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Afghanistan
Friedensplan für Afghanistan
von
Naqibullah Shorish ist der Stammesführer des mit 3 Millionen Menschen größten Stammes Afghanistans, der Kharoti. Shorish repräsentiert in dieser Funktion ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung Afghanistans. Unter den Mitgliedern dieses Stammes sind sowohl Regierungsanhänger als auch Anhänger der Taliban zu finden.
Shorish wurde im April zum zentralen Stammesführer gewählt. Zuvor hatte dieser Stamm in seiner Geschichte keinen zentralen Stammesführer, sondern nur dezentrale. Die Kharoti haben Shorish in diese neu eingerichtete Position gewählt mit dem Auftrag, Afghanistan Frieden zu bringen.
Shorish war im Mai 2008 Mitbegründer der Nationalen Friedens-Jirga Afghanistans, der mehr als 3000 überwiegend paschtunische Stammesführer, Intellektuelle, Abgeordnete und islamische Würdenträger angehören. Ziel dieser Friedens-Jirga war und ist ein Verhandlungsprozess unter Einschluss der Taliban. Shorish ist in der Friedens-Jirga seit ihrer Gründung zuständig für internationale Beziehungen. (Die Friedens-Jirga ist nicht identisch mit dem 2010 von der Karsai-Regierung einberufenen Hohen Friedensrat.)
Der von Naqibullah Shorish entwickelte und von Otmar Steinbicker (aixpaix.de) in Deutschland bekanntgemachte Plan (s. auch das Interview mit Shorish in diesem Heft) ist der derzeitig einzige international von den unterschiedlichen Seiten diskutierte Friedensplan. In seinen Grundsätzen (nicht den Details) wurde er von den Taliban bereits akzeptiert. Wichtiger als die Zustimmung aller Konfliktparteien zu allen Punkten dieses Plans aber ist es, eine Dynamik für Gespräche und schließlich für Verhandlungen zu entwickeln. Der Plan kann und will nicht deren Ergebnisse vorwegnehmen. Er stimuliert aber die inhaltliche Debatte um strittige Punkte. Jede Seite ist gefordert, sich mit ihm auseinanderzusetzen und entweder Positionen zuzustimmen oder alternative Vorschläge zu entwickeln, die geeignet sind, dass ihnen die jeweils andere Seite zustimmen kann.
Details des Plans
Der „Shorish-Plan“ geht in seiner Analyse davon aus, dass sich der Afghanistankrieg in einer Sackgasse des militärischen Patts befindet.
Der Plan sieht mehrere Phasen vor:
1. Vertrauensbildende Maßnahmen. Dazu zählen die Anerkennung der UNO-Charta und der UNO-Menschenrechtscharta als Grundlage für die innen- und außenpolitische Zukunft Afghanistans ebenso wie die Bereitschaft zu einem sofortigen und allseitigen Waffenstillstand.
2. Eine zweite „Petersberg-Konferenz“ unter Vorsitz der UNO, die eine Weichenstellung für eine Übergangsregierung und einen Zeitplan für einen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan festlegt.
An dieser Konferenz sollen Angehörige der Konfliktparteien, wie z.B. Vertreter der NATO, Mitglieder der Kabuler Regierung und Vertreter des bewaffneten Widerstands sowie einflussreiche afghanische Stammesführer teilnehmen.
3. Weitere Gespräche und Verhandlungen auf unterschiedlichen Ebenen, innerafghanisch, international und zwischen ISAF und Aufständischen.
Für die innerafghanischen Gespräche wird eine Jirga gebildet, der in der ersten Phase ausschließlich Stammesführer angehören, die alle Nationalitäten und zumindest die wichtigsten Stämme Afghanistans vertreten. Diese Jirga erarbeitet zuerst die Modalitäten für die innerafghanischen Gespräche und Verhandlungen und zieht danach Vertreter der unterschiedlichen Konfliktparteien hinzu.
Auf der internationalen Ebene wird eine internationale Konferenz Afghanistans und seiner Nachbarstaaten (Pakistan, Iran, Usbekistan, Tadschikistan u.a.) unter der Obhut der UN vorbereitet.
Zwischen ISAF und Aufständischen geht es darum, den Weg für eine dauerhafte Beendigung des Krieges, eine international akzeptierte Friedenslösung und den Abzug der internationalen Truppen freizumachen.
4. Bildung einer Übergangsregierung für zwei Jahre. Diese soll den Entwurf einer neuen Verfassung ausarbeiten, die durch die traditionelle Loya Jirga beraten und beschlossen wird, Neuwahlen vorbereiten und den Dogenanbau bekämpfen.
5. Aufbau neuer Sicherheitsorgane aus den bisherigen nationalen Sicherheitskräften und den Widerstandskämpfern.
Erster Schritt muss die Entwaffnung aller illegal bewaffneten Gruppen und Milizen sowie der privaten Sicherheitsfirmen sein.
Zum Aufbau neuer Sicherheitsorgane wird eine Koordinierungszentrale aus den bisherigen nationalen Sicherheitskräften und den Widerstandskämpfern geschaffen.