Thesen

Gedanken zur Rüstungskonversion

von Ullrich Hahn

Bei Diskussionen und Aktionen gegen den Export von Kriegswaffen und deren Produktion wird innerhalb der beteiligten Friedensgruppen oft die Frage aufgeworfen, wie denn die Produktion von Waffen in zivile Güter überführt werden könnte, d.h. welche Alternativen insbesondere auch den betroffenen Beschäftigten angeboten werden könnten.

Dahinter steht oft die Annahme, eine Kritik an dieser Waffenproduktion sei nur erlaubt, wenn für die betroffenen Arbeitsplätze eine Alternative angeboten werden könnte.

Solche Sorgen sind allerdings unbegründet:

1. Die Rüstungsindustrie folgt zunächst den gleichen Marktgesetzen wie andere Betriebe:

Solange eine Nachfrage nach Kriegswaffen besteht und mit deren Produktion auf legale Weise Gewinn erzielt werden kann, wird es eine entsprechende Produktion weiterhin geben.

2. Soweit die Nachfrage nach Kriegswaffen zurückgeht, unterliegt die Rüstungsindustrie den gleichen Anpassungsproblemen an den Markt wie jeder andere Wirtschaftszweig auch.

In den Jahren nach 1990 ist in Deutschland ein Großteil der Rüstungsarbeitsplätze weggefallen durch Einschränkung der Produktion (wegen Verkleinerung und Umrüstung der Bundeswehr), Rationalisierung, Verlagerung der Produktion ins Ausland etc., also durch Vorgänge, wie sie in der übrigen Wirtschaft auch stattgefunden haben und stattfinden, ohne dass es besonderer Konversionsprogramme des Staates bedurft hätte (mit Ausnahme besonderer Pläne für die frei gewordenen und z.T. verseuchten Liegenschaften des Militärs, Truppenübungsplätze, Kasernen etc.).

3. Für die Rüstungsindustrie bestehen dabei noch günstige Voraussetzungen für Anpassungsprozesse an den Markt:

Bei der Entwicklung von Waffensystemen handelt es sich i.d.R. um eine hochentwickelte Technologie, die auch für den Einstieg in andere Produktionsbereiche gute Startbedingungen bietet.

Deutlich wird dies insbesondere durch den immer größeren Anteil von IT-Komponenten in allen Waffensystemen, die auch als „dual-use“ Produkte im zivilen Bereich eingesetzt werden.

4. Entsprechend sind die im Rüstungsbereich beschäftigten Arbeitnehmer zum größten Teil hochqualifizierte Arbeiter und Ingenieure, die beim gegenwärtigen Bedarf an solchen Fachkräften selbst bei Schließung von Rüstungsbetrieben nicht von längerer Arbeitslosigkeit bedroht wären.

5. Sollte im Fall einer vollständigen Abrüstung der Bundeswehr die Inlandsnachfrage nach Kriegswaffen ganz wegfallen, würden die bisherigen für das Militär benötigten Milliarden des Bundeshaushalts für die Bestellung anderer ziviler Produkte oder Dienstleistungen frei werden, und wegen der unterschiedlichen Produktivität der Arbeitsplätze möglicherweise sogar mehr Menschen beschäftigen können, als dies durch die derzeitige Rüstungsproduktion der Fall ist.

6. Es ist außerdem nicht nachzuvollziehen, warum ausgerechnet die bisher schon durch hohe Gewinne und hohe Löhne privilegierte Rüstungsindustrie eine besondere Fürsorge im Fall einer anstehenden Konversion ihrer Produkte erhalten sollte, wie sie in anderen Bereichen der Wirtschaft nicht üblich ist, wo die Schließung von Betrieben, Entlassung von Arbeitnehmern oder die Umwandlung von Festarbeitsplätzen in Zeit- u. Leiharbeit an der Tagesordnung ist.

7. Die Frage nach Alternativen für die Arbeitsplätze in der Waffenindustrie ist schließlich nicht von den Menschen außerhalb dieser Firmen zu beantworten. Die Geschäftsleitungen und Entwicklungsingenieure solcher Betriebe wissen besser als wir, welche Produkte sie alternativ auf dem Markt anbieten könnten.

Ohne den politischen Willen, die Nachfrage nach Kriegswaffen durch den eigenen Staat zu beenden und deren Lieferung an auswärtige Staaten zu verbieten, gibt es für die Rüstungsbetriebe aber gar keinen Anlass, selbst darüber nachzudenken.

Unsere Sache ist, dafür zu sorgen, dass sie möglichst bald nicht mehr umhin können, sich darüber Gedanken zu machen.

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Hintergrund
Ullrich Hahn ist Präsident des Internationalen Versöhnungsbundes, Deutscher Zweig.