bereichen, von Polizei bis zu internationaler Diplomatie, auch institutionalisiert. Ein positives Beispiel ist die Kontrolle des Handels mit Diamanten, die seit 2003 nur mit einem Herkunftszertifikat versehen verkauft werden dürfen.

Konflikttransformation beschäftigt sich mit den Ursachen eines Konflikts und „überführt konfrontative Beziehungen zwischen Konfliktparteien in eine kooperative Formation“. (S. 65). Sie ist eine sehr komplexe Aufgabe und erfordert eine Bereitschaft der Konfliktparteien, sich auf einen solchen Prozess einzulassen. Sie müssen zunächst einmal anerkennen, dass es sich um einen Konflikt handelt und welche Rolle sie in dem Konflikt spielen. Dann ist es möglich, Initiativen zur Veränderung zu ergreifen und vielleicht auch erstmal Teilkonflikte als Quellen von Gewalt aus dem Weg zu räumen.

Im Abschnitt zu Dialogverträglichkeit befasst sich Birckenbach vor allem mit den Instrumenten, die sich die Vereinten Nationen als Mittel der friedlichen Konfliktbeilegung gegeben haben, von Verhandlung und Vermittlung bis zu schiedsgerichtlichen Entscheidungen.

„Normorientierte Interessentwicklung“, das vierte Prinzip der Friedenslogik, meint einen gesellschaftlichen Prozess der Auseinandersetzung mit konfliktiven Interessen. Sie können in friedenszuträgliche Bahnen gelenkt werden, wenn es gelingt, Mitwirkung aller Akteure zu erzielen, deren Interessen und Bedürfnisse zu identifizieren und Lösungen zu finden, die den „ethischen und politischen Normen nicht entgegen steh[en]“ (S. 142).

Fehlerfreundlichkeit meint die Bereitschaft, Fehler einzugestehen und es erneut zu versuchen – etwas, was der Politik bekanntlich oft schwerfällt.

Im Teil III geht es dann um „Friedenslogisches Handeln im Unfrieden“. Hier gibt Birckenbach vier Beispiele, um Friedenslogik anschaulich zu machen. Es geht um die Staatsbürgerkonflikte in Estland und Lettland, um Nordirland, Kenia und zivilgesellschaftliches Handeln zu Abrüstungsfragen.

Das Buch wurde im Wesentlichen vor Beginn des Ukraine-Kriegs fertiggestellt, nur an ganz wenigen Stellen hat die Autorin nachträglich noch eine Bemerkung zu dem Konflikt eingestreut. Aber vielleicht ist das eher eine Stärke des Werkes, da es so erlaubt, sich der Frage, was es braucht, um Frieden zu schaffen, jenseits der Tagesaktualität zu nähern. Es hat darüber hinaus auch einen pädagogischen Anspruch: Am Ende jedes Abschnitts macht die Autorin „Diskussionsanregungen“ zur Weiterarbeit.

„Friedenslogik verstehen“ sei allen empfohlen, die Interesse haben, sich umfassend mit dem Thema „Frieden machen“ auseinanderzusetzen und herauszufinden, welche Ansätze und Erfahrungen weltweit hierbei schon gemacht worden sind.

Birckenbach, Hanne-Margret (2023): Friedenslogik verstehen. Frieden hat man nicht, Frieden muss man machen, Frankfurt/Main: Wochenschauverlag, 232 S, ISBN 978-3-7344-1539-5, 22,90 Euro

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.