Ziviles Peacekeeping

Gewaltfreies Eingreifen ist möglich

von Stephan Brües

Seit einem guten Jahr hat der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) eine Kampagne gestartet, um die Idee des Zivilen Peacekeepings in der Politik, aber auch in kirchlichen und friedensbewegten und weiteren interessierten Kreisen bekannt zu machen.

Was war noch gleich Ziviles Peacekeeping? Ziviles Peacekeeping hat seine Wurzeln im indischen Unabhängigkeitskampf (Gandhis Idee einer „Friedensarmee“) und wird heute vor allem von Nichtregierungsorganisationen (NROs), aber gelegentlich auch von staatlichen Organisationen (z.B. OSZE) durchgeführt. Laut einem kürzlich erschienenen wissenschaftlichen Artikel von Randy Janzen ist Ziviles Peacekeeping  eine praktische, auf den Prinzipien der Gewaltfreiheit basierende Tätigkeit von Fachkräften in Konfliktgebieten, die vornehmlich in Form von Begleitung, Schutzpräsenz, Monitoring und Berichterstattung geschieht. (1) Seit 2002 arbeiten kontinuierlich über 30 Organisationen in diesem Sinne in allen Teilen der Welt, besonders auf dem Balkan, Guatemala, Kolumbien und Israel/Palästina und Mexiko, aber auch im Irak, in Honduras, Haiti, Sri Lanka, auf den Philippinen, Myanmar, Papua Neuguinea und in westlichen Staaten (USA, Kanada, Nordirland, Österreich und England). Der afrikanische Kontinent ist in dieser Hinsicht stark unterversorgt: Janzen nennt je einen Einsatz in Ägypten, DR Kongo, Südafrika, Kenia und Südsudan. Unter anderem in dem zuletzt genannten Land, aber auch auf den Philippinen setzt die NRO Nonviolent Peaceforce seit mehr als zehn Jahren Ziviles Peacekeeping erfolgreich in Bürgerkriegsgebieten ein. Dabei konzentriert diese (wie auch andere Organisationen) sich auf die Gewaltverhinderung und darum, Raum zu schaffen für jene, die die Konflikte nachhaltig zu bearbeiten suchen. Im Unterschied dazu befasst sich der Zivile Friedensdienst mit der gesamten Bandbreite von Konfliktbearbeitung.

Kampagnenziele
Mit der Einführung des Zivilen Friedensdienstes und einigen anderen im Aktionsplan Zivile Krisenprävention aufgelisteten Instrumente ist Deutschland erste Schritte zu Ziviler Konfliktbearbeitung gegangen. Schritte, die es in keinem anderen Land bisher gegeben hat. Gerade deshalb darf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik dabei nicht stehen bleiben.

Was die BSV-Kampagne fordert, ist die gezielte Förderung des Zivilen Peacekeepings, z.B. durch Fördermaßnahmen des Auswärtigen Amtes und durch Aufnahme in das Instrumentarium  zivile Krisenprävention. Zudem sollte die Bundesregierung auf EU-, OSZE- und UN-Ebene in aktuellen Krisen auf entsprechende Maßnahmen dringen. Ziel sollte sein, glaubwürdig, effektiv und kosteneffizient Menschen in Konfliktregionen zu schützen und zu befähigen, selbst in ihrer Region für Frieden und Menschenrechte einzutreten.

Kampagnenstrategie
Diese Forderungen kann der BSV nicht alleine durchsetzen. Nur politischer Druck aus der Bevölkerung bzw. von zivilgesellschaftlichen Gruppen oder gesellschaftlich relevanten Akteuren wie Kirchen oder Gewerkschaften kann den aktuellen Stillstand auf dem Weg zu einer vorrangig zivilen Außenpolitik erreichen. Daher will die Kampagne zweigleisig fahren: Zum einen will sie in direkten Dialog mit VertreterInnen der Politik treten und den ParlamentarierInnen im persönlichen Gespräch die Vorzüge des Zivilen Peacekeepings erläutern. Auf der Fachtagung am 1. November 2014 in Berlin, die ein Auftakt zur Kampagne war, hat die Friedensaktivistin und jetzige Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer inhaltliche Anknüpfungspunkte und Tipps für die Ansprache von PolitikerInnen vermittelt. Zugleich aber muss es Bündnispartner geben, die das Anliegen unterstützen: andere Friedensgruppen, kirchliche Verbände oder auch Medien. Auch hier wurden in der Fachtagung im November erste Kontakte geknüpft, die es weiter zu intensivieren gilt.

Der nächste Schritt: Fachgespräch am 10.10.2015
Am 10. Oktober 2015 wird es von 11-17 Uhr im Haus Venusberg in Bonn eine Fachtagung zur Kampagne geben. Sie wird ihren Fokus auf die Wissenschaft und die Praxis des Zivilen Peacekeepings legen. Sie beginnt mit einer Einführung in das Konzept des Zivilen Peacekeepings durch die Friedensforscherin Rachel Julian aus Leeds/England. In dem darauf folgenden Panel sollen verschiedene Akteure des Zivilen Peacekeepings über ihre Erfahrungen berichten. Neben der Arbeit von NROs wie der Nonviolent Peaceforce wird es auch einen Bericht von einem Bundeswehroffizier (Volker Lossner) geben, der als Militärbeobachter in Georgien/Abchasien war. Damit soll gezeigt werden, dass die Prinzipien des Zivilen Peacekeepings bereits angewendet werden, ohne dass darüber in den Medien viel berichtet wird. Zugleich aber sind diese Erfahrungsberichte, wie auch solche aus der OSZE, die für die Fachtagung angefragt sind, ein Ansatzpunkt für die inhaltliche Hinführung an PolitikerInnen zu einer Politik, die Ziviles Peacekeeping aktiv und offensiv fördert.

Am Nachmittag wird es in der Fachtagung darum gehen, wie eine (weitere) politische Anerkennung innerhalb der UN und der EU erreicht werden kann. Dazu werden der ehemalige UNICEF-Mitarbeiter und das jetzige Vorstandsmitglied der Nonviolent Peaceforce, Rolf Carriere, und Alessandro Rossi sprechen, ebenfalls Vorstandsmitglied und gleichzeitig in der EU tätig.

 

Anmerkung
1 Janzen, Randy (2014): Shifting practices of peace: What is the current state of Unarmed Civilian Peacekeeping? in: Journal of Peace Studies 7 (3), S. 46-60, hier S. 49 und 54

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Stephan Brües ist freier Journalist und Co-Vorsitzender des Bund für Soziale Verteidigung.