Internationale Aktionswoche

Gegen die Militarisierung der Jugend

von Semih Sapmaz

Vom 20.-26. November 2017 fanden in verschiedenen Ländern Aktionen gegen die Militarisierung der Jugend statt. Sie waren Teil einer globalen Aktionswoche gleichen Namens.

Diese Woche wird von den War Resisters‘ International (WRI) organisiert, einem globalen Netzwerk von AntimilitaristInnen und PazifistInnen, darunter auch deutschen Friedensorganisationen wie der DFG-VK und dem Bund für Soziale Verteidigung. Es gab in der Woche verschiedene Veranstaltungen und Aktionen – von Griechenland bis Südkorea, in Finnland, Großbritannien, Russland und vielen anderen Ländern.

Junge Menschen als eine Ressource für Krieg
Die Arbeit gegen Jugendmilitarisierung ist eine der Prioritäten des WRI-Netzwerks. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass junge Menschen die primäre menschliche Ressource für Krieg sind, und kein Krieg ohne sie angefangen oder fortgeführt werden kann.
Sergeiy Sandler, WRI-Aktivist und Mitglied von New Profile in Israel, hat es so ausgedrückt: „Damit ein Krieg geführt werden kann, muss eine ausreichende Anzahl junger Menschen vorhanden sein, die in ihm aktiv kämpfen, und genügend zusätzliche Leute, die ihn passiv akzeptieren und gutheißen.“ Um diese Unterstützung zu erreichen, müssen Menschen schon im frühen Alter „unterrichtet“ werden, Krieg als normal und nichts Kontroverses zu akzeptieren. In der Tat sehen wir heute mit den konzertierten Anstrengungen von Militär, Regierungen und anderen Kriegsprofiteuren, dass bewaffnete Gewalt als ebenso „natürlich“ wie wünschenswert für die Lösung von Problemen dargestellt wird.
Es gibt hierfür viele Beispiele, aber ich möchte mich auf den westlichen Kontext konzentrieren. Besonders in jenen Ländern, in denen die Wehrpflicht ausgesetzt oder abgeschafft wurde – wie in Deutschland und anderen europäischen Staaten – betreibt das Militär eifrig Kampagnen, um junge Leute zu erreichen und sie zu überzeugen, ihm beizutreten. (1) Es besucht Schulen, nimmt an Jobmessen und anderen öffentlichen Veranstaltungen wie Jugendfestivals teil und nutzt alle verfügbaren Mittel, von den sozialen Medien bis zu Videospielen. Besonders im westlichen Kontext pflegt es dabei einen mehr und mehr Gender-sensiblen und LGBTQ-freundlichen Kurs; organisiert Rekrutierungskampagnen, die sich speziell an Frauen und LGBTQ-Menschen richten und nimmt an Pride Paraden teil, bei denen es Flugblätter verteilt, wie „willkommen heißend“ und „progressiv“ das Militär sei. Und um all das zu tun, steht ihm viel Geld zur Verfügung.

Wenig Geld, aber viele Ideen
AktivistInnen betreiben, obwohl sie signifikant weniger Ressourcen haben, verschiedene Kampagnen, diesen Anstrengungen entgegenzutreten. Dazu gehören u.a. die britischen ForcesWatch und Veteranen für den Frieden. Sie machen Kampagnen gegen den Auftritt des Militärs in Schulen und gegen die Rekrutierung von Minderjährigen. Eine andere britische Organisation, die Peace Pledge Union, hat jüngst ein Projekt gestartet, das sich an die Universitäten richtet. Sie will ein Netzwerk von studentischen FriedensaktivistInnen schaffen.
In den USA gibt es ein „Nationales Netzwerk gegen die Militarisierung der Jugend“, das zusammen mit der War Resisters‘ League eine bundesweite Flugblattkampagne gestartet hat. Unter dem Titel „Den Frieden gewinnen“ wollen sie junge Leute, die überlegen, ins Militär zu gehen, über die Realität des militärischen Lebens aufklären.
Queere AktivistInnen gründen Initiativen, wie z.B. “No Pride in War” (2), wo sie die Militärpräsenz bei LGBTQ-Veranstaltungen infrage stellen.
In Ländern, in denen es die Wehrpflicht gibt, wie Finnland, die Türkei, Südkorea, Kolumbien und Israel, betreiben AktivistInnen Kampagnen zur Unterstützung von KriegsdienstverweigerInnen und rufen zum Widerstand gegen den Militärdienst auf. Sie üben Druck auf die Behörden aus, die Rechte jener jungen Leute zu schützen, die sich weigern, im Militär Dienst zu tun, und drängen ihre Regierungen, die Wehrpflicht zu beenden. Es gibt hier viele Beispiele, die nicht alle aufgezählt werden können.

