6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Gestern Frieden - heute Antifa?
vonDie Wahlerfolge rechtsextremer und neofaschistischer Gruppen wie DVU-Liste D, NPD und vor allem der sogenannten Republikaner haben in Friedensinitiativen eine Diskussion ausgelöst, ob dies jetzt nicht der neue Schwerpunkt Sozialer Bewegung sein müssen. Verbunden damit ist bei vielen die Hoffnung, damit auch wieder mehr Menschen zu Aktionen mobilisieren zu können. Einige Initiativen haben sich unbenannt, einige ihren Namen mit "... und Antifaschismus" erweitert.
Diese Diskussionen sind ernstzunehmen. Und so sehr ich es persönlich begrüße, wenn Menschen, die in der Friedensarbeit Erfahrungen gesammelt haben, sich in der antifaschistischen und antirassistischen Bewegung engagieren, so sehr möchte ich vor einem einfachen "Umsteigen auf das Antifa-Thema" warnen, Dies wäre eine Ausweichen vor den aktuellen Entwicklungsproblemen der Friedensbewegung mit längerfristig negativen politischen Folgen. Denn damit würden die Chancen vermindert, neue und effektive Formen der Friedensarbeit zu finden.
Ein "Umsteigen" von schon lange arbeitenden Friedensinitiativen entspricht auch nicht dem Stand der antifaschistischen Bewegung. Denn diese Bewegung, die stark auf die Auseinandersetzung mit den rechtsextremen und neofaschistischen Gruppen konzentriert ist, ist erst dabei, ihre Strukturen zu entwickeln. An vielen Orten, in den meisten Bundesländern und auf Bundesebenen entstehen Bündnisse, die noch sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind und unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Arbeit haben. Nicht "Umsteigen" ist daher angesagt, sondern lernen voneinander, gemeinsame Gespräche und wenn möglich, auch Absprachen.
Dies gilt in erster Linie für die inhaltliche Diskussion. So ist die inhaltliche Einigungslinie des "Bremer Prozesses", der bundesweiten Vernetzung nach der ersten bundesweiten Aktionskonferenz gegen Neofaschismus und Rassismus in Bremen im Januar 1989, die gemeinsame Suche nach einer modernen Konzeption antifaschistischer Arbeit, die zwar aufbaut auf den bisherigen Erfahrungen des "traditionellen" Antifaschismus, aber jetzt stärker die aktuellen und zukünftigen Bedingungen in den Vordergrund stellt. In den letzten zwei Jahren ist vor allem bei den Wahlen überdeutlich geworden, daß Gegenaktionen nicht mehr ausreichen, sondern daß es notwendig ist, stärker politische Konzepte und Perspektiven zur Veränderung der politischen Kultur zu entwickeln. Wichtig ist dabei die gemeinsame Erarbeitung positiver Alternativen - die Forderung nach einem Kurs humaner Orientierung, Entwürfe für eine multikulturelle Gesellschaft, für eine Lösung sozialer Probleme und neuer Ansätze für die Jugendarbeit. Hier bieten sich viele Möglichkeiten, die Erfahrungen aus der kommunalen Friedensarbeit und der in Tübingen begonnenen Utopie-Debatte einzubringen. Ein Beispiel dafür ist der Aufruf für eine friedensfähige Gesellschaft aus Anlaß der bundesweiten Friedenswoche vom 12. - 22. 11. 1989. Möglich wäre dies bei der geplanten zweiten bundesweiten Aktionskonferenz gegen Neofaschismus und Rassismus, die am 10. und 11. Februar 1990 in Frankfurt stattfinden wird. Wichtig wären auch Absprachen über mögliche gemeinsame Aktionen in den Wahlkämpfen des Jahres 1990, vor allem im November 1990, der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes. Die Kraft Sozialer Bewegung liegt vor allem in den dezentralen, in den unterschiedlichen Bereichen tätigen Initiativen, die autonom arbeiten. Dabei entwickelt jede dieser Initiativen ihre eigenen Formen. Die antifaschistische Bewegung kann sich heute schneller entwickeln, da durch die Friedensbewegung eine politische Kultur der Zusammenarbeit geschaffen wurde. Aber: sowohl die Friedensbewegung als auch die antifaschistische Bewegung muß ihre jeweils spezifischen Strukturen finden. Schwerpunktverlagerungen oder "umsteigen" bringen uns nicht weiter.