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Monate mußten die Nation und die Welt warten, bis George Bush seine auf Reagan folgende "freundlichere und sanftere" Außenpolitik bekannt gab. Als im April 1989 endlich die Veröffentlichung der Empfehlungen einer Präsidenten-Kommission zur Überprüfung der Außenpolitik begann, zeichneten sich ihre Vorschläge gelinge gesagt durch wenig Verständnis für den dramatischen Wandel in der globalen Realität aus. Sie legte ein Konzept vor, welches sich "Status Quo Plus" nennt, um die grundsätzliche Weiterführung der Politik Reagans hervorzuheben. Beobachter suchten fieberhaft nach Beispielen für das "Plus" (dem neuen Element) in Bushs Vorschlägen für die Lösung globaler Fragen. Alles, was herauskam, war die vage Vorstellung, von den Sowjets Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus zu erbitten.
Obwohl Bush und die politische, gesellschaftliche und militärische Elite relativ klug die strategischen Interessen der USA verfolgen, sind sie nicht auf große Schritte vorbereitet, um der Herausforderung der sowjetischen Initiativen entgegentreten zu können, die militärische Ausgaben zu reduzieren oder einige Grade von der Doktrin der strategischen Abschreckung abzuweichen. Im Gegenteil, Bush intervenierte ungeachtet des hohen Haushaltsdefizits direkt in die Kongreß-Beratungen über den 1990er Verteidigungshaushalt, um Milliarden von Dollar für den B-2-Bomber und 5 Milliarden Dollar für die strategische Verteidigung durchzusetzen. Er besteht darauf, daß der Sternenkrieg ein "zentrales" Element der US-Militärplanung ist.
Eine wiederkehrende Begründung für derart verschwenderische Ausgaben ist die vermeintliche Notwendigkeit, Verhandlungsmasse für Verhandlungen mit den Sowjets zu bekommen ("bargaining chips"). Obwohl Washington mit mehr als 11.000 Sprengköpfen mehr als genug Verhandlungs"masse" hat, wird dem Kongreß gegenüber argumentiert, alle diese neuen Waffen sein erforderlich, um den Präsidenten mit Friedenswerkzeugen zu versorgen.
"Für Perestroika"
Zwar wird versichert, daß Washington "möchte, daß die Perestroika erfolgreich ist". Dennoch hat der Präsident keine große Eile, den militärischen Druck auf die Sowjets zu verringern. Die Ausgangsposition der Bush-Administration bei den kürzlich wiederaufgenommenen Genfer Gesprächen über die Reduzierung der strategischen Waffen um 50% war durch Unflexibilität beim "Sternenkrieg" und fortwährender Verweigerung bei seegestützten Raketen (SLBM) gekennzeichnet. Das ist charakteristisch für Bushs Vorsicht und seinen Widerwillen, zu dieser Zeit zu riskieren, sich die militärische Lobby mit ihrer enormen finanziellen und politischen Macht zum Feind zu machen. Sein Hauptinteresse ist es, mit umfangreichen militärischen Forschungs- und Entwicklungsprogrammen fortzufahren, die die militärischen Unternehmer gut ins 21. Jahrhundert bringen und neue Militärtechnologien schaffen.
Während größere Tageszeitungen und sogar Ronald Reagan auf mutige Initiativen drängen, die das von den sozialistischen Staaten angebotene Entgegenkommen nutzen, drängt Bush auf eine tranceartige Fortsetzung des Wettrüstens, obwohl der kalte Krieg nachläßt. Er hat wesentlich mehr Interesse an einer Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa gezeigt (wo der Warschauer Pakt gezwungen wäre, seine Kräfte um das Zehnfache der NATO-Kräfte zu kürzen), als an baldigen Reduzierungen der strategischen Atomwaffen. Reagans Rejkjaviker Traum von der Vernichtung aller Atomwaffen ist spurlos verschwunden. Die von Bush geprägte NATO-Erklärung rechtfertigt das Weiterbestehen der Allianz wie zu Zeiten des kalten Krieges. Sie spricht von verkleinerten Waffenarsenalen, aber hält an Atomwaffen fest.
Unerwartete Flexibilität gab es bei den Wiener Gesprächen zur Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa. Bushs Vorschläge standen unter dem Druck der Bundesregierung und anderer NATO-Mächte, die über die atomaren Kurzstreckenraketen verhandeln wollen, wozu Washington aber nur in Verbindung mit einem Vertrag über die konventionellen Waffen bereit ist. Die Einbeziehung der Luftwaffe markiert einen neuen Rückzug Washingtons und schiebt die NATO-internen Konflikte über die Lance-Kurzstreckenraketen auf, ohne sie zu beenden. Im Vergleich zum Druck aus der BRD wegen der Kurzstreckenraketen ist der Druck wegen SDI, Stealth-Bomber, Trident-2-Raketen und viele andere Waffen deutlich geringer. Das ist für die US-Friedensbewegung eine Herausforderung.