Die Aktionswoche
Die Internationale Aktionswoche gegen die Militarisierung der Jugend will diesen wachsenden Widerstand gegen die Militarisierung der Jugend in verschiedenen Ländern koordinieren und verstärken. Sie gibt AktivistInnen die Gelegenheit, international gemeinsam zu agieren und in Austausch miteinander zu treten. Sie weckt in den Friedens- und Jugendbewegungen und in der allgemeinen Öffentlichkeit Bewusstsein über die verschiedenen Probleme, die mit dem Thema verbunden sind. Und sie ermutigt mehr Leute, aktiv zu werden.
In den letzten vier Jahren haben sich viele AktivistInnen mit direkten gewaltfreien Aktionen an der Woche beteiligt. Dazu gehörten Proteste vor Rekrutierungszentren, Job- und Waffenmessen. Sie organisierten Vorträge, Workshops, Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Infostände auf der Straße, verteilten Flugblätter, machten Online-Aktionen, indem sie Informationen in den sozialen Medien posteten, und sie veröffentlichten Berichte und Artikel über die Militarisierung der Jugend und wie Widerstand gegen sie geleistet werden kann.
Einige der Beispiele aus 2017:

  • In Tel Aviv organisierte das Mesarvot-Netzwerk – ein Solidaritätsnetzwerk, das politische KDVerInnen in Israel unterstützt – eine Demonstration in Unterstützung des jungen Verweigerers Matan Hellman.
  • In Helsinki gab es Straßenaktionen vor dem Rekrutierungszentrum in Helsinki durch den Verband der KriegsdienstverweigerInnen (AKL).
  • Ähnliches fand in Athen durch verschiedene griechische Gruppen statt, darunter auch das feministische Kollektiv „Purpur“.
  • In Brno (Tschechien) gab es eine Podiumsdiskussion und eine Filmvorführung durch die Gruppe NESENHNUTI.
  • Das Friedensbildungsprojekt MOMO organisierte in Seoul (Südkorea) eine Fotoausstellung.
  • Eine Artikelserie über Militarisierung der Jugend war der Beitrag des genannten Nationalen Netzwerks in den USA.
  • Der deutsche BSV begleitete die Aktionswoche wie in den Jahren zuvor mit einer Facebook-Kampagne.

Aktionen in Deutschland 2018?
Die Woche basiert auf den autonomen Aktionen und Veranstaltungen von AktivistInnen. Sie ist eine gemeinsame Anstrengung von AntimilitaristInnen auf der ganzen Welt mit dem Ziel, das Lokale mit dem Globalen zu verbinden. Wir freuen uns zu sehen, dass unsere Bewegung international wächst, aber das bedeutet auch, dass wir mehr Menschen werden müssen, die sich den Kampagnen gegen die Militarisierung der Jugend anschließen. Und wir brauchen Eure Teilnahme in Deutschland!
Dieses Jahr wird die Aktionswoche zum fünften Male stattfinden, und es ist nicht zu früh, mit uns Kontakt aufzunehmen! Wir werden bald mit den konkreten Planungen anfangen. Macht mit und organisiert Eure eigenen Aktionen, oder wendet Euch einfach per Email an uns: cmoy [at] wri-irg [dot] org
Ihr könnt uns auch in den sozialen Medien folgen: (twitter: @warresistersint, Facebook: www.facebook.com/antimiliyouth/).

Anmerkungen
1 Dieser Bericht dreht sich um die Rekrutierung Minderjähriger: Deutsche Welle, German military recruits record number of minors, 11.01.2018, http://www.dw.com/en/german-military-recruits-record-number-of-minors/a-...
2 Das Wortspiel ist schwer übersetzbar. “Pride”-Paraden sind Umzüge von LGBTQ-Menschen, in denen sie Stolz (pride) demonstrieren.

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Rubrik

Friedensbewegung international