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Die deutsche Rechte und der Krieg in der Ukraine
Gespaltene Rechtsextreme
von
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine spaltet die Rechte in Deutschland. In der AfD stehen die ostdeutschen Landesverbände mehrheitlich für einen Putin-freundlichen Kurs, der sich auch im Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion durchgesetzt hat. Das führt allerdings immer wieder zu innerparteilichen Konflikten, meist mit Vertreter*innen aus westdeutschen Landesverbänden. Der III. Weg hingegen hat sich nicht nur mit der ukrainischen Seite solidarisch erklärt, sondern will auch bereits mehrmals Kriegsmaterial an Gleichgesinnte in der Ukraine geliefert haben.
Die AfD präsentiert sich derzeit gern als Friedenspartei. Als sie im letzten Herbst versuchte, unter dem Motto „Unser Land zuerst!“ für einen heißen Herbst zu mobilisieren, thematisierte sie den russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor allem unter dem Motto „Das ist nicht unser Krieg!“ und forderte die Aufhebung aller gegen Russland gerichteten Sanktionen sowie die Öffnung der damals noch nicht gesprengten Ostsee-Pipeline Nordstream II.
Anfang Februar brachte sie einen Antrag in den Bundestag ein, in dem sie beklagte, dass „die Bundesregierung Deutschlands Rolle als neutraler Mittler in internationalen Konflikten nahezu aufgegeben und dafür die Kosten dem unbeteiligten deutschen Volke aufgetragen“ habe, „das nun mit Preissteigerungen und einer unsicheren Energieversorgung konfrontiert“ sei. Zum vorgeschlagenen Friedensplan gehört auch die Forderung, dass die vier von Russland beanspruchten Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson bis zur Abhaltung eines Referendums über ihre zukünftige Zugehörigkeit UNO-Mandatsgebiete werden sollen, womit die Ukraine die Kontrolle über weitere Teile ihres Staatsgebietes verlieren würde. Ursprünglich enthielt der Plan sogar die Forderung, anzuerkennen, dass die Krim ein Teil Russlands sei. Dieser Punkt fand sich dann allerdings trotz der anfänglichen Unterstützung durch die Fraktionsführung und Alexander Gauland nach einem massiven Fraktionskrach in der Endfassung nicht mehr wieder.
Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke, an dem in der AfD aktuell kein Weg mehr vorbeiführt, hatte bereits letztes Jahr im Oktober in einer Rede in Gera zum Tag der deutschen Einheit eine ganz besondere Verbundenheit zwischen Deutschen und Russen ausgemacht: „Der natürliche Partner für uns als Nation der Tüftler und Denker [..] wäre Russland, ein Land mit schier unerschöpflichen Rohstoffen. Hinzu kommt, dass die Deutschen und die Russen eine ähnliche seelische Prägung haben. Die deutsche Kultur gilt in Russland als Krönung dessen, was man komponieren, was man denken und was man bauen kann. Ebenso gilt uns deutschen die russische Kultur als Ausdruck einer menschlichen Seele und Wärme, die wir in uns kennen, aber vielleicht nicht oft genug zu zeigen wagen.“ Was hier nach inniger Verbundenheit klingt, hat allerdings einen Haken: Höcke vergleicht die deutsch-russischen Beziehungen mit der eines Liebespaars, bei dem allerdings Deutschland den dominanten, männlichen Part innehat. Ob die russische Seite mit einer solchen Rollenverteilung auch einverstanden wäre, darf getrost bezweifelt werden.
Zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine mobilisierte die AfD zusammen mit Pegida nach Dresden zu einer großen Kundgebung mit „Friedensspaziergang“. Dabei kam als Kampagnenmaterial auch wieder ein blaues Herz zum Einsatz, das bereits im Jahr zuvor Erkennungszeichen der AfD-Kampagne „Unser Land zuerst“ war. Dieses Mal war es allerdings auf der einen Seite mit einer Friedenstaube und auf der anderen Seite mit dem Schriftzug „Frieden“ bedruckt. Nur durch eine schwungvolle Linie in den deutschen Nationalfarben war für Eingeweihte noch ersichtlich, dass es sich um ein Kampagnen-Element der AfD handelt und nicht um eins der Friedensbewegung.