Streichungen bei Militärforschung
Das US-Repräsentantenhaus änderte bei seinen jüngsten Beratungen Bushs Planungen zum Militärhaushalt für 1990 in einigen wichtigen Bereichen. Es kürzte die von Bush beantragten Gelder für den Stealth-Bomber von 4,7 Milliarden Dollar auf 3,7 Mrd., für SDI von 4,9 Mrd. auf 3,1 Mrd. Dollar, für die Stationierung von MX-Raketen auf Eisenbahnwaggons um 600 Millionen, und strich die Gelder, mit denen die Forschung für die mobile Einfach-Sprengkopf-Midgetman-Rakete eingeleitet werden sollte. Aber das Repräsentantenhaus erneuerte zugleich Ausgabenprogramme, die Verteidigungsminister Richard Cheney fallen lassen wollte, so für das F-14 Kampfflugzeug und den V-22 Osprey-Senkrechtstarter.
Wie ist das zu erklären? Im Gegensatz zur vom Präsidenten geleiteten Exekutive ist das Repräsentantenhaus weniger an langwierigen kapitalintensiven Forschungsprogrammen interessiert als an unmittelbar arbeitsintensiven und arbeitsplatzerhaltenden Produktionsprogrammen. Während sich Bush den Mantel des langfristigen Förderers der Perspektive dauerhafter Rüstungsausgaben umhängt, sind die meisten Kongreßmitglieder mehr an Militärausgaben interessiert, die Arbeitsplätze in ihren Wahlkreisen schaffen und erhalten. Diese Kongreßdebatte wirkte gespenstisch! Denn wer die Kongreßberatungen beobachtet, findet keinen Hinweis darauf, daß umfangreiche Abrüstungspläne auf dem Tisch liegen, daß die sozialistische Welt eine tiefgreifenden Wandel durchmacht, daß die Warschauer-Vertrags-Staaten tiefe Einschnitte in ihre Militärausgaben und Streitkräfte vornehmen usw.
Kongreßabgeordnete, die spezielle Waffenprogramme unterstützten, sprachen unverblümt über ihr Interesse an Arbeitsplätzen und ihre Sorge vor negativen wirtschaftlichen Auswirkungen in ihren Wahlbezirken, wenn Waffenproduktionen eingeschränkt werden. Nach den einschneidenden Kürzungen bei Stealth, SDI und strategischen Raketen sagte denn auch Repräsentant Lee Aspin, Vorsitzender des House Armed Services Committee, daß die entstandenen Einsparungen für Munition, den Ausbau militärischer Basen und zur Verbesserung der nicht-militärischen Ausrüstung der Streitkräfte benutzt werden könnten. Auf diese Weise bleibt das Gesamtbudget Bushs Vorstellungen entsprechend ohne Abzüge bestehen - 305,5 Mrd. Dollar!
Senat an der Seite Bushs
Der Senat, der für sich über die Waffenexpansion berät, steht den Prioritätensetzungen Bushs näher. Er ist generell kapitalfreundlicher und konservativer als das Repräsentantenhaus und vergleichsweise weniger verwundbar durch wirtschaftlichen und politischen Druck bezüglich Jobs und Sozialausgaben. Einschneidende Kürzungen für SDI, MX und den Stealth-Bomber lehnte der Senat ab und reduzierte die Ausgaben für den Stealth-Bomber um nur 300 Millionen Dollar und für SDI um 400 Mio. Senator Sam Nunn, Vorsitzender des Senatsausschusses Armed Services Committee, gelang es, Bushs teure Lösung für eine "starke Verhandlungsposition" der USA beizubehalten - nicht gegenüber den Sowjets, aber gegenüber dem Repräsentantenhaus, das tiefe Einschnitte bei SDI, Stealth und MX vorgenommen hatte. Im September wird ein "Konferenz-Komitee" der beiden Kammern zusammentreten, um ihre Differenzen auszuräumen. Dabei scheint der Senat im Vorteil zu sein:
Ungeachtet der jüngsten Kongreß-Aufführung, die gut zur Tradition des verfestigten Rüstungswettlaufs paßt, liegen einschneidende Wandlungen in der Luft. Die Bereitschaft des Repräsentantenhauses, den Präsidenten bei SDI, MX und Stealth herauszufordern, ist wichtig und vielversprechend. Obgleich wir Rückschläge im Konferenz-Komitee absehen können, warnen Liberale im Repräsentantenhaus, daß sie kämpfen werden, wenn die Mitglieder des Hauses im Komitee den Falken des Senats zu sehr nachgeben. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte erlebt die Nation einen geistigen Krieg um Form und Inhalt des endgültigen Rüstungsgesetzes für 1990. Ferner ist die Nation beunruhigt über die hunderte von Milliarden Dollar für Rüstung angesichts der Haushalts- und Schuldenkrise und der sich vertiefenden inneren sozialen Krise. Viele Politiker, die in der vordersten Linie des Kalten Krieges standen, rufen nun zu einem Krieg gegen die Drogen und die Kriminalität auf, anstatt zu einem zerstörerischen Wettrüsten mit den Sowjets. Öffentliche Kundgebungen gegen Atomtests und die Aufstellung der Trident-2-Rakete sind kürzlich groß und stark gewesen. In wachsendem Maße entsteht neues Denken über die Zusammenhänge zwischen Umweltverschmutzung und Atomwaffenproduktion, zwischen Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Umstellung zu einer zivilen Wirtschaft, zwischen Militärausgaben und sozialer Krise. Unvermeidlich werden Weißes Haus und Kongreß mehr und mehr die Wucht dieser Trends spüren, genauso wie den Druck der Veränderungen im globalen Ausmaß.
Übersetzung: Gabriele Calvo-Henning, Jan Brahms und Gregor Witt.