Gegen die „Festung Europa“

von Boats4People

Seit mehreren Jahren sprechen unzählige afrikanische und europäische Organisationen die Regierungen umsonst auf die Toten an den Grenzen der Europäischen Union an. Die Initiative „Boats4People“ ist zu dem Schluss gekommen, dass angesichts der unzähligen Schiffbrüche im Mittelmeer dringendes Handeln geboten ist. Der hohe Flüchtlingskommissar der UNO schätzt die Zahl der Schiffsbrüche allein für 2011 auf über 2000 – und das angesichts der Militärschiffe in der Region, der repressiven Truppen von Frontex und ohne dass Europa die Flüchtlinge aufnimmt. Sie fordert ein solidarisches Mittelmeer gegen eine repressive Politik, deren Ziel es ist, die Immigranten auf dem Weg nach Europa zu kriminalisieren.

Mit der Teilnahme an einer Solidaritätsflotte im Mittelmeer will Boats4People:

  • den Medien und den Parlamenten die Möglichkeit geben, das Massensterben anzuprangern, das sich derzeit im Sizilien-Kanal abzeichnet
  • die Akteure im Meer selbst denunzieren (Grenzsicherung, Frontex, Nato ...), dass sie sich schuldig machen, indem sie den Schiffbrüchigen nicht helfen und Asylsuchende ins Meer zurückdrängen (Einhaltung des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und des Genfer Abkommens)
  • Augenzeugenberichte sammeln und damit die Klagen vor internationalen Institutionen untermauern
  • das Kontroll- und Mitspracherecht in den Meeresregionen ausüben, in denen es Schiffbrüche gibt, und in den Lagern, in denen die in Italien ankommenden Menschen leben
  • die euro-afrikanische Solidarität hinsichtlich der Migration stärken und die Rechte der Immigranten verteidigen

Das Projekt wird getragen von einer Koalition von internationalen Organisationen und einem europäischen und afrikanischen Vereinsnetzwerk. Das Projekt wird von einer internationalen Steuerungsgruppe begleitet, die rund 15 euro-afrikanische Vereine zählt. Zu der Koalition gehören laut der Website u.a. die Internationale Föderation der Menschenrechtsligen, das Netz Afrique-Europe-Interact und das Netz Welcome to Europe (Deutschland), ARCI (Italien), CCFD (Frankreich) und etliche weitere Gruppen, drunter auch aus Tunesien und Marokko.

Die Flotte
Auf zwei Konferenzen in Tunis Ende September wurde nochmals bestätigt, dass Boats4People im April 2012 - zeitgleich mit dem maghrebinischen Sozialforum in Tunesien - stattfinden soll. Verschiedene Netzwerke und Gruppen aus Tunis und Sfax haben großes Interesse, an der Vorbereitung des Projektes mitzuwirken. Das Ziel ist, dass die Flotte von Rom aus in Richtung Tunesien, über Sizilien, Malta, Lampedusa, Tunis, Sfax und Ben Guardane, in See sticht. Die Operation wird gut drei Wochen dauern. Im Moment wird überlegt, mit einem oder mehreren Motorbooten loszufahren, die in der Lage sind, bis zu 50 Personen aufzunehmen – die Besatzung inklusive. Ihre Rolle wird vielfältig sein: Sie müssen das Meer beobachten, in ständiger Kommunikation mit dem Festland stehen, um Informationen direkt weiterzugeben, im Falle eines Schiffbruchs schnell reagieren können, mit abgetriebenen Menschen kommunizieren, die des Landes verwiesen wurden, etc.

Das Ziel der Flotte ist, einen maximalen Druck auf die europäischen Autoritäten auszuüben, indem vor allem interessierte MultiplikatorInnen an Bord gehen sollen. Ihnen soll die Situation im Sizilien-Kanal nahe gebracht werden, damit sie diese dann an eine möglichst große Zahl von Menschen weitergeben. Ziel ist es zudem, einer möglichst großen Anzahl von Personen die Möglichkeit zu geben, teilzunehmen. Deshalb wollen wir nach jedem Halt einen Austausch von Passagieren realisieren. Wenn Sie ParlamentarierIn, JournalistIn oder KünstlerIn sind und an einer Etappe der Wegstrecke teilnehmen wollen, dann schicken Sie bitte Ihre kompletten Daten an die Flottenkoordination.

