Gerichtsverfahren wegen Bundeswehrblockade

von Hanna Poddig
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Nordfriesland im Februar 2008: Ein mit Militärgerät beladener Zug der Bundeswehr kommt zum Stehen und kann seine Fahrt erst nach mehreren Stunden fortsetzen. Der Grund: Eine antimilitaristische Aktionsgruppe hielt den Militärtransport durch eine engagierte Aktion auf. Transparente wurden gezeigt, es gab eine Sitzblockade, und eine Person hatte sich an die Gleise angekettet. Die Räumung der Ankettaktion erwies sich als kompliziert, und so mussten Feuerwehr und Technisches Hilfswerk hinzugezogen werden. Es gelang erst in den frühen Morgenstunden, die Schiene zu zertrennen und die Aktivistin aus dem Gleisbett zu entfernen. In der Pressemitteilung zu der Aktion wird eine Aktivistin in Bezug auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr zitiert „Heute heißt so ein Vorgehen „Krisenintervention. Dabei ist schlicht und einfach Krieg gemeint!“

Nun laufen Gerichtsverfahren gegen die beteiligten Friedensaktivistinnen und -aktivisten. Der Person, die sich angekettet hatte, werden Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen, und gegen die anderen Beteiligten laufen Verfahren wegen Beihilfe. Außerdem versucht die Bahn in einem Zivilverfahren, die Reparaturkosten für das bei der Räumung beschädigte Gleis in Höhe von 14.000 Euro einzuklagen.

Anfang des Jahres 2010 kam es in Flensburg vor dem Landgericht zur Verhandlung im Zivilverfahren. Der Richter war nicht bereit, sich auf die Argumentation der Verteidigung einzulassen und wollte in der friedlichen Aktion entgegen der Einschätzung der AktivistInnen keine Versammlung erkennen. Der Prozess wurde von solidarischen Aktionen begleitet - es gab zum Beispiel nach der Verurteilung die Verlesung eines alternativen Urteils, in dem die Bundesregierung verurteilt wurde, ihre Truppen sofort zurückzuziehen. Der Richter ließ daraufhin den Saal räumen, um das Verlesen zu unterbinden. Die verurteilte Aktivistin hat Rechtsmittel eingelegt, und so wird es eine weitere Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in Schleswig geben.

Ende Mai und Anfang Juni verhandelte ein anderer Richter in Husum am Amtsgericht die Vorwürfe Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe. Nachdem im Dezember ein Prozesstag geplatzt war, weil der Richter offensichtlich mit einer kreativ-wehrhaften Angeklagten nicht umzugehen wusste, wurden diesmal gleich drei Prozesstage angesetzt. Außerdem war das Gerichtsgebäude durch besondere Justizangestellte, die sogenannte MEG (Mobile Einsatzgruppe Justiz) gesichert. Einlasskontrollen mit Abtasten erwarteten das Publikum.

Auch im Strafverfahren war offensichtlich, dass das Urteil eigentlich schon geschrieben in der Schublade lag, als der Prozess anfing. Der Richter interessierte sich sichtlich wenig für die Argumente der Verteidigung. Auch dass Zuschauer aus dem Saal geworfen wurden und dabei durch Justizangestellte verletzt wurden, beantwortete er mit einem müden Lächeln und dem Kommentar, man möge ihn nicht langweilen. Die ZeugInnen der Polizei bestätigten in ihren Aussagen das Bild einer in der Aktionssituation komplett überforderten Polizei, die weder pragmatisch noch rechtlich genau wusste, was sie eigentlich tun sollte und wer nun eigentlich zuständig war. Die Ausführungen der verteidigenden Anwälte schienen weder Richter noch Staatsanwalt besonders zu interessieren. Und so folgte der Richter im Resultat in voller Höhe der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte die 24jährige Aktivistin zu 120 Tagessätzen Geldstrafe. Auch gegen dieses Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt.

Aus Anlass der Prozesse veranstalteten AntimilitaristInnen eine 12-tägige Dauer-Demo vor der Fliegerhorstkaserne in Husum. Sie forderten das Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr und sprachen sich gegen Krieg und Rüstung aus. Die anfängliche Skepsis, eine solche Aktion in einer abgelegenen Kleinstadt zu machen, wurde bereits in den ersten Tagen durch zahlreiches nettes Feedback zerstreut. Ausgehend von diesem Camp kam es zu verschiedenen Aktionen in der Husumer Innenstadt und direkt vor der Kaserne. Eine antimilitaristische Fahrradtour informierte über die Rolle der nordfriesischen Einheiten im Ausland, ein Straßentheaterstück thematisierte tagesaktuell den Rücktritt Köhlers und dessen Äußerungen, Deutschland führe Wirtschaftskriege, und ein clownesker Zapfenstreich (bei dem Tannenzapfen mit großen Pinseln rosa gestrichen wurden) sorgte für Spaß an der Kaserne. Viele Passantinnen und Passanten diskutierten mit und es gab breite Unterstützung von verschiedensten Menschen, die mitmachten, Feuerholz vorbei brachten oder einfach dazustießen und blieben. Die Mahnwache wurde innerhalb weniger Tage zum Stadtgespräch und hat es geschafft, in einer sehr stark von Militärs geprägten Region eine kritische Diskussion zur Rolle der Bundeswehr auszulösen.

Die Initiative bittet um Spenden auf ihr Prozesskostenkonto: Inhaber: Hauke Thoroe, Kto: 111026274, BLZ 217 500 00, Nord-Ostsee-Sparkasse, Betreff: Gleisblockade

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Hanna Poddig, geboren 1985, bezeichnet sich selbst als Vollzeitaktivistin und ist v.a. im Anti-Atom-Bereich, gegen Gentechnik und gegen Militarismus aktiv. Sie hat 2009 ein Buch ("Radikal mutig", rotbuch) über ihre Aktionserfahrungen mit kreativem Widerstand geschrieben. Kontakt: hanna.poddig@gmx.de.