Um festzustellen, dass es sich bei dieser Kundgebung um eine von Rechtextremen organisierte Veranstaltung handelte, reichte es allerdings, die ersten Sätze von Höckes dort gehaltener Rede zu hören: „Jede Kriegsgeschichte hat ihre Vorgeschichte, der Erste Weltkrieg hat viele Väter, der Zweite Weltkrieg hat viele Väter und auch der Ukrainekrieg hat viele Väter“, relativierte Höcke in seiner Rede die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg.
Neben Höcke traten mit dem sächsischen Parteichef Jörg Urban und dem Brandenburger Fraktionsvorsitzenden Christoph Bernd zwei weitere prominente ostdeutsche AfD Politiker in Dresden als Redner auf, von denen mit Urban mindestens einer an der am Tag danach von Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Erich Vad organisierten Kundgebung am Brandenburger Tor teilnahm.
Dass große Teile der AfD russlandaffine Positionen vertreten, lässt sich vor allem dadurch erklären, dass viele AfD Anhänger*innen in Putin die Verkörperung eines Typs von Politiker sehen, den sie sich auch für Deutschland wünschen: Ein Anführer, der nationale Interessen vertritt, dem Westen und seinen liberalen Werten die Stirn bietet, Gender-Ideologie bekämpft und stattdessen für ein patriarchales Weltbild eintritt. Wo Putin vom russischen Zarenreich träumt, schwärmt Höcke vom deutschen Kaiserreich. So forderte er in seiner Dresdner Rede unter anderem eine Neuauflage des Berliner Kongresses, bei dem zu Bismarcks Zeiten schon einmal die Interessen europäischer Imperien in Berlin verhandelt wurden. Deutschland und Russland hatten damals so enge Beziehungen, dass sie sogar eine gemeinsame Grenze hatten. Aussichten, die in Polen und dem Baltikum wohl kaum auf Sympathie stoßen würden.
Strategie der Vereinahmung
Die AfD-Vereinnahmung der Friedensbewegung ist allerdings auch unter einem anderen Aspekt problematisch. Es ist von Anfang an AfD-Strategie, durch Vereinnahmung von unterschiedlichen Protestbewegungen, eine wachsende, rechte Straßenbewegung aufzubauen. Das begann mit der Stimmungsmache gegen die Euro-Rettung, setzte sich fort mit Pegida und Klimawandelleugnung, hatte seinen letzten Höhepunkt mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen und trifft jetzt die Friedensbewegung. Leider haben noch nicht alle erkannt, dass Teile der Friedensbewegung Gefahr laufen, zu einem weiteren Geburtshelfer einer starken, rechtsradikalen Protestbewegung zu werden, mit der der nazistische Höcke-Flügel in Deutschland hegemonial werden möchte.
Dieser Kurs ist allerdings in der AfD nicht unumstritten. So warf zum Beispiel der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, im April seinen prorussisch argumentierenden AfD-Kollegen „Volksverrat“ vor. Geleitet ist er dabei wohl auch von der Sorge, dass die AfD an Rückhalt bei Soldat*innen verlieren könnte. Diese sind für die Partei eine wichtige Zielgruppe, deren Interessen sie mit der Forderung nach einer massiven Aufrüstung der Bundeswehr bedienen möchte, die so gar nicht zu dem von der Partei aktuell gezeichneten Bild als Friedenspartei passt.
Rechts von der AfD gibt es allerdings auch noch ganz andere, pro-ukrainische Positionen. So begründet der „III. Weg“ seine Unterstützung der Ukraine unter anderem damit, dass „eine imperialistische, außereuropäische Macht aus den Steppen Asiens in ein weißes, europäisches Land“ einfalle. Und bei der „Neue Stärke Partei“ wird die Solidarität mit der Ukraine damit begründet, dass Putin „das Verbrechen von Stalin und die damit verbundene kommunistische Schreckensherrschaft“ weiterführe.