Da der Platz auf den Booten begrenzt ist, werden die Entscheidungen betreffs der Passagiere gemeinsam mit den Vereinen der Steuerungsgruppe getroffen – auch um zu gewährleisten, dass ein Maximum von Ländern auf den Schiffen repräsentiert ist.

Eine Solidaritätsflotte auf dem Mittelmeer – und dann?
Diese Initiative ist für Boats4People kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, Alarm zu schlagen, und ein Ausgangpunkte für weitere Aktionen, die beide Seiten des Mittelmeers einbeziehen sollen. Das Ziel ist, ein Netzwerk von engagierten Personen aufzubauen (Vereine, Aktivisten, Abgeordnete, Journalisten, Seeleute, Segler, Künstler, Anwohner des Mittelmeers ...) und mit des Landes verwiesenen Menschen selbst Aktionen zu planen. Zudem soll ein dauerhafter Blick auf die Dinge gewährleistet werden, die sich an den Grenzen der Europäischen Union abspielen, und gemeinsam gegen die immigrationsfeindliche Politik der meisten Regierungen der Mittelmeeranrainer gekämpft werden.

Unterstützungsmöglichkeiten
Sie können die Solidaritäts-Flotte auf verschiedenen Wegen unterstützen:

  • indem Sie ein Unterstützungskomitee initiieren, um Veranstaltungen und Spendensammlungen zu organisieren, die den Teilnehmern und der Besatzung der Boote zugute kommen;
  • indem Sie in Ihrer Umgebung über das Projekt sprechen, besonders, wenn Sie in Kontakt mit Abgeordneten, Journalisten und anderen empfänglichen Persönlichkeiten stehen, die an dem Projekt teilnehmen oder es unterstützen könnten
  • indem Sie selbst eine Spende machen (die Bankverbindung findet sich auf der Website)

In den letzten Wochen haben in Deutschland und Österreich eine Reihe von Veranstaltungen und Diskussionen stattgefunden, um Boats4People bekannt zu machen, u.a. in Bremen, Berlin, Hamburg, Köln, Wien und in Frankfurt. Während der internationalen Buchmesse in Frankfurt wurde die Paulskirche besetzt, um gegen das Sterben an den Außengrenzen und für die Aufnahme von Flüchtlingen zu protestieren. Zur Preisverleihung des algerischen Schriftstellers Boualem Sansal wurden – mit Verweis auf sein Buch „Harraga“ - Flugblätter verteilt, in denen auch Boats4People vorgestellt wurde.

Die nächsten Wochen und Monate sollten nun unbedingt für weitere Veranstaltungen in möglichst vielen Städten genutzt werden, z.B. rund um den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember oder – wie oben erwähnt - am 18. Dezember zum Tag der MigrantInnen.

Bereits im November wird es im Rahmen der antirassistischen Konferenz „No Border lasts forever II“ in Frankfurt am Main die Möglichkeit geben, Boats4People in bundesweiter Zusammensetzung zu diskutieren und sich über eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung zu verständigen. (Ankündigung und Programm unter http://conference.w2eu.net. )

Es geht darum, sich dafür einzusetzen, dass das Mittelmeer ein Raum der Solidarität wird und kein Massengrab. Zudem ermöglicht es den Anwohnern des Mittelmeers, ihren Regierungen zu zeigen, dass die Schiffbrüche im Sizilien-Kanal nicht unbestraft bleiben und nicht heruntergespielt werden können, nur weil es Nicht-Europäer betrifft.

Quellen:
Newsletter Nr. 4 – 22. Oktober 2011 und die Website der Initiative: http://www.boats4people.org. Ansonsten weitere Infos und die früheren Newsletter zu Boats4People unter http://www.afrique-europe-interact.net/

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Rubrik

Friedensbewegung international